Kreuze in Schulen:"Es hängt auch keiner CSU-Embleme in Klassenzimmer"

Kruzifix in Münchner Klassenzimmer, 2011

Kruzifix in einem Klassenzimmer des Münchner Sophie-Scholl-Gymnasiums

(Foto: Catherina Hess)

Lehrer Christoph Wolf hat erfolglos gegen Kreuze in Bayerns Schulen geklagt. Einen anderen religiösen Disput gegen das Bildungswesen hat er aber gewonnen.

Interview von Matthias Kohlmaier

Nach dem Willen der Landesregierung unter dem neuen Ministerpräsidenten Markus Söder soll künftig im Eingangsbereich jeder bayerischen Behörde ein Kreuz hängen. Der Protest gegen den Beschluss erinnert an die vielen Auseinandersetzungen, die es in den vergangenen Jahrzehnten bereits um die in Schulen angebrachten Kreuze gegeben hat.

Christoph Wolf, mittlerweile pensionierter Grundschullehrer aus Augsburg, hatte bereits 2006 juristisch zu erstreiten versucht, dass er die Kreuze in seinen Klassenzimmern abhängen darf - allerdings ohne Erfolg. Entsprechend kritisch sieht er den neuen "Kruzifix-Befehl".

SZ: Herr Wolf, Sie haben 2006 den Antrag gestellt, die Kreuze in Klassenzimmern, in denen Sie unterrichten, abzuhängen. Warum?

Christoph Wolf: Bei meiner damaligen Schulleiterin habe ich es damit begründet, dass die staatliche Pflichtschule keine Bekenntnisschule ist und das Kreuz an der Wand im Endeffekt gegen Artikel 4 des Grundgesetzes verstößt. Der Staat ist zur weltanschaulichen Neutralität verpflichtet. Es hängt auch keiner CSU-Embleme in Klassenzimmer, dann sollte man es mit religiösen Symbolen genauso halten. Dazu kommt: Die "Kreuz-Pflicht" gibt es deutschlandweit nur in Bayern und dort nur an den Volksschulen, nicht aber an Gymnasien oder Realschulen.

Mit welcher Begründung hat Ihre damalige Chefin den Antrag abgelehnt?

Sie meinte, dass meine Gedanken in Bezug auf die Glaubensfreiheit zwar ernst zu nehmen seien, die Mehrheit unserer Schüler aber aus christlich geprägten Familien stammen würde. Daher sei das Kreuz ein vertrautes Symbol und die Kinder aufgrund ihres Alters nicht in der Lage, die Situation zu verarbeiten, falls es entfernt würde.

Damit wollten Sie sich aber nicht abfinden.

Mit Unterstützung der Lehrergewerkschaft GEW habe ich einen in dem Thema versierten Anwalt aufgesucht und gegen die Entscheidung geklagt. Vor dem Verwaltungsgericht Augsburg haben wir nicht recht bekommen und wollten gegen dieses Urteil zügig in Berufung gehen - die hat das Gericht aber gar nicht erst zugelassen. Mein Anwalt hat daraufhin beim Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe Verfassungsbeschwerde eingelegt. Es kann doch nicht sein, habe ich mir damals gedacht, dass man in Bayern ein Grundrecht einklagen muss.

Erfolg hatten Sie in Karlsruhe jedoch nicht.

Nein, dort hat man die Verfassungsbeschwerde sechseinhalb Jahre nicht bearbeitet - bis ich in Pension gegangen bin. Damit war die Klage hinfällig, weil ja kein Klagegrund mehr gegeben war. Leider.

Wie haben sich zu der Zeit Kollegen und Eltern Ihrer Schüler verhalten?

Im Kollegenkreis hat sich das Klima schon ein wenig verschlechtert, von vielen Eltern habe ich dafür Zuspruch bekommen. "Endlich jemand, der sich gegen diesen Quatsch zur Wehr setzt", hieß es häufig. Das hat mir natürlich ein gutes Gefühl gegeben, weil es gezeigt hat, dass ich nicht allein bin mit meiner Einstellung.

