Bildungsministerin Johanna Wanka:Der Kanzlerin ähnlich

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Hat ihre neue Rolle in Berlin schnell gefunden: Bundesbildungsministerin Johanna Wanka.

(Foto: Getty Images)

Fragen zu ihrer Zukunft im Amt lächelt Johanna Wanka schweigend weg. Doch aus ihrem Umfeld heißt es: Die nachberufene Bildungsministerin will kein Übergangsnotnagel sein. Sie strebt nach einer vollen Amtszeit - als Krönung ihrer politischen Karriere.

Von Johann Osel

Den Staatssekretär wollte der Journalist am Telefon eigentlich sprechen, einen Beamten-Haudegen, der gut Auskunft geben könnte über die sperrigen Details des sperrigen Themas Hochschulautonomie. Also die Frage, was Rektoren entscheiden dürfen ohne behördliche Anweisungen. Johanna Wanka, damals Wissenschaftsministerin in Niedersachsen, bekam Wind von der Anfrage an ihren Stellvertreter und ließ sich durchstellen. "Das macht unsere Chefin schon gerne selber", ergänzte ihr Sprecher halb entschuldigend. Nachdem der Hauch von Pikiertheit in ihrer Stimme verschwand, weil nicht gleich sie angefragt wurde, legte sie los: ministeriale Rechtsaufsicht, Zielvereinbarungen, Liegenschaftsmanagement.

Als hätte sie das Landeshochschulgesetz just als Frühstückslektüre verinnerlicht. Fakten, gleichwohl mit plakativen Deutungen ergänzt, nicht jede Hochschule müsse "ihr eigenes Süppchen kochen", nicht jede "das Fahrrad neu erfinden"; und garniert mit einem wahren Lobpreis auf ihr Ministerium.

In dem Gespräch, gut 20 Minuten, zeigt sich mustergültig, was Wanka ausmacht: Eine Detailkenntnis, wie sie ungewöhnlich ist für eine Ressortchefin, Kollegen in anderen Ländern suchen in derlei Fällen oft unsicher den Beistand eines Referatsleiters. Sowie politischer Instinkt, eine Gelegenheit, die eigene Arbeit in bestem Lichte zu verkaufen, lässt sie ungern verstreichen.

Für Merkel ein Glücksfall

Seit Februar ist die 62-jährige Bundesministerin, Nachfolgerin von Annette Schavan, die über ihre Doktorarbeit stolperte. Wankas schwarz-gelbe Regierung in Hannover war da gerade abgewählt, für Kanzlerin Angela Merkel ein Glücksfall: eine gestandene Wissenschaftspolitikerin gerade ohne Posten, dafür mit CDU-Parteibuch.

Klar geäußert, ob sie nach der Wahl weitermacht, hat sich Wanka nicht, Fragen dazu lächelt sie charmant weg. Nach der Expertise einer Zeit-Reporterin lächelt sie die Frage sogar "kokett" weg. Im Umfeld des Ministeriums aber heißt es: Sie wolle nicht nur der Übergangsnotnagel für ein paar Monate sein. Eine volle Amtszeit wäre die Krönung einer politischen Karriere, die meist in der zweiten Reihe stattfand.

Zwar hat Wanka als Ministerin seit 2010 in Niedersachsen und zuvor fast zehn Jahre in Brandenburg die Hochschulszene geprägt. Es gibt kaum ein Gremium, in dem sie nicht schon saß: etwa im Senat der Hochschulrektorenkonferenz und der Leibniz-Gemeinschaft, in der Kultusministerkonferenz, in zahlreichen Stiftungen, im Wissenschaftsrat. Solide fachliche Arbeit, nichts aber zum Glänzen. Keine große Bühne.

In der Fachwelt wird sie geschätzt - weil sie fachlich gut ist, auch weil sie sich nie in ihren Ministerien verschanzt hat: Wanka war als Landesministerin ständig an Hochschulen unterwegs, hatte selten Geld zu verteilen, aber ein offenes Ohr. Beobachter nennen ihre Arbeit "penibel", und wenn jemand nicht penibel arbeite, könne sie auch harsch werden. Dafür wisse man stets, woran man bei ihr sei.

