Hochschulen:Kein Geld mehr für den Doktor

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Mit der Exzellenziniative läuft 2019 auch die Graduiertenförderung aus. Die Finanzierungs­lücke ist riesig.

Von Christine Prussky

Wenn Viktor Ullmann sich morgens um neun an seine Doktorarbeit setzt, dann tut er das in einer ziemlich privilegierten Situation. Die "Berlin Graduate School Muslim Cultures and Societies" im grünen Dahlem bietet dem 29-Jährigen ein eigenes Büro, ein Sekretariat und die Möglichkeit zum Austausch mit jungen Wissenschaftlern aus aller Welt. Vor allem aber bietet die Graduiertenschule der Freien Universität dem Vater zweier kleiner Mädchen finanzielle Sicherheit. Sie zahlt Ullmann ein monatliches Stipendium von 1500 Euro, dazu kommen 500 Euro Kinderzuschläge. Auch die Kosten einer vierwöchigen Forschungsreise in den Iran hat die Schule übernommen. Nach viereinhalb Jahren ist Schluss damit, dann muss seine Arbeit über "Iranische Filme auf der Berlinale" fertig sein.

Einen Aufschrei gab es bislang nicht. Die Unis sind Sorgen um ihre Finanzen gewöhnt

"Ohne das Stipendium könnte ich nicht promovieren", bekennt Ullmann. Die luxuriöse Förderung, von der die meisten Doktoranden nur träumen können, verdankt Ullmann der Exzellenzinitiative von Bund und Ländern. Seine Schule, die jährlich bis zu zehn solcher Stipendien vergibt, ist eine der 45 Einrichtungen, die mit je 1,2 Millionen Euro im Jahr aktuell noch gefördert werden. Vor ihnen haben bereits 39 andere Graduiertenschulen Geld erhalten. Sie alle sollten national die Standards für Promovierende verbessern und international signalisieren: Deutschland ist nicht nur quantitativ Europas führende Doktorfabrik, sondern auch qualitativ. Allerdings betrachten Bund und Länder ihre Mission nun als erfüllt - im Oktober 2019 endet der Geldsegen. Eine halbe Milliarde Euro werden dann in die Graduiertenschulen geflossen sein.

Schlechte Betreuung, prekäre Beschäftigungsverhältnisse, wenig Nachhaltigkeit: Gegen dieses miese Image der deutschen Nachwuchsförderung sollten die Graduiertenschulen ein positives Markenzeichen setzen. Ist das nun obsolet? Oder springen andere Finanziers in die Bresche?

Auch ohne Extrageld vom Staat seien sehr gute Angebote für den Nachwuchs an den Hochschulen "inzwischen Standard", versucht Ulrike Eickhoff zu beruhigen. Sie ist die zuständige Abteilungsleiterin bei der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG), die die Graduiertenförderung der Exzellenzinitiative verwaltet. Zwar hat die DFG auch eigene Nachwuchsprogramme, immer wieder richtet sie für viele Millionen Euro neue, auf viereinhalb Jahre befristete Graduiertenkollegs ein, so auch im kommenden Oktober. Über den Finanzierungsstopp der Exzellenzinitiative hilft das den Universitäten jedoch nicht hinweg. Zusätzliche neue Formate in der Doktorandenförderung entwickle die DFG nicht, wenigstens nicht "zur Zeit", so Eickhoff.

Die Universitäten sind auf sich gestellt. Das ist nichts Neues, seit Jahren müssen sie immer mehr Drittmittel einwerben, werden immer abhängiger von befristeten Programmen. Die meisten Wissenschaftler haben sich daran gewöhnt. "Das ist bestimmt auch dafür verantwortlich, dass es keinen Aufschrei gab", sagt Erika Kothe. Die Direktorin der Graduiertenschule an der Universität Jena engagiert sich bundesweit für Nachwuchsförderung.

Viktor Ullmann hat Glück gehabt. Seine Promotion ist noch gesichert

Aber diesmal ist die Finanzierungslücke riesig, fast unmöglich, sie komplett zu schließen. "Es wird herbe Einschnitte geben", prognostiziert Kothe und meint damit nicht nur ihre Uni in Jena. Auch die Freie Universität Berlin, die sich zur Elite der deutschen Hochschulen zählt, scheint für das Geld aus der Exzellenzinitiative nicht einstehen zu wollen oder zu können. "Nachhaltigkeit ist entgegen aller Zusagen nicht geschaffen worden", sagt Gudrun Krämer, Direktorin der Graduiertenschule für muslimische Kulturen und Gesellschaften. Die Universität sei nicht bereit gewesen, "uns über die Grundfinanzierung der Geschäftsstellen unserer Graduate Schools hinaus Garantien zu geben."

Die Gelder für Stipendien, Kurse und Feldforschung, für Reisen, Bücherzuschüsse und wissenschaftliche Veranstaltungen müssen extern beschafft werden. Zum Teil ist das der Graduiertenschule in Dahlem auch gelungen. Die Berliner Einstein-Stiftung und voraussichtlich zwei weitere Geldgeber wollen die Schule finanzieren. Allerdings nur drei Jahre lang, und statt der bisherigen zehn Stipendien pro Jahr wird es insgesamt maximal elf geben. Ein Rückgang um rund zwei Drittel. Die "international konkurrenzfähige, strukturierte Doktorandenausbildung, die wir in der Exzellenzinitiative aufgebaut haben, ist auf diesem Niveau nicht zu halten", sagt Gudrun Krämer. Sie selbst ist ebenfalls betroffen. Um ihre Aufgaben als Direktorin wahrnehmen zu können, hat Krämer an der Fakultät eine halbe Vertretungsprofessur zugeteilt bekommen. Auch damit wird im Oktober 2019 Schluss sein.

Viktor Ullmann und seine Kollegen an den anderen Graduiertenschulen haben hingegen Glück. Ihre Promotion ist noch gesichert. Sie müssen nur rechtzeitig damit fertig werden.

© SZ vom 14.05.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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