Didacta:"Arsch hoch"

Prof. Wassilios Fthenakis

Wassilios E. Fthenakis ist Antrophologe und Präsident des Didacta-Verbandes. Dieser vertritt die Interessen der Bildungswirtschaft.

(Foto: dpa)

Deutschlands größte Bildungsmesse lockt Lehrpersonal, Schüler und Verlage nach Köln. Doch etwas ist anders: In diesem Jahr geht es nicht nur um Neuigkeiten aus dem Elfenbeinturm. Die Veranstaltung steht ganz im Zeichen der Flüchtlingskrise.

Von Johann Osel

Die Szenerie in den Messehallen wird auf den ersten Blick kaum anders aussehen als sonst. Schulbuchverlage werden neue Werke präsentieren und im Idealfall gleich klassensatzweise verkaufen; Grundschullehrerinnen werden auf den Ruhebänken sitzen und die Wahl des Schuhwerks verfluchen, nachdem sie all die Stände abgeklappert haben; Firmen aus dem Bildungsbereich werden Produkte bewerben und Verbandsvertreter Reklame machen für ihr Anliegen; Debatten, Workshops, Vorträge wird es geben, thematisch von der Kita bis zum Studium. Und doch ist bei der Didacta, der großen Bildungsmesse, in diesem Jahr etwas anders: Die Messe, die am Dienstag in Köln beginnt und mit 100 000 Besuchern überwiegend aus der Welt der Kitas, Schulen und Unis rechnet, hat diesmal einen klaren Schwerpunkt. Die Tagespolitik gibt ihn vor: die Auswirkung der Flüchtlingskrise auf das Bildungssystem.

Etwa 300 000 schulpflichtige Flüchtlinge sind 2015 angekommen, so die Schätzung aufgrund der bisherigen Altersstruktur von Asylbewerbern. Für die Schulen mit rückläufigen Schülerzahlen bringt das Nachwuchs - im Gesamtsystem überschaubar. Mancherorts ist der Zuzug gar die Rettung von Schulstandorten, andernorts wird es eng. Mehr noch als bei den Kapazitäten ist es eine pädagogische Herausforderung. Akteure frühkindlicher, akademischer und beruflicher Bildung müssen reagieren. "Restlos überfordert" seien die Schulen, sagte kürzlich der Chef des Deutschen Lehrerverbands, Josef Kraus.

"Wir dürfen die alten Fehler der Integration nicht wiederholen", fordert Wassilios E. Fthenakis, Präsident des Didacta-Verbandes. "Bislang fehlt es an Konzepten, wie der Herausforderung kindgerecht und politisch korrekt begegnet werden kann." Ansätze beschränkten sich auf den Erwerb der deutschen Sprache: "Kinder müssen erst sozial und kulturell ankommen, bevor man sie mit dem Erwerb der deutschen Sprache konfrontiert." Die Messe - die im Wechsel in Köln, Hannover und Stuttgart gastiert - ist oft auch eine Bühne für die Bildungspolitik des Gastgeberlandes. NRW-Schulministerin Sylvia Löhrmann (Grüne) hat mehrere Auftritte geplant.

Der Schwerpunkt zeigt sich auch bei der Kür der Didacta-Bildungsbotschafter. Die Journalistin Dunja Hayali und der Kölner Verein "Arsch huh" ("Arsch hoch") erhalten die Ehrung. Die Preisträger setzen sich für Toleranz und gegen Ausgrenzung ein, hieß es. "Arsch huh" ist als Kampagne gegen rechte Gewalt seit mehr als 20 Jahren aktiv, beteiligt sind Bands wie Bläck Fööss oder BAP. In der Vergangenheit wurden für Bildungsprojekte etwa geehrt: Porsche-Betriebsratschef Uwe Hück oder Skateboard-Pionier Titus Dittmann.

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