Hochschulfinanzierung:Wissenschaftler im Wettbewerb

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Regierungsexperten empfehlen einen milliardenschweren Zukunftspakt für Forschung und Lehre. Doch Geld soll es künftig nicht ohne Gegenleistung geben. Die Unis sind dazu aufgerufen, sich stärker zu profilieren.

Von Johann Osel

An dem Wort "Herausforderung" haben die Experten Gefallen gefunden: 16 Mal taucht es im Gutachten auf, das der Wissenschaftsrat am Montag vorgestellt hat. Das wissenschaftspolitische Beratergremium, das der Politik traditionell als Impulsgeber dient, hat ein Szenario erstellt: Wie sieht die Landschaft der Hochschulen und Forschungsakteure in zehn bis fünfzehn Jahren aus?

Bund und Länder sollen bereits im kommenden Jahr einen "Zukunftspakt 2025" schließen. Zahlen werden nicht genannt, der Pakt kostet nach inoffizieller Schätzung bis 2025 einige Milliarden Euro mehr, als derzeit für Hochschulen und Forschung ausgegeben wird. Der Chef des Rates, der Ingenieurwissenschaftler Wolfgang Marquardt, sagte: "Eines muss klar sein: Wir können nicht immer mehr von der Wissenschaft erwarten, ohne entsprechend zu investieren."

Das neue Mammut-Paket soll die bestehenden Projekte von Bund und Ländern ablösen, etwa den Hochschulpakt für neue Studienplätze oder die Exzellenzinitiative. Der Hochschulpakt, mit dem Erstsemesterzahlen von jährlich gut einer halben Million Rechnung getragen wird, ist bis 2020 angesetzt; die Exzellenzinitiative, durch die etwa sogenannte Elite-Unis und Doktorandenschulen entstanden sind, läuft 2017 aus. Die Grundfinanzierung der Hochschulen, die ausschließlich von den Ländern getragen wird, müsse zudem jährlich um einen Prozentpunkt steigen, fordert der Rat.

Geplante Passagen wurden entschärft

Als Gegenleistung stellt das Gremium Aufgaben an die Hochschulen: Sie müssten sich stärker profilieren und "wettbewerblich orientieren". Das ist schwammiger formuliert, als es die Experten vor den jüngsten Beratungen in einem Entwurf angedacht hatten. Geplante Passagen wurden entschärft.

Der Entwurf, über den die Süddeutsche Zeitung Ende April berichtete, hatte eine Art Hierarchie in der Hochschulwelt angeregt. Wenige Unis könnten den "Anschluss an die Riege internationaler Spitzenuniversitäten" finden, weitere zwei Dutzend seien als forschungsstark anzusehen, der große Rest solle "Profilierungsmöglichkeiten" ohne Forschung nutzen. "Die Mehrzahl der Hochschulen wird sich anders definieren müssen", hieß es.

Gemeint war damit, dass sich vor allem kleinere und mittlere Unis eher auf die Lehre konzentrieren und vom Gedanken erstklassiger Forschung Abschied nehmen.

Zwar gibt es eklatante Unterschiede zwischen Hochschulen bereits jetzt, sie werden jedoch selten so klar benannt, erst recht nicht von Regierungsexperten - fast jeder Professor sieht sich als Forschender und Lehrender. Der Entwurf hatte Unruhe ausgelöst, bei Rektoren ging die Furcht um, dass man durch das Etikett "forschungsschwach" an Renommee verliert.

Beim Wissenschaftsrat erklärt man die Änderungen des Entwurfs mit Abstimmungsprozessen und "intensiven Beratungen". In der Vollversammlung sitzen gut 50 Professoren, Länderminister, Bundesvertreter und Personen des öffentlichen Lebens.

Ausdifferenzierung der Hochschulszene als Leitgedanke

Die Ausdifferenzierung der Hochschulszene ist aber Leitgedanke des Gutachtens geblieben. Die Rede ist von der "Öffnung für vielfältige Profile", so seien der Unterricht von Studenten oder der Dialog mit Wirtschaft und Kultur ebenso als "Leistungsdimension" geeignet wie Forschung: "Nicht jede Hochschule muss allen Anforderungen gleichermaßen gerecht werden." Mit "passgenauen Anreizsystemen" könnten die Hochschulen ihre Rolle finden.

So sollen etwa neue Arten von Professuren entstehen, gemeinsam finanziert von Bund und Ländern. Die Hochschulen müssen darum in Wettbewerben ringen. Hier sollen auch Leistungen in der Lehre gewürdigt werden. Man wolle "Dynamik im System - ohne die Akteure in das Korsett eines Dauerwettbewerbs zu zwängen".

Die Empfehlungen des Rates haben Gewicht. Frühere Gutachten, etwa zur Schaffung von Lehrstühlen für Islamische Theologie, wurden schnell umgesetzt. Horst Hippler, Chef der Hochschulrektorenkonferenz, sprach von einem "gelungenen Ensemble gut abgestimmter Maßnahmen", mahnte aber: "Nach der Bundestagswahl kommt es zum Schwur: Bund und Länder müssen mit Priorität den vorgeschlagenen Zukunftspakt schließen, wenn sie ihr Bekenntnis zur Wettbewerbsfähigkeit des Standorts ernst nehmen."

© SZ vom 16.07.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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