Hessen:Hessischer Schulleiter will Landesregierung verklagen

Hessen: Der kommissarische Leiter einer Schule in Bad Orb im hessischen Main-Kinzig-Kreis machte die Übergriffe eines Kollegen öffentlich.

Der kommissarische Leiter einer Schule in Bad Orb im hessischen Main-Kinzig-Kreis machte die Übergriffe eines Kollegen öffentlich.

(Foto: imago)
  • Ein Schulleiter in Hessen hatte 2001 einen übergriffigen Lehrer beim Schulamt gemeldet.
  • Eltern beschwerten sich über den Rektor; er hätte den Fall diskret behandeln sollen. Vom zuständigen Ministerium fühlt sich der Mann seitdem alleingelassen.

Von Susanne Höll, Wiesbaden

Die zurückliegenden 16 Jahre sind nicht spurlos an Ulrich Vormwald vorbeigegangen. Der ehemalige Rektor einer hessischen Realschule ist seit Dezember krankgeschrieben. Der 58-Jährige sagt: "Diese Jahre waren nicht angenehm." Der Pädagoge kämpft seit Langem mit dem hessischen Kultusministerium um seine berufliche Rehabilitierung, in einem aus heutiger Sicht bizarr anmutenden Umgang in einem Fall von sexueller Belästigung an Schulen.

Im Jahr 2001 war Vormwald kommissarischer Leiter einer Realschule im südhessischen Bad Orb. Dort kamen ihm Klagen von Eltern zu Ohren, wonach ein Lehrer insbesondere Schülerinnen immer wieder mit sexistischen Bemerkungen traktierte. Vormwald informierte, wie es seine Pflicht war, umgehend das Schulamt. Der Lehrer soll suspendiert und versetzt worden sein.

So weit, so gut? Keineswegs. Etliche Eltern in Bad Orb unterstützen den Rektor. Andere wiederum empörten sich, nicht über den sexistischen Lehrer, sondern über den Schulleiter - und verlangten von der Landesregierung in Wiesbaden dessen Abberufung, weil er die Anzüglichkeiten des Lehrers offenbart und nicht diskret behandelt hatte. Diese eigentümliche Reaktion kann man sich nur mit der Tatsache erklären, dass das Thema sexistische Bemerkungen und Übergriffe sowie Missbrauch noch als Tabu galten, über die nicht gesprochen wurde. Die großen Missbrauchsskandale an christlichen und weltlichen Schulen wurden erst später bekannt.

Die protestierenden Eltern hatten - heute nahezu unvorstellbar - Erfolg. 2002 wurde Vormwalds Berufungsverfahren zum Rektor gestoppt, nach Darstellung der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) vom damaligen Staatssekretär im Wiesbadener Kultusministerium. Der Pädagoge klagte dagegen, mit Erfolg: Er kehrte nach Bad Orb zurück, dort entzündeten sich aber neue Konflikte um seine Person. Er wechselte auf eine andere Stelle und fühlt sich seither ungerecht behandelt.

Vormwald und die GEW beklagen, dass das Ministerium vor 16 Jahren in der Affäre schwere Fehler begangen hat und bis heute nicht bereit ist, diese Versäumnisse wiedergutzumachen. GEW-Landeschef Jochen Nagel sagt, der Lehrer sei damals als Überbringer schlechter Botschaften bestraft worden. Das sei ein fatales Zeichen für den Kampf gegen sexuellen Missbrauch von Kindern und Jugendlichen an Schulen und anderen Bildungseinrichtungen. Auch habe es nie eine Entschuldigung des Ministeriums gegeben. Vormwalds Karriere habe gelitten, bis heute habe er keinen seinen Fähigkeiten angemessenen Posten. "Er wird gemobbt", sagt Nagel.

Das Ministerium weist die Vorwürfe zurück

Vor Jahresfrist, als die Süddeutsche Zeitung diesen Fall publik gemacht hatte, hegten der Lehrer und die Gewerkschaft noch Hoffnung, den Konflikt mit dem Ministerium gütlich beizulegen. Es gab damals, wie es hieß, positive Zeichen und Gespräche über eine neue dienstliche Verwendung. Daraus aber wurde nichts, wie Nagel am Mittwoch in Wiesbaden mitteilte. Deshalb will Vormwald, unterstützt von der Gewerkschaft, nun Klage gegen das Ministerium erheben, wegen Untätigkeit bei einem Antrag auf angemessene Beschäftigung. Man klage nicht gern, auch weil ein Verwaltungsgerichtsverfahren womöglich zwei Jahre dauere, sagt Anwalt Jens Kolter.

Das Kultusministerium weist den Vorwurf, es schikaniere einen Beamten, entschieden zurück. Schließlich sei er zwischenzeitlich befördert worden. Man attestiert Vormwald, bei der Anrufung des Schulamts im Jahr 2001 korrekt gehandelt zu haben. Versprechen will das Ministerium aber nicht abgeben. Man werde sich die Sache abermals anschauen und bewerten, sagt ein Sprecher. Die Zeit drängt. Wenn der Beamte noch länger krank ist, könnte sich die Frage stellen, ob er überhaupt noch im Dienst eingesetzt werden kann. Vormwald ist zuversichtlich, dass er bald wieder fit ist. Es gehe ihm besser. Wenn alles gut gehe, sei er in ein paar Wochen wieder arbeitsfähig.

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