Lehrer-Blog:Handys weg, Abschlussprüfung!

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Deutsch? Das kann man, dafür muss man nicht lernen, finden die Schüler von Lehrerin Catrin Kurtz.

(Foto: Illustration: Katharina Bitzl)

Kreislaufkollaps, diabetischer Schock, Weinkrämpfe: An der Realschule finden die Abschlussprüfungen statt. Wie sich Lehrerin Catrin Kurtz rüstet - und warum es sie freut, wenn sie Schülern Albträume bereitet.

Während die Abiturienten schon glücklich und biertrinkend die Badeseen der Umgebung bevölkern, geht es für die Realschüler erst richtig los. Die Abschlussprüfungen stehen an. In den vergangenen Wochen wurde sowohl von Schüler-, als auch von Lehrerseite versucht, das Wichtigste in die Köpfe zu stopfen. Simple Past, Present Perfect und Will-Future wurden wiederholt, Matheformeln gepaukt, alte BWR-Abschlussprüfungen (Betriebswirtschaftliches Rechnungswesen, Anm. d. Red.) durchgekaut - und in Deutsch?

Tja, für Deutsch muss man - wie mir Schüler alle Jahre wieder versichern - nichts machen. Deutsch spricht man von Kindesbeinen an, das geht schon irgendwie, und neben den ganzen Matheformeln und Fremdsprachenvokabeln bleibt dafür "echt keine Zeit".

Vereinzelte Übungsaufsätze trödeln am Wochenende vor der Abschlussprüfung per Mail bei mir ein. In diesem Jahr war einer darunter, der mir Hoffnung gibt, dass meine Appelle doch fruchten - zumindest unterbewusst. Folgendes Schreiben begleitete das literarische Werk:

Liebe Frau Kurtz,

ich habe von Ihnen geträumt. Ich hatte keinen Übungsaufsatz bei Ihnen abgegeben und Sie haben mich voll zur Sau gemacht. Im Traum hatte ich solche Angst, weil Sie gesagt haben, dass ich ein faules Stück sei und locker eine Zwei schaffen könnte, wenn ich mehr üben würde. Als ich aufgewacht bin, hatte ich immer noch Angst, und da habe ich beschlossen, lieber doch einen Übungsaufsatz zu schreiben. Besser ist das wohl.

Annika

Was soll ich sagen? Furcht mag zwar ein pädagogisch fragwürdiges Motivationsmittel sein - aber es wirkt. Der Übungsaufsatz war gar nicht schlecht. Wenn Annika auch in der Abschlussprüfung eine Zwei schafft, was ich ihr durchaus zutraue, dann hat es sich gelohnt, dass ich meine Schüler bis in den Schlaf verfolge.

Aber natürlich sind die Zehntklässler am Tag der Tage nervös, eine unkalkulierbare Widrigkeit. Sogar Kreislaufzusammenbrüche vor dem eigentlichen Prüfungsbeginn habe ich schon erlebt. "Frau Kurtz, die Kathrin liegt im Mädchenklo am Boden und atmet so komisch, können Sie mal kommen?" Die Erzählungen meiner Kollegen reichen sogar von epileptischen Anfällen bis zu einem diabetischen Koma.

Glücksbringer-Stau in der Schultasche

Gesundheitsgefahr im vergangenen Jahr: Die Schüler schwitzten bei 30 Grad im unklimatisierten Klassenzimmer über ihren Aufgaben. Neben der allgemeinen Ermahnungslitanei - Handy ausmachen und vorne abgeben, Augen auf dem eigenen Blatt lassen - mussten wir Lehrer die Schüler im Stundentakt daran erinnern, das Trinken nicht zu vergessen. Auch die eine oder andere Wasserflasche aus dem Automaten in der Aula wurde zwangsweise spendiert, da die Prüflinge andere Prioriäten setzen mussten: "Ich habe ja kaum die ganzen Glücksbringer in meine Tasche gekriegt, Frau Kurtz!"

Zur Ausstattung eines gut vorbereiteten Aufsichtslehrers gehören außerdem unbedingt Taschentücher. Es kommt immer wieder vor, dass Schüler angesichts der Aufgaben die Kontrolle verlieren und hemmungslos zu weinen anfangen. Das legt die Vermutung nahe, dass mancher suboptimal vorbereitete Schüler zu unerlaubten Mitteln greift - doch hier muss ich eine Lanze für meine Zehntklässler brechen. Ich habe noch nie einen Schüler in der Abschlussprüfung beim Spicken erwischt. Vielleicht sind die Tricks seit meiner eigenen Schulzeit aber auch einfach zu raffiniert geworden ...

Na ja, ich gebe weiterhin mein Bestes; Wasser, Taschentücher und Schokolade sind eingepackt. Und ich hoffe, dass im entscheidenden Moment der eine oder andere Geistesblitz sein Ziel erreicht und die Abschlussprüfungen gut gemeistert werden. Meistens bin ich nämlich nervöser als so mancher Schüler.

Liebe Leser, in den kommenden zwei Wochen erscheint wegen der Pfingstferien in Bayern kein Lehrer-Blog - die nächste Folge gibt es am 26. Juni.

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