Deutsche Forschungsgemeinschaft:Peter Strohschneider wird DFG-Präsident

Schöngeist und Cheflobbyist der deutschen Forscher: Der Münchner Mittelalter-Germanist Peter Strohschneider wird neuer Präsident der Deutschen Forschungsgemeinschaft.

Roland Preuß

Er forscht über mittelalterliche Literatur, doch er liebt die Bildungsdebatten der Gegenwart. Wie sich sein Fach Mediävistik mit der Vorliebe für politische Arbeit verträgt, hat Peter Strohschneider einmal so beschrieben: Wer sich wie er mit fremden Kulturen beschäftige, habe einen geübten Blick für komplexe kulturelle Ordnungen - und dazu zähle auch das deutsche Wissenschaftssystem.

Dieses wird der 56-jährige Professor bald an zentraler Stelle mitgestalten, am Mittwoch wählten ihn Deutschlands Universitäten, Wissenschaftsakademien und Forschungsinstitute zum Präsidenten der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG). Die Gemeinschaft ist Europas größter Forschungsförderer, jährlich unterstützt sie Projekte mit mehr als zwei Milliarden Euro. Strohschneider wird also an dieser Schlüsselstelle mitbestimmen, wo zu welchem Thema künftig geforscht wird.

Die Uni-Rektoren und Instituts-Präsidenten haben damit auf den bewährtesten der drei Kandidaten für die DFG-Spitze gesetzt: Strohschneider ist ein erfahrener Netzwerker, von 2006 bis Anfang 2011 leitete er bereits den Wissenschaftsrat, das wichtigste wissenschaftspolitische Beratergremium von Bund und Ländern. Aus dieser Zeit kennt er die entscheidenden Politiker und Gremien, er steht für Durchsetzungsstärke in Zeiten der Schuldenbremse und dürftig finanzierter Hochschulen. Er weiß um die Befindlichkeiten der Hauptakteure Bund, Länder und Hochschulen.

Im Wissenschaftsrat hat er sich zudem im Getümmel des politischen Streits bewährt. Er verteidigte die Exzellenzinitiative mit ihren Milliarden für Spitzenuniversitäten und profilierte sich als Kritiker der neuen Studiengänge Bachelor und Master. Strohschneider gilt als Führsprecher der Geisteswissenschaften, der Politik warf er vor, diesen Bereich mitunter bewusst verelenden zu lassen. Das alles formuliert der Professor stets in einer Sprache, die sich auf jeder Feuilleton-Seite drucken ließe. Er ist ein Schöngeist unter den Lobbyisten.

Der gebürtige Stuttgarter ist vor allem mit der Ludwig-Maximilians-Universität München verbunden. Hier studierte er Germanistik, Geschichte, Rechtswissenschaften, Soziologie und Politologie, promovierte und schrieb seine Habilitation im Fach Germanistische Mediävistik. Strohschneider gilt als Spezialist für die Literatur des Hochmittelalters. Nach Stationen in Paris und Dresden kehrte er vor zehn Jahren nach München zurück. Den längsten Abschnitt in seinem Lebenslauf nimmt jedoch seine Mitarbeit in Gremien und Jury-Runden ein. Wo andere Wissenschaftler quälende Sitzungen fürchten, bewegt sich Strohschneider in seinem Element. Er kennt das Geschäft von beiden Seiten. Als Wissenschaftler war er vor DFG-Gremien mehrfach erfolgreich und erhielt Geld.

Nach seinem Ausscheiden als Chef des Wissenschaftsrates zog es Strohschneider wieder in die Forschung, derzeit arbeitet er an der Universität Freiburg in einem Sonderprojekt an einem Buch zur "Höfischen Textgeschichte". Den Abschied von dort haben ihm seine künftigen Mitarbeiter allerdings erleichtert: DFG und Politik strichen dem Projekt vor Kurzem die Mittel.

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