Entrepreneure:Unter Gleichgesinnten

Entrepreneure: Henning Siedentopp verkauft seine Rucksäcke heute in elf Ländern. Seine Universität half ihm bei der Unternehmensgründung.

Henning Siedentopp verkauft seine Rucksäcke heute in elf Ländern. Seine Universität half ihm bei der Unternehmensgründung.

(Foto: Melawear)

Technik-Start-ups, Honig-Shop: Studierende gründen Unternehmen an Hochschulen, weil sie dort viel Unterstützung bekommen.

Von Paul Munzinger

Als Henning Siedentopp sein Masterstudium an der Leuphana-Universität in Lüneburg begann, da hatte er seine Geschäftsidee längst im Kopf. Einen Vertrieb für Mode aus Indien wollte er gründen. Rucksäcke, T-Shirts, Kapuzenpullover, alles in Indien produziert, unter fairen Bedingungen für die Baumwollpflücker und Näherinnen und zugleich in großer Stückzahl, damit der Preis auf dem Markt bestehen kann.

Die Uni half dem heute 31-Jährigen in mehrfacher Hinsicht. Sie stellte Räume auf dem Campus zur Verfügung, half bei der Vermittlung von Stipendien, knüpfte Kontakte in die Wirtschaft. Als seine Idee 2014 Wirklichkeit wurde, hatte Siedentopp seinen Master in Management und Entrepeneurship noch nicht einmal abgeschlossen. Heute kann man Kleidung von Melawear - Mela bedeutet auf Hindi "Gemeinsames Handeln" - in 250 Geschäften in elf Ländern kaufen, der Umsatz hat sich im vergangenen Jahr verfünffacht. "Ohne die Unterstützung der Uni", sagt Siedentopp, "wäre das alles nicht so schnell gegangen."

Deutsche Universitäten, zu diesem Ergebnis kommt der "Gründungsradar", eine Studie des Stifterverbands für die Deutsche Wissenschaft, bemühen sich immer stärker darum, ein günstiges Umfeld für Firmengründungen zu schaffen. 1615 Unternehmen wurden im Jahr 2016 an den 194 deutschen Hochschulen gegründet, die sich an der Umfrage beteiligten. Das sind fast 500 mehr als noch vor vier Jahren. Gefördert wurden die Projekte mit insgesamt 76 Millionen Euro, auch das ein Zuwachs von einem Viertel.

"Entscheidend war", sagt Siedentopp, "dass wir einen sicheren Hafen hatten."

Eine erfolgreiche Gründungskultur, heißt es in der Studie, trage zu einem "attraktiven und lebendigen Innovationsökosystem in Deutschland" bei. Gründungen seien ein wichtiger Weg, um den Wissenstransfer aus der Forschung in wirtschaftliche Wertschöpfung umzusetzen. Zu den Universitäten, denen dies am besten gelingt, gehört wie auch in den Vorjahren die Leuphana-Universität in Lüneburg. Mit 55 Unternehmensgründungen im Jahr 2016, sechs auf 1000 Studenten, belegt sie den Spitzenplatz unter den mittelgroßen Universitäten mit 5000 bis 15 000 Studenten. Unter den großen Universitäten überzeugten die Hochschule München und die TU München, bei den kleineren liegt die HHL Leipzig Graduate School of Management vorne. Die Unternehmen, die entstanden sind, reichen von Technik-Start-ups bis zum Online-Shop für Honig.

Wichtigster Faktor für das Gründungsklima einer Universität sei die Frage, mit wie viel Geld sie Projekte unterstützen kann, sagt Andrea Frank, Mitautorin der Studie. Das bestimmt zu einem Großteil die Politik. Zwei Drittel der Fördermittel stammen nicht von den Unis, sondern von außen. In den meisten Fällen heißt dies: aus dem Wirtschaftsministerium und aus Landesförderprogrammen. Doch Geld, betont Frank, sei nicht der einzige Faktor. Ausschlaggebend sei auch, wie gut es den Universitäten gelinge, Kontakte zu externen Akteuren aus der Region zu vermitteln, zu Städten oder Investoren. Zudem sei es wichtig, die Angebote sichtbar zu machen. Bestes Beispiel: die TU Berlin. Dort sitzt das Gründungszentrum mittlerweile in einem eigenen Gebäude.

Auch für Henning Siedentopp stand nicht das Geld im Vordergrund. Das Angebot der Uni, ihn mit Investoren zusammenzubringen, lehnte er sogar ab. "Entscheidend war", sagt er, "dass wir einen sicheren Hafen hatten." Die Erfahrungen der gründungserprobten Mitarbeiter hätten ihn vor Fehltritten bewahrt, ehe er sie begehen konnte. Besonders hilfreich sei das "Umfeld von Gleichgesinnten" gewesen, also der Kontakt mit den Kommilitonen, die mit anderen Projekten, aber ähnlichen Problemen beschäftigt waren. "Studenten", sagt Siedentopp, "sind es gewohnt, alles zu hinterfragen."

Sein Unternehmen Melawear hat die Räume auf dem Campus mittlerweile verlassen, doch auch das neue Büro liegt in direkter Nachbarschaft. Acht Mitarbeiter hat die Firma heute, alle haben an der Leuphana studiert oder studieren noch dort. Universität und Unternehmen sind immer noch eng verbunden. Eines aber, betont Siedentopp, könne einem Gründer bei aller Unterstützung niemand abnehmen. "Die Idee und das Produkt muss man sich immer noch selbst ausdenken."

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