"Sogar der Gemeinderat hat mich öffentlich verurteilt"

Gegen die Kreuze im Klassenzimmer haben Sie schlussendlich trotzdem nichts machen können. In einem anderen religiösen Disput haben Sie sich Jahre zuvor aber gegen die Schule durchgesetzt.

Mitte der Neunzigerjahre habe ich mich geweigert, meine Klasse zum Ende des Schuljahres in den Abschlussgottesdienst zu begleiten. Es kann doch nicht Aufgabe eines bayerischen Beamten sein, in die Kirche zu gehen, habe ich meinem damaligen Schulleiter gesagt. Da er anderer Meinung war, habe ich das Augsburger Verwaltungsgericht um eine Eilentscheidung gebeten und der Richter rief zwei Stunden später zurück und meinte: "Sie brauchen nicht in die Kirche gehen."

Ihre Weigerung dürfte trotzdem nicht ohne Konsequenzen geblieben sein.

Das war tatsächlich ein Riesending damals, sogar der Gemeinderat hat mich öffentlich verurteilt. Schließlich hat die Regierung von Schwaben einen Erlass formuliert, der besagt, dass der Lehrer seine Schüler in so einem Fall bis zur Kirchentür zu begleiten hat. Dort darf er dann warten, bis der Gottesdienst vorbei ist und dann soll er die Schüler wieder zurück zur Schule bringen. Dagegen habe ich erneut geklagt, diesmal auch mit Folgen für mich.

Welche?

Kurze Zeit später wurde ich aus dienstlichen Gründen an eine andere Schule versetzt. Als zwei Jahre später endlich der Prozess hätte stattfinden sollen, hat mir mein neuer Schulleiter plötzlich mitgeteilt, er brauche mich gar nicht mehr als Aufsichtsperson für den Fußweg zur Kirche am Tag des Schlussgottesdienstes. Ich solle stattdessen in der Schule bleiben und auf muslimische Kinder aufpassen. Einen Gerichtsentscheid hat es dann leider keinen mehr gegeben, obwohl ich mir ja genau den gewünscht hätte: Damit kein bayerischer Lehrer in Zukunft mehr dazu verpflichtet werden kann, in die Kirche zu gehen.

Immerhin mussten Sie selbst keine Kirchenbesuche mehr ableisten.

Großen Ärger hat es trotzdem noch einmal gegeben. Ich hatte an meiner letzten Schule eine Abschlussklasse und am Tag des Gottesdienstes habe ich den Schülern gesagt: Wer hingehen will, kann gehen; wer hierbleiben will, darf bleiben, ich zwinge niemanden. Zwei Drittel der Schüler sind mit mir im Klassenzimmer geblieben - wir haben ein Video angesehen, während die anderen im Gottesdienst waren. Anschließend wurde ich bestimmt eine Stunde lang von Kolleginnen niedergemacht: Was mir denn einfiele, den Schulfrieden zu stören!? Sogar die vom Kollegenkreis eingeschaltete Rechtsabteilung der Regierung von Schwaben hat gegen mich umfangreich ermittelt. Die Namen der Denunzianten wurden mir nicht einmal mitgeteilt. Letztendlich wurde das Verfahren aber eingestellt. Das war es mir im Kampf für eine weltanschaulich neutrale Schule wert.

Als quasineutral bezeichnet Ministerpräsident Söder nun auch die Kreuze, die in allen bayerischen Behörden hängen sollen. Das sei nicht religiös zu verstehen, sondern "Symbol der kulturellen Identität christlich-abendländischer Prägung". Was halten Sie davon?

Ich empfinde das als Verletzung des Neutralitätsgebots und denke, dass diese Entscheidung vor dem Bundesverfassungsgericht kaum Bestand haben dürfte. Aber Söder weiß natürlich genau, dass er nur mit solchen Formulierungen das Grundgesetz sozusagen aushebeln kann. Weltanschauliche Betätigung und Beeinflussung durch den Staat ist schließlich verboten. Also spricht er dem Kreuz indirekt die religiöse Bedeutung ab, damit es in allen Ämtern hängen darf. Den Bürgern soll suggeriert werden: Der Freistaat Bayern und die Kirche sind engstens miteinander verbunden. Schließlich ist bald Landtagswahl und die CSU muss eine bestimmte Wählerklientel bedienen.

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