Hochschulen in Vietnam:Forschung und Lehre nach deutschem Vorbild

Die Wirtschaft in Vietnam wächst rasant, doch die gut ausgebildeten Fachkräfte fehlen. Darum reformiert das Land in Südostasien sein Bildungswesen - und hat sich einen deutschen Professor für sein Prestige-Projekt geholt.

Ralf Steinbacher

In Vietnam wächst die Wirtschaft schneller als in den meisten anderen Ländern, gut ausgebildete Fachkräfte fehlen. Nun reformiert das südostasiatische Land sein Bildungswesen - und orientiert sich dabei an Deutschland. Im Zentrum einer Kooperation steht die 2008 gegründete Vietnamesisch-Deutsche Universität (VGU) nahe Ho-Chi-Minh-Stadt. Sie wird federführend von Hessen unterstützt - in Zusammenarbeit mit dem Bundesbildungsministerium, dem Land Baden-Württemberg und einigen deutschen Hochschulen. Die VGU soll zur führenden Forschungshochschule Vietnams werden. Geleitet von dem deutschen Professor Jürgen Mallon.

SZ: Herr Mallon, Sie haben bereits viel Asien-Erfahrung. Konnte Sie Vietnam da überhaupt noch überraschen?

Jürgen Mallon: Ja, denn einiges läuft viel besser als erwartet. Die Zusammenarbeit mit Behörden etwa.

Behörden? Als Modelluniversität, so hieß es, sollten Sie doch mehr Autonomie haben?

Gelegentlich braucht man dennoch eine Genehmigung, aber mir als Präsident wurde tatsächlich eine große Gestaltungsvollmacht zugewiesen. Wir haben zum Beispiel als einzige staatliche Universität ein Hochschulzulassungsverfahren.

Ist es schwierig, gute Studenten zu finden?

Ja. Wir sind noch eine sehr junge Universität, da muss man viel Aufwand betreiben, viel Werbung machen und Studenten auch direkt ansprechen.

Wie sieht der Zeitplan für den Aufbau der Universität aus?

Vietnam will mit 180 Millionen Dollar Kredit von der Weltbank und 20 Millionen Dollar aus der Staatskasse bis 2017 einen Campus in der Binh-Duong-Provinz errichten. Wir werden einzelne Gebäude aber schon beziehen, sobald sie fertig sind; denn wenn man hier eine Klimaanlage ein Jahr nicht laufen lässt, verschimmelt alles. Wir haben derzeit etwa 400 Studenten, 5000 sollen es 2020 sein, 12.000 im Jahr 2030.

Wo sollen die Dozenten herkommen?

Derzeit arbeiten wir fast ausschließlich mit deutschen Professoren, die Blockunterricht geben. Künftig brauchen wir auch vietnamesische Dozenten. Dieser Übergang wird sehr spannend, denn die ersten vietnamesischen Professoren müssen hervorragend sein - damit wir uns einen exzellenten Ruf erarbeiten können.

Vietnamesische Professoren verdienen nur gut 300 Dollar im Monat. Wer sein Gehalt aufbessern will, muss anderweitig arbeiten, Unternehmen beraten.

Wir dürfen mehr zahlen als üblich und bieten Forschungsmöglichkeiten mit internationalen Partnern.

Spannendes Leben in Vietnam

Abgesehen vom Geld, was ist der bedeutendste Unterschied zwischen dem deutschen und dem vietnamesischen System?

Das deutsche sieht eine enge Verknüpfung von Forschung und Lehre vor, sodass die neuesten Erkenntnisse der Forschung gleich wieder in die Lehre einfließen. Dies wird auch bei uns so sein.

Welches Interesse hat eigentlich Deutschland an dem Projekt?

Das Land Hessen und Bundeskanzlerin Angela Merkel sehen in Vietnam einen strategischen Partner. Außerdem gibt es deutsche Unternehmen in Vietnam, die ein Interesse an gut ausgebildeten Mitarbeitern haben. Ebenso sind Fachkräfte in Deutschland gesucht.

Vietnam wird die Leute aber lieber für die eigene Wirtschaft haben wollen.

Das stimmt. Zusätzlich will das Land bis 2020 eine ungeheure Zahl an Doktoranden ausbilden, 10.000 von ihnen im Inland, 10.000 im Ausland.

Wird das Profil der Universität mit der Expansion erweitert?

Wir sind technisch-naturwissenschaftlich ausgerichtet, wollen uns auch sehr stark am Markt- und Forschungsbedarf in Vietnam orientieren. Zum Beispiel gibt es eine große Bank, die sucht gute Manager. Wir haben ein großes Interesse an einer Kooperation mit dieser Bank, die bereit wäre, einen Studiengang Banking and Finance mitzufinanzieren. Auch Produktionstechnik will ich mit reinnehmen, Vietnam will ja bis 2020 Industrienation werden. Aus meiner Zeit in China weiß ich, wie schwierig es ist, in dem Bereich gute Leute zu finden. Da musste ich manchmal 100 Interviews führen, bis ich eine Stelle besetzen konnte.

Lässt es sich gut leben in Vietnam?

Also 2000 in Shanghai war es schwieriger. Da ging manchmal der ganze Samstag drauf, weil ich gute Wurst nur in einem Hotel kaufen konnte, Käse in einem anderen und Wein in einem dritten. Hier und heute ist es besser. Es ist auch hilfreich, wenn man selbst kocht, und ich koche sehr gern.

Vermissen Sie denn gar nichts?

Doch, schon. Nordseekrabben und Grünkohl.

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