Entscheidung nach dem Abi:Soll ich ein Studium oder eine Ausbildung machen?

Uni oder Werkstatt? Campus oder Berufsschule? Nach dem Abi stellt sich für viele Schulabgänger die Frage, ob sie studieren oder eine Lehre machen sollen. Gute Argumente gibt es für beides, aber für jeden Abiturienten ist ein anderer Weg der richtige.

Von Sabrina Ebitsch

Dass das Abitur die "Hochschulreife" attestiert, nimmt der Großteil der Abiturienten in Deutschland wörtlich: Laut der Bundesagentur für Arbeit beginnen drei Viertel von ihnen nach dem Abi ein Studium, nur ein Viertel macht eine Ausbildung. Und selbst von den Azubis mit Abitur sehen viele die Lehre vor allem als Wegbereiter und hängen beispielsweise nach der Banklehre noch ein BWL-Studium an oder nutzen die Krankenpfleger-Ausbildung, um die Wartezeit fürs Medizinstudium zu überbrücken.

Von ganz pragmatischen Argumenten wie diesen abgesehen, können aber noch andere Gründe dafür sprechen, nach der Schule (erst einmal) eine Ausbildung zu machen. Ein Studium muss nicht für jeden die richtige Wahl sein - immerhin brechen jedes Jahr 70.000 Studenten ab. Wer sich schon in der Schule mit dem ewigen Lernen gequält hat, hat vielleicht mehr Lust auf Berufspraxis. Schlechte Noten können da ein Indiz sein - mehr aber auch nicht, da viele Abiturienten erst im Studium "ihr" Fach entdecken, das sie aufblühen lässt.

Ein Studium sei auch nach der Umstellung auf Bachelor und Master in erster Linie theoretisch ausgerichtet und forschungsorientiert, sagt die Autorin und Studienberaterin Angela Verse-Herrmann: "Wem der Schritt von der Schule an die Hochschule und damit in die nächste Phase rein theoretischer Wissensaneignung zu schnell geht, der sollte sich vielleicht erst im Berufsalltag bewähren. Mit einer Ausbildung hat man einen ersten Abschluss in der Tasche, der für den Arbeitsmarkt qualifiziert."

Der schnellere Weg in den Job

Eine Berufsausbildung ist trotz der kürzeren Bachelorstudiengänge oft der schnellere Weg in den Job. Nach zwei bis drei Jahren stehen Azubis im Berufsleben. Selbst wenn Bachelorstudenten keinen Master mehr anhängen, haben sie wegen Auslandssemester, Praktika und der Berufseinstiegsphase oft nicht so schnell eine Stelle.

Damit verdienen Azubis auch schneller Geld und stehen finanziell auf eigenen Beinen, wenn auch das Lehrlingsgehalt meist noch nicht reicht, um davon zu leben. Zwar gibt es keine Garantie, nach der Lehre übernommen zu werden, doch Azubis fällt der direkte Berufseinstieg häufig leichter: Anders, als bei den meisten Studenten der Fall, werden sie gezielt auf eine bestimmte Tätigkeit vorbereitet. Ihre Kenntnisse entstammen direkt dem Berufsalltag.

Und auch in Ausbildungsberufen bieten sich zahlreiche Aufstiegsmöglichkeiten: Die Verkäuferin bleibt nicht ihr Leben lang an der Kasse, sondern wird Abteilungsleiterin; der Krankenpfleger macht Fortbildungen und wird zum OP-Manager.

Karrierechancen sprechen für ein Studium

Trotz aller Argumente für eine Lehre gilt: Eine Ausbildung um der Ausbildung willen sollte man auf keinen Fall machen. Voraussetzung sei, dass sie den eigenen Interessen entspreche, rät Verse-Herrmann. Außerdem sollte eine inhaltliche Verknüpfung zu einem möglichen späteren Studium bestehe, das immer eine weitere Option nach der ersten Berufsausbildung sei.

Denn unter dem Strich sprechen Verdienst- und Karrierefaktoren ganz klar für ein Studium. Akademiker bekommen in ihrem Berufsleben statistisch gesehen nicht nur deutlich mehr Gehalt als ihre Kollegen ohne Studienabschluss. Auch die Gefahr, arbeitslos zu werden, ist mit einem abgeschlossenen Studium weitaus geringer. Akademiker haben außerdem bessere Karrierechancen: Sie werden eher befördert und haben insgesamt bessere Aufstiegsmöglichkeiten. Schulabgänger, die vor der Entscheidung stehen, müssen sich diese Weichenstellung für ihr gesamtes Berufsleben bewusst machen - auch wenn nach zwölf, 13 Jahren Schule vielleicht erst einmal die Praxis lockt.

Hinzu kommt, dass in vielen Branchen der Hochschulabschluss entweder Voraussetzung oder Standard ist. Und das nicht nur bei Ärzten oder Anwälten, auch in frei zugänglichen Berufen wie dem Journalismus tun sich Bewerber ohne akademische Ausbildung mittlerweile schwer.

Analytisches Denken lernen

Der Grund dafür sind nicht nur das mit einem Studium verbundene Ansehen oder das Fachwissen und die vielfältigen Qualifikationen, die an Hochschulen vermittelt werden. Studenten lernen darüber hinaus auch, eigenständig zu denken und zu arbeiten, Probleme strukturiert und analytisch zu lösen, sich selbstständig Wissen anzueignen und es anzuwenden.

Über die fachlichen und beruflichen Qualifikationen hinaus bietet ein Studium - selbst angesichts der Klagen über die Verschultheit des Bachelorstudiums und den dort herrschenden Druck - immer noch die Möglichkeit, weitgehend frei von äußeren Zwängen das zu lernen, was einem Spaß macht. Studenten können sich, anders als in der Schule, einige Jahre lang auf das konzentrieren, was sie wirklich interessiert, und so ihren Horizont erweitern.

Es gibt vieles, was für eine Ausbildung spricht, und vieles, was ein Studium reizvoller macht. All die Vor- und Nachteile müssen Abiturienten selbst gewichten und sich vor allem überlegen, was ihnen besonders wichtig ist und was zu ihnen passt. Der eine hat vielleicht nach der Schule genug vom Lernen und will endlich arbeiten. Die andere hat sich eine steile Karriere vorgenommen, bei der das Hochschulstudium ein wichtiger Baustein ist. Wieder ein anderer will vielleicht lieber rasch Geld verdienen und eine Familie gründen.

Letztendlich ist die Entscheidung von den eigenen Wünschen und Interessen und der eigenen Lebensplanung abhängig. Wer sich unsicher ist, muss aber nicht verzweifeln, denn weder Studium noch Ausbildung sind Sackgassen. Im Zweifelsfall geht auch beides: Wer nach der Ausbildung Lust auf mehr hat, kann immer noch ein Studium beginnen.

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