Der Referendar über die Lehrprobe, Teil eins:Es geht ja nur um die Zukunft

Kolumne "Der Referendar"

Will sich nicht wahnsinnig machen lassen: Referendar Pascal Grün vor seiner Lehrprobe.

(Foto: SZ.de/Katharina Bitzl)

Vom packenden Unterrichtseinstieg bis zum Einsatz technischer Hilfsmittel: Referendar Pascal Grün muss bei der Lehrprobe sein ganzes didaktisches Können präsentieren. Zum Affen machen will er sich keinesfalls.

Kolumne "Der Referendar"

Pascal Grün ist 27 Jahre alt und unterrichtet als Referendar an einem bayerischen Gymnasium die Fächer Französisch und Spanisch. Auf SZ.de berichtet er regelmäßig über seine Erlebnisse als Referendar. Pascal Grün ist ein Pseudonym - zu seinem eigenen Schutz und zum Schutz der Personen, über die er schreibt. Ansonsten ist "Der Referendar" aber maximal offen und ehrlich.

Verschlafen schlürfe ich meinen English breakfast tea und blicke in den wolkenlosen Londoner Vormittagshimmel. Weihnachtsferien, welch ein Segen! Aufstehen um zehn statt um halb sechs - ein Traum! Aus Routine nehme ich das Smartphone zur Hand, checke meine E-Mails. Da reißt mich eine Nachricht meiner Seminarlehrerin aus der Entspannung: Lehrprobe in zwei Wochen, in meiner Spanisch-Q11 zum Thema "Jugendliche im Kontakt mit social media". Es wird also ernst.

Das Thema

Klingt schwammig, gibt aber einiges her. Das Thema ist nah dran an der Lebenswelt der Jugendlichen - ein Vorteil, denn ohne aktive Mitarbeit der Schüler kann ich gleich einpacken. Auf die rege Beteiligung meiner Q11 war aber von Beginn an Verlass. Wieso sollte sich das ändern, wenn es drauf ankommt?

Was die Themenvergabe betrifft: Die erfolgt nicht aufs Geratewohl, sondern richtet sich nach den Stoffverteilungsplänen, die wir Referendare unseren Seminarlehrern übermitteln mussten. Wir können den Schülern schließlich nicht beibringen, wonach uns gerade der Sinn steht.

Der Zeitpunkt

Zwei Wochen vor dem Termin erfährt jeder Referendar, wann er oder sie ran muss. Genug Zeit, um eine 45-minütige Unterrichtseinheit auf die Beine zu stellen, möchte man meinen. Ich bin froh, dass ich in meinen Klassen die Schulaufgaben samt Korrekturen bereits hinter mir habe, so dass ich mich auf meine "Showstunde" konzentrieren kann. Dass ich als einer der Ersten aus unserem Seminar geprüft werde, ist auch okay. Umso eher habe ich es hinter mir. Allerdings gibt es eine Menge zu erledigen, während der ganz normale Schulwahnsinn weiter läuft.

Das Konzept

Zuerst muss ich mich um eine pädagogische Analyse der Klassensituation kümmern, vom Leistungsniveau bis zu besonderen Gegebenheiten. Da in meiner Q11 zum Glück weder Mobbing noch ADHS oder Essstörungen ein Thema sind, sollte dieser Punkt rasch abgehandelt sein. Dann soll ich beschreiben, was ich in der Stunde überhaupt erreichen möchte und warum - Darlegung der Lernziele mit Verankerung im Lehrplan schimpft sich die Anforderung genau. Für mich wird die Hauptsache sein, dass meine Schüler reden, das ist im Fremdsprachenunterricht mit das Wichtigste.

Und noch so ein Bürokratenmonstrum: die methodisch-didaktische Planung der Unterrichtsstunde. Das heißt nichts anderes, als dass jeder Handgriff und jede Phrase minutiös geplant werden müssen. Ich grüble stundenlang, wann ich was erklären und welche Übung ich bearbeiten lassen will - und wann ich im Idealfall zwischendurch Luft hole. Nichts weniger erwartet jedenfalls das Prüfungsgremium, bestehend aus Direktor, beiden Seminarlehrern und dem Betreuungslehrer, von mir. Dabei war von den richtigen Problemen noch gar nicht die Rede.

