Gymnasialreform:Niedersachsen kehrt als erstes Bundesland zu G9 zurück

Schülerdemo gegen G8 in München, 2010

Auch in Bayern ist das G 8 umstritten - ein Volksbegehren wirbt für die Rückkehr zum neunjährigen Gymnasium. (Im Bild: G 8-Proteste in München)

(Foto: Robert Haas)

Überforderte Schüler, besorgte Eltern, gestresste Lehrer: Das achtjährige Gymnasium ist seit der Einführung umstritten. Niedersachsen reagiert nun auf die anhaltende Kritik - schon nach den Sommerferien 2015 sollen Gymnasiasten wieder länger Zeit haben fürs Abitur.

Mancher bayerische Schüler dürfte neidisch nach Niedersachsen gucken. Denn dort wurde jetzt verkündet, worüber in Bayern noch gestritten wird: die Abkehr vom vielerorts verhassten achtjährigen Gymnasium, kurz G8. Bereits nach den Sommerferien 2015 kehrt Niedersachsen als erstes Bundesland zum neunjährigen Gymnasium zurück. "Ich werde in Niedersachsen ein modernes Abitur nach 13 Jahren einführen", erklärte Kultusministerin Frauke Heiligenstadt (SPD) zum Abschluss des Dialogforums "Gymnasien gemeinsam stärken" in Hannover.

Lehrer sollten entlastet werden und mehr Raum für die Förderung von Schülern bekommen, indem die Kernlehrpläne trotz des zusätzlichen Schuljahres nicht ausgeweitet würden. "Wir wollen nicht zurück zu den alten Lehrplänen, die vor zehn Jahren gegolten haben", betonte Heiligenstadt. Außerdem werde es im Gymnasium künftig mehr Möglichkeiten für die Berufs- und Studienorientierung geben.

Die Umstellung auf G9 beginnt demnach mit dem Schuljahr 2015/2016, einbezogen werden sollen die Jahrgänge fünf, sechs, sieben und acht. Leistungsstärkere Schüler hätten aber auch weiterhin die Möglichkeit, abweichend von der neuen gymnasialen Regelzeit bereits nach zwölf Jahren das Abitur zu machen, so die Ministerin. Konkrete Details zu ihrer Gymnasialreform will sie am Donnerstag in Hannover bekanntgeben.

"Ein großer Erfolg"

Beifall für ihren Entschluss kam von Parteien und Gewerkschaften. "Für die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft Niedersachsen ist es ein großer Erfolg, dass die rot-grüne Koalition das Turbo-Gymnasium und Deformationen der reformierten Oberstufe beseitigt, die die schwarz-gelbe Regierung eingeführt hatte", sagte der Landesvorsitzende Eberhard Brandt.

Die Verkürzung der gymnasialen Schulzeit auf acht Jahre war nach dem "Pisa-Schock" in Niedersachsen und vielen anderen Bundesländern beschlossen worden. Während das G8 in Sachsen und Thüringen seit Jahrzehnten etabliert ist, sorgte die Einführung des "Turbo-Abis" andernorts für heftige Gegenreaktionen, die bis heute andauern. Beklagt wird vor allem der Lernstress für die Schüler, die - so der Vorwurf - den nahezu selben Stoff in einem Jahr weniger pauken müssten.

Bereits vor einigen Wochen hatte sich angedeutet, dass Niedersachsen als erstes Bundesland die Kehrtwende vollziehen könnte. Gut möglich, dass weitere folgen werden, denn die Rückbesinnung auf G9 liegt im Trend: Auch in anderen Ländern gibt Überlegungen und zum Teil auch schon konkrete Beschlüsse, die umstrittene Reform zumindest teilweise wieder rückgängig zu machen.

Ein Katalysator für andere Bundesländer?

In Bayern wirbt ein Volksbegehren für eine Wahlfreiheit. In Hessen etwa können Gymnasien bereits zwischen G8 und G9 entscheiden. Gleiches gilt für Baden-Württemberg - wobei sich die Eltern im Ländle, wenn sie die Wahl haben, mehrheitlich für G9 entscheiden. Dem G8 könnte so der schleichende Tod drohen, selbst wenn sich die Landespolitiker nicht zur endgültigen Abkehr entschließen sollten.

Bereits vor einem Monat hatte der Präsident des Deutschen Philologenverbandes, Heinz-Peter Meidinger, der Neuen Osnabrücker Zeitung gesagt, er sei überzeugt, dass eine Rückkehr Niedersachsens zu G9 bundesweit "als Katalysator" wirken werde. Der Philologenverband vertritt vor allem die Lehrer an Gymnasien.

Die Länder müssten zur Kenntnis nehmen, dass das Turbo-Abi nach acht Jahren nie in der Mitte der Gesellschaft angekommen sei, so Meidinger. Er plädierte zugleich für einen "weichen Übergang" bei der Rückkehr zu neun Jahren Schulzeit an Gymnasien. "Gründlichkeit geht vor Schnelligkeit", mahnte der Verbandspräsident. Die Kultusbehörden dürften nicht wie bei der Einführung von G8 den Fehler machen, durch überstürzte Aktionen für Verunsicherung bei Schülern und Eltern zu sorgen.

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