Kita:"Wir müssen das Vertrauen der Eltern gewinnen"

Kita: Die Politologin Birgit Riedel leitet die Fachgruppe "Bildungsorte und sozialstaatliche Leistungen für Kinder" im Deutschen Jugendinstitut. Sie hat mehrere Untersuchungen zur frühkindlichen Bildung und Kindertages- betreuung durchgeführt.

Die Politologin Birgit Riedel leitet die Fachgruppe "Bildungsorte und sozialstaatliche Leistungen für Kinder" im Deutschen Jugendinstitut. Sie hat mehrere Untersuchungen zur frühkindlichen Bildung und Kindertages- betreuung durchgeführt.

(Foto: OH)

Viele Kindertagesstätten wünschen sich bei der Integration von Flüchtlings- und Zuwandererkindern mehr Unterstützung. Das Deutsche Jugendinstitut hat in einer Umfrage herausgefunden, wo es hakt.

Wie viele Kitas haben Flüchtlingskinder aufgenommen, und wie kommen sie damit klar? Solche Fragen hat das Deutsche Jugendinstitut (DJI) im ersten Quartal 2016 an 3600 Kitas verschickt. Birgit Riedel vom DJI stellt die Resultate vor.

In Deutschland gibt es fast 55 000 Kitas. Hilft uns Ihre Umfrage zu schätzen, wie viele Flüchtlingskinder sie betreuen?

Birgit Riedel: Eine bundesweite Statistik liegt nach wie vor nicht vor, unsere Befragung gibt aber einen Eindruck von der Lage Anfang 2016. Die Hälfte, also 1800 der von uns angeschriebenen Kitas haben geantwortet. 600 von ihnen betreuten Flüchtlingskinder. Das ist jede dritte Kita.

Wie gehen sie damit um?

Sehr unterschiedlich. Kitas in Großstädten sind integrationserprobt. Für die ist es nichts Neues, dass ein Kind nicht Deutsch spricht und kulturell anders geprägt ist. Für Kitas auf dem Land ist es oft eine neue Aufgabe. Die Fachkräfte arbeiten mit großem Engagement und finden oft kreative Lösungen, zum Beispiel, um Eltern einzubinden. Die Mehrheit der Kita-Leitungen fordert aber mehr Unterstützung.

Welche Probleme drängen vor allem?

Jedes Kind, das besondere Anforderungen stellt, ist eine extra Belastung. Um sie zu bewältigen, brauchen die Kitas mehr Personal, aber auch Dolmetscher und Sprachmittler, die den Kontakt zu den Eltern erleichtern. Eltern aus anderen Ländern fällt es oft schwer, unsere Regeln und Routinen zu durchschauen. Wir müssen sie informieren und ihr Vertrauen gewinnen.

Woher kommt Unterstützung?

In erster Linie von den Trägern, die Fortbildungen anbieten und Informationsmaterial. Dann von den Kommunen. Was aber auffällt, ist, dass sich auch viele Menschen ehrenamtlich engagieren. Kitas haben normalerweise nicht so viel mit Ehrenamtlichen zu tun. Bei den Flüchtlingen ist das anders. Da helfen Ehrenamtliche den Eltern, die oft gar nicht wissen, dass ihr Kind Anspruch auf einen Kita-Platz hat, schon bei der Anmeldung.

Sind traumatisierte Kinder eine spezielle Herausforderung für die Erzieher und Erzieherinnen?

Das können wir nur schwer einschätzen. Wir haben gefragt, ob Bedarf an psychologischer Unterstützung besteht. Etwa die Hälfte sieht großen Bedarf, die andere Hälfte gar keinen. Es gibt aber viel Verunsicherung durch Berichte von Kindern, die sich unter dem Tisch verstecken, wenn draußen ein Hubschrauber vorbeifliegt. Deshalb wäre es für die Fachkräfte wichtig zu wissen, dass die Kitas im Notfall Hilfe hätten. Das ist aber längst nicht überall gewährleistet.

Wie viele Kinder von Flüchtlingen wurden in den 600 Kitas betreut?

Etwa 2000. Wir gehen aber davon aus, dass die Zahlen inzwischen gestiegen sind. Fast zwei Drittel dieser Kitas betreuten ein bis zwei Kinder, 27 Prozent vier oder mehr, die übrigen drei. In der Regel waren die Kinder zwischen drei und sechs Jahre alt.

Viele Kitas haben überhaupt keine Flüchtlingskinder aufgenommen. Warum?

Entweder gab es keine Plätze, und bei Platznot haben Flüchtlingskinder immer die schlechtesten Aussichten. Oder es gab keine Flüchtlinge in der Nähe. Oft ist einfach auch kein Bedarf angemeldet worden. Ob das an der fehlenden Kenntnis über das Angebot liegt, oder ob Flüchtlingsfamilien zögern, ihr Kind einer fremden Einrichtung anzuvertrauen, das wissen wir nicht.

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