Ecuador:Gut geölt

Das Land will weg von der Rohstoffabhängigkeit und hin zu einer Produktiv- und Wissensgesellschaft. Ein ehrgeiziges Projekt.

Von Sebastian Schoepp

Es gibt Länder, die verkaufen Rohstoffe, und andere, die kaufen Rohstoffe - meist billig - und fertigen daraus Produkte. Diese exportieren sie dann - teuer - in die Länder zurück, aus denen die Rohstoffe kommen. Prinzip Weltwirtschaft. Sinken die Rohstoffpreise, erzittern die Ökonomien der Lieferländer, das ist in Venezuela zu spüren. Ein anderes Öl-Land in Lateinamerika geht deshalb einen neuen Weg. Ecuadors Präsident Rafael Correa will weg von der Rohstoffabhängigkeit und hin zu einer Wissensgesellschaft. Zu dem Zweck hat die Regierung eine Universität gegründet, Yachay-Tech. Es sei das ehrgeizigste Projekt der vergangenen hundert Jahre, heißt es in einem Video.

Yachay liegt am Fuße der Anden und weit weg vom Erdbebengebiet an der Küste. Die Erschütterungen vergangene Woche haben kaum Spuren am Prestigeprojekt hinterlassen. Der Name stammt aus der Quechua-Sprache und bedeutet Wissen, Weisheit. Yachay-Tech ist eine von vier neuen Elite-Unis, der Name zeigt, dass hier die Naturwissenschaften zu Hause sind. Ein Zweig, der fehlt, eine Nachwehe der spanischen Kolonialzeit und ihrer scholastisch-katholischen Technikfeindlichkeit. Andreas Griewank arbeitet mit beim Aufbau - nicht nur wegen des ewigen Frühlings am Fuße der Anden. Er war früher Direktor des Mathematischen Institutes an der Humboldt-Universität Berlin und stellt sich nun im Ruhestand der Herausforderung als Wissenschaftsentwicklungshelfer.

"Ich hab' mich noch nicht nach Rentnerdasein im Rosengarten gefühlt", sagte Griewank. Im Kreise junger Kollegen aus aller Welt, aus den USA, Venezuela, Japan, Mexiko, arbeitet er mit daran, Yachay zum Zentrum eines lateinamerikanischen Wissensnetzwerkes zu machen, zu einer "Wissens-Stadt". So jedenfalls stellt es sich die Regierung vor. Derzeit lernen in Yachay knapp 800 Studenten, 5000 sollen es mal werden, genommen werden nur die besten. Wer die sind, ergibt ein nationaler Zulassungstest.

Ecuador: Der Campus Yachay - hier soll eine neue "Wissensstadt" entstehen.

Der Campus Yachay - hier soll eine neue "Wissensstadt" entstehen.

(Foto: oh)

Ein klassisches Entwicklungshilfe-Projekt ist Yachay jedoch nicht. Correa legt Wert darauf, etwas eigenes aufzubauen, mit der internationalen Entwicklungshilfe ist er verkracht, wirft Hilfsorganisationen vor, seinem Land zu stark hineinzureden. Yachay ist auch sonst der Versuch, eine in Jahrhunderten entstandene Einbahnstraße umzudrehen. Gemeinhin fließen Einnahmen aus Rohstoffen in die Kassen internationaler Konzerne und lokaler Eliten - oder sie werden nach dem Gießkannenprinzip ausgeschüttet wie im links regierten Venezuela. Präsident Correa ist zwar auch links, aber er versucht, Fehler des verstorbenen Kollegen Hugo Chávez zu vermeiden.

Das Yachay-Projekt orientiere sich eher an den Leistungsprinzipien der USA, sagt Griewank. Die Anforderungen an das Lehrpersonal seien hoch - und hoch ist auch die Besoldung der internationalen Führungsriege, was schon Unmut ausgelöst hat. "Aber einen US-Spezialisten, der 150 000 Dollar in neun Monaten verdienen kann, bekommt man eben nicht für ein ecuadorianisches Gehalt", so Griewank. Und der wissenschaftliche Kenntnisstand im Land ist zu gering. Auch dass die Unterrichtssprache Englisch ist, passt eigentlich nicht zum linken Latino-Nationalismus Correas.

Kredit aus China, Forscher aus Deutschland - so kann das laufen in Lateinamerika

Autarkismus allein reicht nicht, trotz Öleinnahmen. China half mit einem 200-Millionen-Dollar-Kredit. Und den Grundriss für die Wissensstadt haben Südkoreaner designt. Südkorea ist auch das einzige Beispiel, das Griewank einfällt, wo eine Transformation zur Wissensgesellschaft fast aus dem Nichts geklappt habe. Um Ähnliches zu vollbringen, wird in Yachay nun millionenschweres Equipment angeschafft, das Forschung auf höchstem Niveau garantieren soll, etwa in Informationstechnologie oder erneuerbaren Energien.

Ecuador: Der Mathematik- Professor Andreas Griewank lehrte früher an der HU Berlin. Er leitet in der Wissensstadt Yachay nun den Bereich Mathematik und Computertechnologie.

Der Mathematik- Professor Andreas Griewank lehrte früher an der HU Berlin. Er leitet in der Wissensstadt Yachay nun den Bereich Mathematik und Computertechnologie.

(Foto: oh)

Griewank ist spezialisiert auf algorithmische Grundlagenforschung, die dazu dienen kann, Abläufe in Wertschöpfungsketten zu optimieren - eine Anwendung, die Ecuador gut brauchen kann. Eigene Wertschöpfungsketten sind genau das, was Rohstoffländern gemeinhin fehlt. Immerhin war Yachay schon mal Standort moderner Technik, sagt Griewank. In den 1930er-Jahren stand dort eine der produktivsten Zuckerraffinerien Lateinamerikas - mit Ausrüstung aus Deutschland. In der früheren Hacienda ist nun die Uni untergebracht.

Der Deutsche ist auslandserfahren, er war etwa in den USA; nun eben Ecuador. Dort schätzt er das funktionierende Zusammenleben der Ethnien, auch dies Folge einer Politik, die andinen Lebensvorstellungen und Naturschutzmaximen Verfassungsrang verlieh. In letzter Zeit liegt Correa jedoch zunehmend quer mit Naturschützern und vielen Indigenen, weil er mitnichten vorhat, den Rohstoffabbau auch nur zu drosseln. Er ist der Meinung, das Land brauche die Einnahmen vorläufig, um sie in den Umbau des Wirtschaftssystems zu stecken.

2017 muss Correa nach zwei Amtszeiten abtreten - und in Lateinamerika gibt es die verhängnisvolle Tradition, dass Nachfolger Errungenschaften ihrer Vorgänger systematisch demontieren. Doch Griewank ist zuversichtlich: das Projekt sei parteiunabhängig genug angelegt, dass auch eine andere Regierung es fortsetzen könne.

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