Klischees in Schulbüchern:Migrant gleich Fremder gleich Problem

Container Gymnasium Garching

Migration erleben Schüler als Normalfall - aber nur im Klassenzimmer, nicht im Schulbuch.

(Foto: Florian Peljak)
  • Das Bild, das Schulbücher von Zuwanderern und ihrer Lebensrealität vermitteln, ist wenig differenziert und oft durch Klischees geprägt. Zu diesem Ergebnis kommt die "Schulbuchstudie Migration und Integration".
  • Migration gilt eher als Problem denn als Normalfall.
  • In den Aufgabenstellungen wird in der Regel nicht berücksichtigt, dass inzwischen jeder dritte Schüler einen Migrationshintergrund hat.

Migration ist in Schulbüchern mit Problemen verknüpft

Das Thema Migration wird in vielen deutschen Schulbüchern nach wie vor mehr als Problem denn als gesellschaftliche Normalität behandelt. Klett, Cornelsen, Westermann und Co. gelinge es nicht immer, die besondere Situation von Zuwanderern ausgewogen darzustellen, besagt die aktuelle Schulbuchstudie "Migration und Integration".

Migration werde in den Büchern häufig "primär als konfliktträchtig und krisenhaft dargestellt", so fasst das Georg-Eckert-Institut für internationale Schulbuchforschung die Erkenntnisse zusammen. Migration und Integration gehörten zwar in den Unterricht deutscher Schulen, doch "Klischees oder gar diskriminierende Darstellungen haben in Schulbüchern nichts zu suchen", sagte die Integrationsbeauftragte der Bundesregierung Aydan Özoguz (SPD) bei der Präsentation.

Die vom Georg-Eckert-Institut für internationale Schulbuchforschung in Zusammenarbeit mit der Universität Hildesheim erstellte Studie analysierte 65 Bücher für die Schulfächer Sozialkunde, Politik, Geschichte und Geografie.

Persönliche Bezüge finden kaum Berücksichtigung

Integration um fast jeden Preis wird laut Studie in Schulbüchern oft als notwendig definiert. Von Zuwanderern werde also zunächst "eine Anpassungsleistung an die deutsche Gesellschaft gefordert". Begriffe wie "Ausländer", "Fremde" oder "Migranten" kämen teilweise synonym im selben Text vor. Auch werden Metaphern wie "Schwemme", "Flut" oder "Strom" im Zusammenhang mit Flüchtlingen weiterhin benutzt. Hier und da habe man in Schulbüchern gar "das sogenannte N-Wort" für farbige Menschen gefunden, sagt die Koordinatorin der Studie, Inga Niehaus - nur in Karikaturen zwar, aber eben doch unreflektiert und nicht hinterfragt.

Die einseitige Darstellung führe im öffentlichen Diskurs zwangsläufig zu kontroversen Positionen. Migranten würden zudem oft als "passiv betroffene" dargestellt, die lediglich auf ihr Schicksal reagierten, erläuterte Niehaus. Persönliche Bezüge von Schülern mit Migrationshintergrund fänden keine ausreichende Berücksichtigung, während Zusammenhänge meist aus dem Blickwinkel der "Dominanzgesellschaft" betrachtet würden. Die Aufforderung, im Unterricht über Stereotype zu sprechen, bewirke deren Reproduktion.

Mehr Autoren mit Migrationshintergrund empfohlen

Die Direktorin des Georg-Eckert-Instituts, Simone Lässig, versteht ihre Studie indes nicht als Schulbuch-Schelte. "Uns ist sehr bewusst, dass das Schreiben, das Konzipieren von Schulbüchern eine sehr schwierige Aufgabe ist." Eine Möglichkeit, dem Bedienen von Klischees entgegenzuwirken, sei beispielsweise, in den Verlagen der Bildungsmedien mehr Autoren mit Migrationshintergrund zu beschäftigen und so "die demographische Realität abzubilden", sagte Niehaus. Zudem sollten die Autoren beim Verfassen der Aufgabenstellungen nicht mehr davon ausgehen, dass sich der Hintergrund der Schüler weitgehend gleiche.

Für Aydan Özoguz hält die breit angelegte Untersuchung denn auch eine durchaus positive Botschaft bereit: "Ein ermutigendes Ergebnis der Studie ist, dass in den Sozialkundebüchern Deutschland explizit als Einwanderungsland (...) beschrieben wird". Auch deswegen hätten die nun herausgefundenen Klischees über Zuwanderer angesichts eines Drittels der Schüler mit Migrationshintergrund hierzulande in Schulbüchern nichts verloren.

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