Kontoauszüge als Diplomarbeit:"Wenn ich um fünf Uhr morgens Geld abgehoben habe, dann für Bier"

Kontoauszüge abheften? Oder wegschmeißen? Der Kunststudent Martin Wanka aus Köln fand einen dritten Weg: Er band die Dokumente zu einer 300-seitigen Diplomarbeit. Was das Werk über seinen Beziehungsstatus aussagt - und welcher mütterliche Befehl enthalten ist.

Von Jana Felgenhauer

Kontoauszüge: Die einen werfen sie ungelesen in den Müll, die anderen heften sie über Jahre hinweg akribisch ab. Martin Wanka, Absolvent der "Medialen Künste" an der Kunsthochschule für Medien in Köln, hat noch eine dritte Möglichkeit gefunden: Seine Kontoauszüge aus sieben Jahren Studienzeit hat sich der 31-Jährige als Buch mit rund 300 Seiten binden lassen - und als Abschlussarbeit an der Uni eingereicht.

SZ: Eine Diplomarbeit aus Kontoauszügen - wie hat Ihr Professor auf diese Idee reagiert, Herr Wanka?

Martin Wanka: Da er meine alten Arbeiten kannte, meinte er nur, dass die Idee passt.

Was waren das für Arbeiten?

Ich hatte schon einige Kunstprojekte gemacht, die sich um mich selbst drehten. Einmal habe ich in einem Labor Körperproben eingereicht, also Urin, Haare, Speichel, Stuhl, Blut und Sperma. Nach einem Jahr wurden die Untersuchungen wiederholt. Aus den Daten sind zwei Hefte entstanden: Ich wollte wissen, ob bei mir schon der körperliche Verfall eingesetzt hat, der ja angeblich mit 30 beginnt.

Und?

Ich war kerngesund.

Glückwunsch. Und wie kommt man nun von Urinproben zu Kontoauszügen?

Nach meinem Körper wollte ich meine Finanzen zum Thema machen. Ich fand es spannend zu zeigen, wie ich gelebt habe, wie viel Geld ich im Studium hatte und wofür ich es ausgegeben habe. Dafür habe ich alle Kontoauszüge aus den Jahren 2006 bis 2013 bei meiner Bank angefordert. Das hat mich fast 300 Euro gekostet. Zu einzelnen Abbuchungen habe ich noch Erläuterungen geschrieben.

Für viele Menschen, vor allem Studenten, ist die Lektüre der eigenen Kontoauszüge nicht gerade ein Vergnügen. Wie war das bei Ihnen?

Auch ich hatte als Student eher wenig Geld und musste einen Studienkredit aufnehmen.

Und was erfährt der Leser sonst so?

Zum Beispiel, wann ich eine neue Freundin hatte.

Wie das?

Weil ich da ständig in einem anderen Teil von Köln Geld abgehoben habe. Man sieht auch, wann ich umgezogen bin, welche Jobs ich hatte, oder wann ich feiern war. Wenn ich um fünf Uhr morgens etwas abgehoben habe, dann sicher, weil ich Geld für Bier brauchte.

Hatten Sie mal echte Geldprobleme?

Ja. Auf einem Auszug sieht man, dass mir meine Mutter 30 Euro überwiesen hat, weil mein Dispo überzogen war. In der Betreffzeile stand: "Für Essen und nicht für Zigaretten ausgeben!"

Und wie fand der Professor Ihre Arbeit?

Für den praktischen Teil habe ich eine Eins, insgesamt eine Zwei bekommen.

Student Martin Wanka

Beschäftigt sich bei seiner Kunst gerne mit sich selbst: Martin Wanka.

(Foto: oh)

Martin Wanka, 31, arbeitet jetzt in Teilzeit als Haustechniker bei einer Fernseh-Produktionsfirma und macht nebenbei Kunstprojekte - zum Beispiel eine Tischlampe, deren Leuchtfläche mit echtem Blut gefüllt ist.

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