"Freiburg Institute for Advanced Studies" vor dem Aus:Attacke auf das Leistungsprinzip

Es droht das Ende einer Erfolgsgeschichte: Der Freiburger Historiker Ulrich Herbert hat in kürzester Zeit an seiner Universität ein "Institute for Advanced Studies" nach dem Vorbild berühmter amerikanischer Hochschulen aufgebaut. Nun steht das Projekt vor dem Aus.

Hans-Ulrich Wehler

Der Tatbestand ist schnell skizziert: Nach seiner Tätigkeit im Wissenschaftsrat hat sich der Freiburger Historiker Ulrich Herbert daran gemacht, an seiner Universität ein Forschungszentrum nach dem Vorbild des berühmten Princetoner "Center for Advanced Studies", das FRIAS (Freiburg Institute for Advanced Studies), aufzubauen. Es gelang ihm, ein solches Zentrum im Rahmen der Exzellenz-Initiative in erstaunlich kurzer Zeit einzurichten.

Unter den vier "Schools" stieg die Abteilung für Geschichte unter dem Co-Direktorium von Herbert und Jörn Leonhard im Nu zur erfolgreichsten und bekanntesten auf. Denn sie verließ sich bei der Auswahl ihrer Fellows, die ein Jahr lang allein ihren wissenschaftlichen Projekten leben konnten, auf die unübertreffliche Methode eines strengen Peer Review: der vorurteilsfreien Beurteilung der fachlichen Kompetenz durch Berufskollegen, die vor allem im Beirat versammelt waren. Sie diente also mitnichten der Selbstversorgung von Freiburger Wissenschaftlern mit einem erquicklichen Freijahr.

Für jeden Sachkenner lag nach wenigen Jahren auf der Hand, dass das FRIAS rundum eine Erfolgsgeschichte verkörperte. Die strikte Auswahl von einem Dutzend Fellows war jedes Mal überzeugend gelungen (rund 80 Prozent der Bewerber wurden abgelehnt). Ein Jahr am FRIAS zu verbringen, galt sogleich Vielen als begehrtes Ziel. Dutzende anerkennenswerte Veröffentlichungen beweisen inzwischen die Schubkraft der Arbeit an diesem geisteswissenschaftlichen Zentrum, das damit fraglos an die Spitze vergleichbarer Kollegs in der Bundesrepublik getreten ist.

Wie ein Blitzschlag aus heiterem Himmel mutet daher die Entscheidung einer Evaluierungskommission des Wissenschaftsrates an, die Tätigkeit des FRIAS 2013 einzustellen. Zwar wird ihm einerseits eine international hoch anerkannte Forschungsleistung zugebilligt. Andererseits aber wird seine Distanz zur Freiburger Universität gerügt - und dieses Pseudoargument hat für die Ablehnung offensichtlich den Ausschlag gegeben; die schriftliche Begründung steht freilich immer noch aus.

Nun liegt in der Tat ein grundsätzliches Problem darin, wie das Verhältnis zwischen der Universität und einer solchen Forschungsanstalt gestaltet werden soll. Das FRIAS beruhte von Anfang an zu Recht auf einer relativen Distanz gegenüber der Universität. So wurde seine Existenz auch in der Entstehungsphase begründet. Denn nur im Schutz dieser Autonomie, der Selbstregulierung der Aufnahme von Wissenschaftlern, ganz gleich woher sie kommen, lässt sich die entscheidende Institutsmaxime, die Verteidigung des Leistungsprinzips, verwirklichen.

Nach fünf Jahren kann man die Realisierung dieses Prinzips nur voller Anerkennung konstatieren. Doch nach der ersten Förderungszeit, die auf einem Fünfjahresplan beruhte, stand natürlich auch die Entscheidung über die Folgefinanzierung bevor. Das erweist sich jetzt als die Achillesferse der nur fünf Jahre lang währenden Exzellenzinitiative, die von Anfang an zu kurzatmig angelegt war. Denn auch und gerade im Falle einer positiven Evaluierung einer Exzellenz-Institution wie dem FRIAS stand die Universität, die sich bisher mit ihrem Renommierprojekt geschmückt hatte, vor der Aufgabe, selber eine Anschlussfinanzierung aufzubringen oder bei einer Drittmittelfinanzierung aktiv behilflich zu sein - oder aber nach dem Fortfall der Exzellenzinitiative aus unprofessionellem Missmut das ganze Projekt kaltherzig aufzugeben.

Damit ist die Frage verbunden, ob die Exzellenzinitiative die Existenz von Forschungsinstitutionen nur vorgegaukelt hat, bei denen es sich in Wirklichkeit um limitierte Fünfjahresprojekte handelte, wie sie etwa die DFG und die großen Stiftungen ständig bewilligen?

Die wissenschaftliche Leistung steht außer Frage

Vor der Auflösung aufgrund eines höchst strittigen Evaluierungsergebnisses scheint jetzt jedenfalls das fraglos erfolgreiche FRIAS zu stehen. Welche Merkwürdigkeiten sind nun in der Torpedierung des FRIAS zusammengekommen?

Zum einen muss man den Wissenschaftsrat fragen, warum er ausgerechnet eine der profiliertesten Institutionen, die die Exzellenzinitiative zustande gebracht hat, nun schließen lässt - nach nur fünf Jahren. Die wissenschaftlichen Leistungen des Forschungsinstituts stehen außer Frage - und darum sollte es in dem Wettbewerb doch gehen.

Man gewinnt den Eindruck, dass sich die Kriterien zwischen erster und zweiter Runde geändert haben - was 2007 noch gut und förderungswürdig erschien (exzellente Forschung, scharfe Leistungsauslese, Förderung individueller Forschungsarbeit) scheint nun nicht mehr zu gelten. Universitätsmanagement und Hochschulreform stehen im Vordergrund. Und von Elite ist nicht mehr die Rede - vielmehr sollen nun auch noch die schwachen Teile der Universität mitgezogen werden.

Natürlich gibt es, wie in jeder Universität, so auch in Freiburg Neider und Missgünstige. Fachbereiche, die im FRIAS nicht vertreten waren, und Professoren, die den strikten Auswahlprinzipien, auf denen das Qualitätsniveau der Geschichtsabteilung des FRIAS beruhte, nicht entsprachen, haben vielleicht Grund, sich über das Scheitern des FRIAS zu freuen. Vermutlich rumort hier auch die Skepsis gegenüber dem Leistungsprinzip und der mit ihm unvermeidlich verbundenen Elitebildung.

Aber vor allem geht es doch darum, dass der Wissenschaftsrat einem Institut die Förderung versagt, das in der deutschen und internationalen Wissenschaft und zumal in der Geschichtswissenschaft höchste Anerkennung gefunden hat. Davon gibt es nicht so viele in Deutschland. Das ist eine verhängnisvolle Entwicklung. Wird die DFG oder die VW-Stiftung oder das Bundesministerium für Bildung und Forschung die Finanzierung des FRIAS, dieses imponierenden Ergebnisses der Exzellenzinitiative, fallen lassen? Das wäre ein deprimierender Rückschlag, der möglichst schnell verhindert werden sollte.

Der Historiker Hans-Ulrich Wehler, Jahrgang 1931, lehrte bis zu seiner Emeritierung in Bielefeld. Zuletzt erschien von ihm der Essayband "Land ohne Unterschichten?".

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