Der Referendar zum Abschied:Schön war's

Kolumne "Der Referendar"

Referendar Pascal Grün verabschiedet sich - vom Referendariat und den Lesern.

(Foto: SZ.de/Katharina Bitzl)

Referendar Pascal Grün blickt nach einem Jahr im Lehrberuf zurück - und muss zugeben, dass er sich alles viel zu schlimm vorgestellt hat. Jetzt versucht er, sich von den düsteren Zukunftsaussichten nicht demotivieren zu lassen.

Ich versuche meinen Kloß im Hals herunter zu schlucken und suche nach passenden Worten. Völlig unerwartet trifft mich die Überraschung meiner Zehntklässler, denn obwohl die letzten Wochen eines Schuljahres flott vergehen, bin ich mental noch nicht so richtig auf Abschied eingestellt. Das Gruppenfoto, auf dem jeder Schüler einen Buchstaben in die Kamera hält, so dass der Schriftzug "¡En castellano por favor!" ("Auf Spanisch, bitte") entsteht, der selbst gebackene Kuchen, die lieben Worte ... Nur selten verschlägt es mir derart die Sprache. Ein ganzes Schuljahr ist vorüber. Ein Schuljahr, in dem ich viel gelacht, gearbeitet und gelernt habe. Zeit, Bilanz zu ziehen.

Die Schüler

Das Wichtigste zuerst: die Kinder. Wie viele Gedanken hatte ich mir vor Beginn des Referendariats zum Umgang mit schwierigen Schülern gemacht. Wie viele Warnungen, gar Mitleidsbekundungen von Mitmenschen vernommen: "Mit den Schülern heutzutage wird das bestimmt nicht einfach."

Die Schüler, mit denen ich im Laufe meines ersten Schuljahres als Junglehrer zu tun hatte, waren super. An der Seminarschule bin ich verschont geblieben von arroganten Söhnchen aus der Vorstadt. Und auch an der Einsatzschule traf ich nicht auf bornierte Dorfjugendkinder. Meine Schüler von der siebten bis zur elften Klasse waren lernwillig, höflich, artig und lustig. Es gab nicht einen Tag, an dem sie mich nicht zum Lachen gebracht hätten und dafür danke ich jedem einzelnen von ihnen.

Darüber hinaus musste ich keine einzige Ordnungsmaßnahme in die Wege leiten: Verweise, Nachsitzen, alles Fehlanzeige. Natürlich war nicht jeder Schüler immer mit dem allergrößten Eifer bei der Sache. Das ist aber auch nicht weiter tragisch bei dem Gehirnfasching, der beispielsweise im Kopf hoch pubertärer Achtklässler abgeht. Unterm Strich zählt, dass bei allen der erwünschte Lernfortschritt erreicht wurde - davon bin ich jedenfalls ziemlich überzeugt.

Die Eltern

Auch an dieser Front blieb alles erstaunlich entspannt: Die Präsenz von rechthaberischen, unangenehmen Schülereltern im Schulalltag hatte ich total überschätzt. Klar, Eltern sprechen bei allem mehr mit als früher, aber ich konnte meine Arbeit unbehelligt von nervigen Helikoptermüttern ausüben. Die Horrorgeschichten haben sich demnach nicht bewahrheitet, bislang.

Blick in die Zukunft

Die Lehrer

Angenehm war mein Schulalltag auch wegen meiner tollen Kollegen. Mit den Referendaren aus dem Seminar konnte ich alles besprechen, was mir auf dem Herzen lag. Wir unterstützten uns bei der Unterrichtplanung und -durchführung, spendeten Trost, wenn eine Unterrichtsstunde einmal nicht so gut lief, oder sprachen Mut zu, wenn die Kritik der Seminarlehrer zu schaffen machte. Von einem unerbittlichen und rücksichtslosen Konkurrenzkampf, wie ihn manch einer prognostizierte, kann hier keine Rede sein.

Glücklich bin ich vor allem auch über die Offenheit und Hilfsbereitschaft meiner Kolleginnen und Kollegen an der Einsatzschule. Obwohl ich wegen der Zwangsversetzung nach Unterfranken ein bisschen mutlos hier eintraf, empfingen sie mich mit offenen Armen. Auch mein manchmal etwas großstädtisches Auftreten sahen sie mir nach, erklärten mir alles, was ich wissen musste, und nahmen mich kostenlos in ihren Autos mit in die Schule.

Kolumne "Der Referendar"

Pascal Grün ist 27 Jahre alt und unterrichtet als Referendar an einem bayerischen Gymnasium die Fächer Französisch und Spanisch. Auf SZ.de berichtet er regelmäßig über seine Erlebnisse als Referendar. Pascal Grün ist ein Pseudonym - zu seinem eigenen Schutz und zum Schutz der Personen, über die er schreibt. Ansonsten ist "Der Referendar" aber maximal offen und ehrlich.

Die Zukunft

Insgesamt blicke ich zufrieden auf mein erstes Schuljahr als Pauker zurück. Phasenweise war die Arbeitsbelastung zwar hoch, insgesamt aber in einem akzeptablen Rahmen, für den allerdings jeder Lehrer selbst verantwortlich ist. Nur ein ausgeglichener, zufriedener Lehrer kann ein guter Lehrer sein.

Das vergangene Schuljahr hat mich auf jeden Fall darin bestärkt, nach dem Referendariat im Lehrberuf bleiben zu wollen. Auch wenn ich das frühe Aufstehen schon so oft verflucht habe, freue ich mich jeden Morgen auf meine Arbeit. Sie macht mich glücklich, weswegen ich optimistisch in die Zukunft blicke, auch wenn die neuesten Einstellungszahlen alles andere als Grund zur Hoffnung geben. Selbst mit Bestnoten nach beiden Staatsexamina sieht es derzeit für die meisten Fächerkombinationen in Bayern schlecht aus mit einer Verbeamtung nach Beendigung des Referendariats. Ich will nicht verblendet wirken, aber ich werde auch weiterhin versuchen, diesen Gedanken nicht zu viel Bedeutung beizumessen, um mich nicht unnötig zu hemmen. Flexibilität und Mobilität werden Arbeitnehmern sämtlicher Branchen abverlangt. Warum also nicht auch uns Lehrern?

Mal sehen, ob ich mich an diese Worte erinnere, wenn ich bald den Bescheid über die nächste Versetzung erhalte? Wer weiß, wohin man mich diesmal schickt.

Liebe Leser, dies war die letzte Kolumne von Referendar Pascal Grün. Zu Beginn des neuen Schuljahres Mitte September werden Sie auf SZ.de ein neues wöchentliches Format zum "Kosmos Schule" finden - das sich mit Ihren Fragen zum Thema befassen wird. Lassen Sie sich überraschen!

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