Mit dem Amt im Bund kam ein Bekanntheitsschub. Nach ihrer Berufung gingen Boulevardreporter prompt in ihrer sächsischen Heimat auf Spurensuche, was sie irritiert haben soll. Andererseits gab sie der Bild am Sonntag bald darauf ein Interview, für das sie sich in gewagtem Kleid und als Chemikerin vor rauchenden Reagenzgläsern ablichten ließ. Und Privates preisgab, etwa über ihre Schulzeit: "Geräteturnen, Kopfstand, 3000-Meter-Läufe waren nicht so mein Ding." Zugleich äußerte sie sich da erstmals eindeutig zur Schulpolitik, beschwor den Leistungsgedanken und verteufelte, mal spitz formuliert, jegliche Kuschelpädagogik. Sie hat ihre neue Rolle in Berlin schnell gefunden.

Geübt in politischen Schlachten

Dabei musste sich Wanka anfangs bitten lassen, in die Politik zu gehen, wenngleich sie schon in der DDR-Bürgerrechtsbewegung tätig war. In den Achtzigerjahren war sie Mathematikerin an der Hochschule Merseburg, nach der Wende wurde sie Professorin, 1994 Rektorin. Im selben Jahr lehnte sie eine Offerte der SPD für ein Ministeramt in Sachsen-Anhalt ab. 1998 gehörte sie dann dem CDU-Schattenkabinett in Magdeburg an. Zwei Jahre später wurde sie Ministerin einer großen Koalition in Brandenburg - auf Empfehlung der SPD aus Sachsen-Anhalt und zunächst parteilos, dann trat sie in die Partei ein. Bei der CDU aber.

Spätestens als Landeschefin der Partei nach dem rot-roten Wahlsieg 2009 lernte die Hochschulexpertin, politische Schlachten zu schlagen. Christian Wulff holte sie dann nach Hannover ins Kabinett.

Schlachten schlagen, das ist jetzt gefragt im Wahlkampf. Es geht um das Kooperationsverbot. Der Bund soll Hochschulen direkt finanzieren, die Vorlage hatte noch Annette Schavan erstellt. Nicht aber auch die Schulen, wie die SPD es fordert. Da Zweidrittelmehrheiten in Bundestag und Bundesrat nötig sind, konnte Wanka das Projekt nicht vollenden. Kürzlich warf sie Rot-Grün eine "Blockadepolitik" vor, zum Schaden der gesamten Wissenschaft. Klingt kämpferisch.

Dabei ist sie nicht mehr die ultrastramme Föderalistin, die sie mal war. Bei Verhandlungen zum Hochschulpakt, den Bund und Länder gemeinsam finanzieren, rang sie den Ländern im April die Zusage ab, das Geld transparenter auszugeben. Intern soll sie gesagt haben, sie lasse sich "nicht über den Tisch ziehen". Der Landesministerin Wanka wäre eine solche Ansage sauer aufgestoßen. Nun hat sie aber neue Verantwortung, zugleich kennt sie ja alle Tricks der Länder.

Die Lage beim Kooperationsverbot ist verworren - doch eine Lösung muss her, das wissen beide Lager. Wanka ist nicht die Frau für den ganz großen Dialog, keine, die Positionen schnell aufgibt. Die Studiengebühren, die zur Abwahl ihrer Koalition in Hannover beitrugen, verteidigt sie noch heute. Mit Prinzipientreue, auch mit etwas Sturheit. Sie ist aber Pragmatikerin, mit einer naturwissenschaftlichen Rationalität, der Kanzlerin ähnlich.

Eine neue Amtszeit böte ihr die Chance, mit einem Kompromiss ein kleines Kapitel wissenschaftspolitische Historie zu besetzen. Das wäre auch persönlich ganz nach ihrem Geschmack.

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