Studium:Homer Simpson trifft auf Aristoteles

'Die Simpsons'

Im philosophischen Kanon angekommen: Homer Simpson.

(Foto: dpa)

In seinem Kurs "Die Simpsons führen ein in die Philosophie" will ein schottischer Unidozent mit seinen Studenten über Moral und Ethik diskutieren.

Interview von Moritz Geier

Weisheit kommt im Alter, heißt es, das gilt wohl auch für die Macher der Simpsons. Im Oktober ist die 600. Episode der US-amerikanischen Zeichentrickserie erschienen, und nun hat das Gesamtwerk sogar Eingang in den philosophischen Kanon gefunden. Zumindest für John Donaldson, 35, Philosophielehrer an der Universität Glasgow. Er bietet im Januar einen Kurs an mit dem Titel "Die Simpsons führen ein in die Philosophie", eine eintägige Veranstaltung, offen für die Allgemeinheit gegen eine Gebühr. "Eine philosophische Kostprobe" sei der Kurs, sagt Donaldson, alle Plätze waren sofort vergeben. Die Universität bietet für die Öffentlichkeit auch Kurse über berühmte Philosophen an.

SZ: Herr Donaldson, sind die Kurse über Aristoteles und Wittgenstein auch so schnell ausverkauft?

John Donaldson: Nein, der Kurs mit den Simpsons ist wirklich ein herausragender Erfolg. Das hat vor allem einen Grund: Ich glaube, dass Moral und Ethik in der Serie sehr vielschichtig behandelt werden. In meinem Kurs nutze ich die Simpsons als Fallbeispiel, um Menschen dazu zu bringen, über Philosophie nachzudenken.

Das müssen Sie erklären.

Zum Beispiel führen wir die Moralphilosophie ein und dazu die Frage: Was macht eine Person tugendhaft? Wir schauen uns die klassische Darstellung der Tugend von Aristoteles an und vergleichen sie mit utilitaristischen, konsequentialistischen oder deontologischen Darstellungen. Und dann betrachten wir den Familienvater Homer Simpson, wenden die Theorien an und fragen: Ist dieser Homer eine tugendhafte Person?

Er frisst, säuft, würgt seinen Sohn, schläft am Arbeitsplatz - und das als Sicherheitsmann eines Kernkraftwerks.

Aber er macht nie etwas aus Bösartigkeit, er ist ein hingebungsvoller Familienmensch, er hat - soviel wir wissen - noch nie seine Frau betrogen. Er ist ganz allgemein ein gutmütiger Mensch, auch wenn er bisweilen sehr egoistisch und egozentrisch sein kann. Und wenn ich vielleicht ein paar mildernde Umstände für ihn anführen darf . . .

Bitte.

Er hatte ein schwieriges Leben, seine Mutter hat ihn verlassen, als er sehr jung war. Er hat das Simpsons-Gen, einen Gendefekt, der in männlicher Linie vererbt wird: Je älter er wird, desto dümmer wird er. Dazu lebt er in Springfield, einem Ort, an dem es schwer ist, ein guter Mensch zu sein.

Der arme Kerl. Aber macht ihn das zur tugendhaften Person?

Nein, Homer ist keine tugendhafte Person. Aber vor allem, weil Aristoteles' Vorstellung von Tugend so anspruchsvoll ist. Nach seiner Definition wäre heute wohl niemand tugendhaft.

Wie soll denn nun ausgerechnet Homer Simpson dabei helfen, etwas über Philosophie zu lernen?

Erstens mögen die Leute ihn, zweitens hat er ihre Aufmerksamkeit, jeder kennt ihn. Wenn man dann philosophische Ideen in Verbindung bringt mit den Simpsons und Homer im Speziellen, dann kann man sie als Brücke nutzen, um Interesse für Philosophie zu wecken.

Gutes Marketing.

Nein, es ist mehr als Marketing. Natürlich hilft das Thema, Aufmerksamkeit zu erregen, allein der Titel weckt Interesse. Aber wir scheuen im Simpsons-Kurs nicht davor zurück, komplexe philosophische Ideen zu behandeln.

Kürzlich hat man den Simpsons-Autoren visionäre Qualitäten nachgewiesen. In einer Episode aus dem Jahr 2000 tritt Donald Trump als US-Präsident auf. Hat das auch mit der philosophischen Tiefe der Serie zu tun?

Das ist ein interessanter Gedanke. Aber die Autoren haben es ja nicht vorhergesagt, sondern eher das Gegenteil. Sie haben Trump als schlechten Scherz eingebaut, gerade weil sie dachten: Der würde wirklich nie Präsident werden. Ich finde, das beschreibt ganz gut, wie lächerlich es ist, dass dieser Mann nun tatsächlich gewählt wurde.

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