Bloß nicht wahnsinnig machen lassen

Die Schwierigkeiten

In meiner Q11 habe ich normalerweise immer Doppelstunden, sprich 90 Minuten Zeit für meinen Unterricht. Die gemeine Lehrprobe aber währt nur 45 Minuten, das dürfte knifflig werden. Schreibarbeit dauert zu lange, Textarbeit ist zu fad. Ich brauche was Knackiges und Prägnantes.

Das geht schon mit dem Unterrichtseinstieg los, der Schüler und Prüfungskommission gleichermaßen begeistern soll. Ein "So, heute befassen wir uns mit ..." genügt nicht. Einfach nur lustig oder "shocking" zu sein ebenso wenig, ein gewisser pädagogischer Mehrwert muss erkennbar sein.

Dann wären da noch die variantenreichen Aufgaben- und Sozialformen. Idealerweise presse ich Einzelarbeit, Gruppenarbeit, Partnerarbeit, Stuhlkreis, Debatte, Rollenspiel und noch vieles mehr in die Prüfungszeit. Natürlich unter Verwendung möglichst vieler verschiedener Medien von Beamer über Whiteboard bis zum Poster. Das hat mit normalem Unterrichten wenig zu tun, muss in der Lehrprobe aber sein.

Jeder Schüler muss mindestens einmal drankommen. Ja, wirklich, auch das gehört zur Didaktik. Die Versuchung ist groß, in der Stresssituation die Schüler aufzurufen, die sich melden. Gebe ich dem stillen Schüler in der vorletzten Reihe den Vorzug, kostet mich das am Ende Zeit, die ich nicht habe. Trotzdem: Auch die Schwächeren sollen was sagen - wann, das plane ich bei der Vorbereitung gleich mit ein.

Die "runde Stunde": Wo ist mein roter Faden, der sich durch die gesamten Unterrichtsphasen zieht? Der am besten am Stundenende den Beginn erneut aufgreift und klarmacht: Die Lernziele wurden erreicht. Im Idealfall ertönt der Gong, wenn ich den letzten Buchstaben meines letzten Wortes ausgehaucht habe.

Der Einsatz

Meine Zukunft, drastisch ausgedrückt. Bei den aktuellen Einstellungschancen bedeutet eine mittelmäßige oder gar schlechte Note in der Lehrprobe nahezu das Aus - zumindest in Sachen Verbeamtung innerhalb Bayerns.

So wie man immer wieder von Kollegen/Panikmachern hört, bekommt man für eine Stunde, in der alles prima geklappt hat, eine 3. Bessere Zensuren grenzen schon an ein Wunder. Erst neulich erzählte mir eine Freundin von einer Grundschulreferendarin, die zu Zirkusmusik, im Dompteusenkostüm und mit einem Plüschaffen auf der Schulter die 45 Minuten hielt. Für diesen "Ganzkörpereinsatz" (für mich eher ein Akt der Selbsterniedrigung) gab es offenbar ein "sehr gut". Zum Affen werde ich mich trotzdem auf keinen Fall machen.

Die Lösung

Ich versuche, mich nicht wahnsinnig zu machen. Wie soll ich die Prüfer von meinen Fähigkeiten überzeugen, wenn ich die Hosen voll habe? Ich werde einfach so tun, als seien sie gar nicht da, als handele es sich um eine "ganz normale" Unterrichtsstunde.

Wobei das mit dem Ruhigbleiben von Tag zu Tag schwieriger wird, während regelmäßig Referendarskolleginnen und -kollegen im Lehrerzimmer ob des psychischen Drucks in Tränen ausbrechen. Wenigstens sind wir eine intakte Gruppe, trocknen gegenseitig Tränchen, sprechen einander Mut zu. Ellenbogenaktionen wären das Letzte, was wir gebrauchen könnten.

In zwei Wochen weiß ich Bescheid: ob auch mir jemand die Tränen trocknen muss oder ob ich triumphierend das Klassenzimmer verlassen kann.

Wie sich Pascal Grün in der Lehrprobe geschlagen hat, erfahren Sie in der nächsten Kolumne.

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