Prüfungsangst:"Nicht einfach loslegen und so viel wie möglich ins Hirn pressen"

Bibliothek der HU in Berlin

Studenten sitzen an Arbeitsplätzen im Jacob-und-Wilhelm-Grimm-Zentrum, der Universitätsbibliothek der Humboldt-Universität zu Berlin.

(Foto: dpa; Bearbeitung SZ)

Marion Klimmer coacht Studierende mit Prüfungsangst. Sie erklärt, wie Lernen effizient funktioniert und welche einfachen Methoden beim Blackout in der Prüfung helfen.

Interview von Matthias Kohlmaier

Studierende fühlen sich zunehmend gestresst und überfordert, haben in der jüngeren Vergangenheit mehrere Studien nachgewiesen. Betroffenen hilft Marion Klimmer. Sie ist Mental-Coach und Spezialistin für das Thema Prüfungsangst - und hat für die kommende Klausurphase ein paar Tipps parat.

SZ: Mit welchen Sorgen kommen Studierende zu Ihnen?

Marion Klimmer: Prüfungsängste sind für viele ein großes Thema. Das geht damit los, dass viele sich schon in der Vorbereitung auf eine Klausur sehr angespannt fühlen. Ich betreue aber auch Studierende, die Probleme damit haben, sich zum Lernen zu motivieren oder im Studium über einen längeren Zeitraum am Ball zu bleiben.

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Brauchen Betroffene eine langfristige Betreuung oder können Sie speziell beim Thema Prüfungsangst auch kurzfristig helfen?

Das hängt sehr vom individuellen Fall ab. Meistens kommen die Studierenden erst auf den letzten Drücker zu mir. Die haben es dann schon eine Weile schleifen lassen und bekommen immer mehr Panik, je näher die große Prüfung rückt - insbesondere, wenn sie diese Klausur im ersten Versuch schon nicht bestanden haben. Trotzdem ist dann noch einiges zu retten.

Welche Rolle spielt das Thema "Lernen" in Ihren Coachings?

Eine große, weil dabei viele Studierende eine Menge Zeit und Ressourcen verschwenden. Bei denen geht Quantität vor Qualität. Erfolgreiches Lernen hat viel mehr Facetten, als sich nur den Stoff reinzuknüppeln. Da ist man schnell wieder beim Thema Motivation.

Wie meinen Sie das?

Warum studiere ich überhaupt das Fach, das ich studiere? Was will ich damit anfangen und wohin soll es mich bringen? Alles Fragen, über die sich zu wenige Studierende Gedanken machen. Dabei helfen Antworten darauf in den meisten Fällen weiter, wenn das Lernen mal schwerer fällt.

Wie lernt man denn richtig?

Vernünftige Lernpläne sind das A und O. Nicht einfach loslegen und so viel wie möglich ins Hirn pressen. Gerade vor Klausurphasen mit Prüfungen in mehreren Fächern sollten Studierende ihre Tage vorab klar strukturieren. Mit einem realistischen Plan hat man von Beginn an den Überblick, womit man wann fertig sein möchte, wann welches Fach dran ist und welche zentralen Inhalte man beherrschen sollte, bevor man ans Feintuning geht. Planung nimmt einer Lern- und anschließenden Prüfungsphase eine Menge potenziellen Stress.

Sollten in Lernplänen auch Ruhephasen explizit eingetragen werden?

Natürlich. Aus meiner Sicht gibt es drei Dinge, die einen Tag gelingen lassen: Ich möchte eine Sache tun, die mich meinem Ziel näher bringt; eine Sache, die mich maximal entspannt; und eine dritte Sache, die mir maximal viel Freude bereitet. Das klingt profan, aber es hilft, sich diese Dinge bewusst zu machen. Wer sich die Zeit dafür nimmt, wird nicht nur effizienter lernen können - er oder sie kann dann auch die Joggingrunde während einer Lernpause deutlich mehr genießen.

Wie macht man sich trotz gefühlt tausend Aufgaben klar, dass erfolgreiches Studieren ohne Erholung nicht klappen kann?

Sich ein grundsätzliches Wissen darüber anzueignen, wie Lernen überhaupt funktioniert, würde helfen. Etwa dass neu erworbenes Wissen hauptsächlich während der REM-Schlafphasen im Gehirn ordentlich und dauerhaft abgelegt werden kann. Wer weiterhin denkt, von morgens bis abends und zur totalen Erschöpfung pauken zu müssen, kommt zwar eventuell durchs Studium. Von den Lerninhalten wird aber nicht viel hängen bleiben.

Mal angenommen, die Lernphase hat stressfrei geklappt und man ist für die Klausur gut vorbereitet: Wie bekämpft man den Blackout während der Prüfung, vor dem viele Studierende Angst haben?

Ganz simpel: Man atmet ein paarmal so tief wie möglich ein und wieder aus. Dieser Vorgang beeinflusst unmittelbar die Herzfrequenz und entspannt. Das lässt sich sogar über Blutproben nachweisen, in denen der Spiegel des Stresshormons Cortisol nach dieser einfachen Atemübung sinkt. Im Idealfall hat man das Ein- und Ausatmen vor der Klausur auch schon einmal geübt, damit der Körper darauf eingestellt ist und entsprechend reagiert. Wem das nicht hilft, dem empfehle ich die sogenannte Wingwave-Methode.

Klingt komplizierter als die Atemübung?

Nicht unbedingt, es ist nur etwas auffälliger. Bewegen Sie die Augen ganz schnell von rechts nach links, als würden Sie dem Ball während eines Tennismatches folgen, ohne den Kopf dabei zu bewegen. Das simuliert die Bewegung der Augen während der REM-Phasen im Schlaf. Mit dieser Übung lässt sich auch im wachen Zustand Stress sehr schnell und effizient abbauen.

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