Schule:Warum hessische Schüler streiken

DIW warnt vor ´griechischen Verhältnissen" durch Senatspolitik

Blick in das Treppenhaus einer Berliner Grundschule

(Foto: picture alliance / Stefan Schaubitzer)
  • In Kassel streiken an diesem Montag viele Schüler, um gegen baufällige Schulgebäude zu protestieren.
  • Unterstützt werden sie dabei von der Gewerkschaft für Erziehung und Wissenschaft (GEW) und der Linkspartei.

Von Paul Munzinger

Versuche im Chemieunterricht? Das sei an ihrem Gymnasium nicht möglich, sagt Vanessa Diener. "Zu gefährlich." Die Gasleitungen seien nicht mehr sicher, die Naturwissenschaftsräume deshalb unbenutzbar, berichtet die 20-jährige Abiturientin aus Kassel. In den Kunstsälen könne man die Fenster nicht mehr öffnen, weil sie sonst herausfallen würden. Und an anderen Schulen in der hessischen Stadt sehe es noch schlimmer aus. Schränke fielen auseinander, offene Leitungen ragten aus den Wänden. An einer Schule habe es durch die Decke geregnet. "Normaler Unterricht ist unter solchen Bedingungen nicht möglich", sagt Diener.

In Kassel werden an diesem Montag deshalb viele Schüler nicht in die Schule gehen, sondern protestieren. Ein Bündnis aus Schülern und Jugendverbänden, unterstützt von der Gewerkschaft für Erziehung und Wissenschaft (GEW) und der Linkspartei, hat zum Schulstreik aufgerufen. Das Motto: "Mehr Geld für unsere Bildung - saniert unsere Schulen".

Diener erwartet, dass sich Hunderte Schüler anschließen werden, Jugendliche aus zehn Schulen wollten sich beteiligen, vier Schulen sogar komplett. Den Schülern, das hat das Schulamt bereits klargestellt, werde der Streik als unentschuldigtes Fehlen angerechnet.

Der Schulstreik in Kassel ist die zweite öffentlichkeitswirksame Aktion innerhalb kurzer Zeit, mit der auf den mangelhaften Zustand öffentlicher Schulen in Deutschland hingewiesen werden soll. Im November hatten Lehrer einer Oberschule in Berlin-Spandau protestiert, nach eigener Aussage stellvertretend für alle Schulen in der Hauptstadt. Nach einem Wasserschaden war in der Schule in den Herbstferien ein Teil der Decke eingestürzt. An anderen Berliner Schulen sind wegen Schimmelbefalls oder mangelnden Brandschutzes ganze Etagen unbenutzbar. Eine Studie der Kreditanstalt für Wiederaufbau kam letztes Jahr zu dem Schluss, dass für die Modernisierung von Schulgebäuden bundesweit etwa 34 Milliarden Euro fehlen.

In Kassel beläuft sich der Sanierungsstau auf 144 Millionen Euro, sagen die Organisatoren des Schulstreiks. Die Summe stamme aus einem Haushaltsbericht der Stadt. Bei der Stadt wiederum heißt es, man wisse nicht, woher diese Zahl komme.

Mehr als 100 Millionen Euro habe man seit 2008 in die Modernisierung von Schulgebäuden investiert, sagt ein Stadtsprecher, weitere 30 Millionen sollen im nächsten Jahr dazukommen.

Man wolle nicht ausschließen, dass es Sanierungsbedarf an manchen Schulen gebe, heißt es bei der Stadt weiter. Doch das desaströse Bild, das die Streikenden vermittelten, sei "überzeichnet". Vielmehr habe man den Eindruck, dass Schüler von politischen Gruppen instrumentalisiert würden. Ein "haltloser Vorwurf", sagt Diener, man sei immer offen damit umgegangen, dass die Linke das Bündnis unterstütze.

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