Islamischer Religionsunterricht:"Seehofer möchte die Realität nicht wahrnehmen"

Islamischer Religionsunterricht: Dr. Abdel-Hakim Ourghi (Archivbild)

Dr. Abdel-Hakim Ourghi (Archivbild)

(Foto: privat)

Abdel-Hakim Ourghi bildet in Freiburg islamische Religionslehrer aus. Seehofers Aussage, der Islam gehöre nicht zu Deutschland, hält er für Unsinn. Stattdessen gehe es um die Frage, welcher Islam zu Deutschland gehört.

Interview von Matthias Kohlmaier

Auch wenn Horst Seehofer das anders sieht: An den Schulen gehört der Islam längst zu Deutschland. Wie in den anderen Konfessionen auch, wird vielerorts ein islamischer Religionsunterricht angeboten, geleitet von Lehrkräften, die das Fach an deutschen Hochschulen studiert haben. Abdel-Hakim Ourghi leitet an der Pädagogischen Hochschule Freiburg das Institut der Theologien.

SZ: Herr Ourghi, laut Innenminister Horst Seehofer gehört der Islam nicht zu Deutschland. Was halten Sie von der Aussage?

Abdel-Hakim Ourghi: Ich halte das für Unsinn. Herr Seehofer möchte die Realität nicht wahrnehmen.

Etwas eingeschränkt hat Seehofer seine Aussage ja noch. Die hier lebenden Muslime gehören demnach "selbstverständlich zu Deutschland".

Ich habe keine Ahnung, wie er die Muslime als Menschen von ihrem Glauben trennen möchte. Ich halte den Islam sogar für einen integralen Teil Deutschlands, besonders wenn man an die hier geborenen und sozialisierten Kinder von einst zugewanderten Menschen denkt. Für mich stellt sich also die Frage nicht, ob der Islam zu Deutschland gehört. Viel wichtiger finde ich die Frage: Welchen Islam wollen wir in Deutschland?

Für deren Beantwortung spielt der islamische Religionsunterricht an den Schulen eine wichtige Rolle.

Absolut. Der islamische Religionsunterricht hat sich über die vergangenen Jahre an deutschen Schulen etabliert und leistet aus meiner Sicht einen sehr wichtigen Beitrag zur Integration. Gerade wenn man bedenkt, dass sich hierzulande mittlerweile ein eher konservativer Islam etabliert hat. Ich denke, dass nur ein Islam zu Deutschland gehören kann, der konform mit unseren westlichen Werten und dem Grundgesetz ist.

Wie kann dieser Islam an Schulen vermittelt werden?

In den Moscheen wird den Kindern kaum beigebracht, über ihre Religion nachzudenken, ihren Glauben auch kritisch zu hinterfragen. Das ist aber sehr wichtig, um nicht eine Generation von Nachahmern zu produzieren. Der Religionsunterricht kann hier helfen und den Schülern zeigen, dass sie als Menschen nicht in erster Linie durch ihre Religion definiert werden, sondern dass sie ein Bestandteil dieser Gesellschaft sind, dass sie Deutsche sind.

Wäre es dann nicht sinnvoll, konfessionellen Religionsunterricht abzuschaffen und alle Kinder gemeinsam in einem Fach "Religionswissenschaften" zu unterrichten?

Ich halte es für wichtig, dass es für Angehörige aller Glaubensrichtungen die Möglichkeit gibt, ihre Kinder in der Schule in die eigene Religion einführen zu lassen. Aber natürlich muss es auch Teil dieses konfessionellen Religionsunterrichts sein, über andere Religionen zu sprechen und deren Daseinsberechtigung anzuerkennen. Dabei sollten im Unterricht nicht nur Unterschiede und Gemeinsamkeiten thematisiert werden, sondern auch Konflikte zwischen den Religionen, warum es diese gibt und wie sie sich vielleicht lösen ließen.

Ob das klappt, hängt hauptsächlich von den Lehrkräften ab. Was wünschen Sie sich von ihnen?

Zusammenarbeit, über die Konfessionen hinweg. Katholische, evangelische, jüdische und muslimische Religionslehrer sollten sich über Unterrichtsinhalte austauschen. Sie sollten den Schülern die Möglichkeit zum Dialog geben. Ich finde auch gemeinsame Ausflüge sehr lehrreich, etwa den Besuch einer Synagoge oder Kirche. Jugendliche, egal welchen Glaubens, sollten ihre Religion nicht über die Sicherung von Traditionen entdecken, sondern einen eigenen, neuen Zugang dazu finden. Dabei können die Lehrkräfte sie unterstützen.

Welchen Beitrag können die Universitäten zur gelingenden Integration der Muslime und des Islams leisten?

Es wird viel gesprochen über die Macht der Moscheen und Imame; darüber, dass sie ein Hindernis bei der Integration darstellen. Ich sage: Um die Import-Imame aus der Türkei oder arabischen Ländern zu stoppen, müssen wir eigene Leute ausbilden. Menschen, die hier sozialisiert und vertraut mit unserem Grundgesetz sind. Sie zu Imamen auszubilden, ist eine wichtige Aufgabe, die die Universitäten übernehmen können und müssen. Es geht darum, Lösungen für Integrationsprobleme zu finden, statt weiter auszugrenzen. Das würde ich mir auch von der Politik und vom neuen Innenminister wünschen.

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