Der Referendar über LehrerInnen:Bonjour Mad..., äh, Monsieur!

Kolumne "Der Referendar"

Fühlt sich als Lehrer manchmal allein: Referendar Pascal Grün.

(Foto: SZ.de/Katharina Bitzl)

Immer weniger Männer wollen Lehrer werden - Referendar Pascal Grün findet das schade. Männer haben im Lehrberuf einige Vorteile gegenüber Frauen.

Kolumne "Der Referendar"

Pascal Grün ist 27 Jahre alt und unterrichtet als Referendar an einem bayerischen Gymnasium die Fächer Französisch und Spanisch. Auf SZ.de berichtet er regelmäßig über seine Erlebnisse als Referendar. Pascal Grün ist ein Pseudonym - zu seinem eigenen Schutz und zum Schutz der Personen, über die er schreibt. Ansonsten ist "Der Referendar" aber maximal offen und ehrlich.

Dass Kinder in Kita, Kindergarten und Grundschule fast ausschließlich mit Frauen konfrontiert sind, ist keine Neuigkeit. Doch zumindest an den weiterführenden Schulen, besonders dem Gymnasium, waren die Männer bis vor ein paar Jahren zahlenmäßig immerhin mit ihren Kolleginnen noch gleichauf. Mittlerweile aber gibt es an jeder Schulart in Deutschland mehr Lehrerinnen als Lehrer.

Bitte nicht falsch verstehen: Die weiblichen Lehrkräfte, die ich während meiner Schul- und Referendarszeit kennengelernt habe, haben keinen schlechteren Job gemacht als die Männer. Trotzdem finde ich es wichtig, dass es Schüler auch in Zukunft mit Lehrern beiderlei Geschlechts zu tun bekommen. Ein paar Anekdoten aus meinem Schulalltag sollen zeigen, was ich damit meine - und ein Plädoyer für mehr Männer im Lehrberuf liefern.

Vom Aussterben bedroht

"Liebe Kinder, heute lerne ich meine Nachfolgerin kennen." Mit diesen Worten kündigte meine Vorgängerin an der Einsatzschule meinen Antrittsbesuch an. Sie wusste, eine Lehrkraft namens Grün würde einige Spanisch- und Französischklassen übernehmen. Umso größer war ihre Überraschung bei der "Gegenüberstellung" im Lehrerzimmer. Hinter der verfrühten Einordnung steckte keine böse Absicht. Sie spiegelt lediglich den Umstand wider, dass männliche Lehrkräfte - gerade in den Sprachen und Geisteswissenschaften - selten vorkommen.

Das belegen sogar Zahlen: In meinem Referendar-Seminar stehen 24 Frauen gerade einmal vier Männern gegenüber. In den sprachspezifischen Fachseminaren bin ich sogar der einzige Mann. So führt das einseitige Geschlechterverhältnis beim Lehrernachwuchs allmählich auch dazu, dass die Gesamtheit der Lehrerkollegien zunehmend "verweiblicht".

Nicht, dass mir das neu wäre. Bereits im Leistungskurs am Gymnasium und später an der Uni fand ich mich überwiegend unter Frauen wieder. Immerhin freuten sich meine Seminarlehrerinnen (wie könnte es anders sein?), mal wieder einen männlichen Referendar ausbilden zu können. Schmunzeln lassen mich regelmäßig die Köpfe dienstlicher Emails: "Liebe Referendarinnen, lieber Referendar...", "Liebe Seminarteilnehmerinnen, lieber Pascal..." Über mangelnden Arten- oder Minderheitenschutz kann ich mich also nicht beklagen. Die Verhältnisse irritieren jedoch nicht nur mich.

Als das aufgeregte Getuschel zu Beginn meiner ersten Französisch-Stunde in einer 7. Klasse verstummt war, begrüßte ich die Schüler mit "Bonjour les élèves!" Der Chor nach dem noch einhelligen "Bonjour" kam jedoch merklich ins Stottern. Nur wenige Schüler waren - überrumpelt von der Tatsache, dass auf einmal ein Lehrer da vorn stand - zu der spontanen Transferleistung in der Lage, das gewohnte "Madame" durch das passende "Monsieur" zu ersetzen.

Vorurteile, die sich bestätigen

Auch das Geschlechterverhältnis in meiner 8. Klasse Spanisch belegt, dass der Grundstein für die beschriebene Entwicklung bereits in der Schulzeit gelegt wird. Genau ein Junge sitzt in den Tischreihen. Ein einziger. Dass er es mitten in der Pubertät nicht all zu leicht hat unter lauter Mädchen, muss nicht weiter ausgeführt werden. Ich merke, dass er unter meiner Ägide sichtlich auftaut und immer aktiver am Unterricht teilnimmt. Es ist wichtig, dass er erlebt, dass Fremdsprachen nicht nur Frauensache sind. Die Mädchen der Klasse amüsieren sich regelmäßig über die leidenschaftlichen Fußball-Diskussionen zwischen ihm, einem Dortmund-Fan und mir, Anhänger des FC Bayern.

Natürlich handelt es sich auch hierbei um ein Klischee und natürlich gibt es auch Frauen, die sich für Fußball interessieren. Aber im Fremdsprachenunterricht sollte es nicht nur um die Vermittlung sprachlicher Mittel gehen, sondern auch die fremde Kultur. Dass es in Spanien beispielsweise tagelang kein anderes Thema als "El clásico" gibt, wenn Real und Barça aufeinander treffen - Kriege, Erdbeben und Wirtschaftskrisen hin oder her -, entgeht vielen Kolleginnen.

Ebenso ist die Aussage "Männer haben eine andere Art zu unterrichten" freilich sehr verallgemeinert. Aber meine Eindrücke aus der Praxis haben sie vielfach bestätigt. Zwar erhalten wir alle an der Universität und im Referendariat dasselbe methodisch-didaktische Rüstzeug, doch schon die Biologie verschafft manchen Männern Vorteile. Im Stimmbildungsseminar berichtete uns die Seminarleiterin, dass eine kräftigere Stimme von Beginn an eine andere Präsenz im Klassenzimmer verleiht. Vor allem Frauen hätten darauf zu achten, dass sich die Stimme bei emotionaler Erregung nicht überschlage. Auch meine Seminarlehrerin ist der Ansicht, dass im Regelfall eher Frauen mit Disziplinproblemen konfrontiert sind.

Wenn es darum geht, sich Respekt zu verschaffen oder Autorität auszustrahlen, veranschaulichen einfachste verhaltensbiologische Betrachtungen, dass es der höher gewachsene, lautere Lehrer im ersten Moment offenbar leichter hat. Dies bedeutet nicht, dass Lehrerinnen nicht mindestens genau so viel Autorität ausstrahlen können, aber sie müssen sich diesen Respekt oft härter erarbeiten.

Gemeinsam im Schulschiff

Warum dennoch immer weniger Männer Lehrer werden wollen, darüber ließen sich Doktorarbeiten schreiben. Ich denke, ob nun im Kindergarten oder in der Grund- und weiterführenden Schule, dass Heranwachsende im Idealfall nicht überall nur weiblichen Identifikationsfiguren begegnen sollten. Es ist vor allem für männliche Schüler gut, auch einmal einen männlichen Lehrer vor sich zu haben.

Am Ende wird es trotz der vielen großartigen Lehrerinnen auch Lehrer brauchen, um das Schulschiff langfristig auf Kurs zu halten. Oder um es noch einmal etwas überspitzt und frei nach Grönemeyer zu sagen: "Männer sind in diesem Job einfach unersetzlich."

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