Wohnungsnot in Uni-Städten:Studenten in die Kasernen

Es gibt so viele Studenten wie nie in Deutschland. Doch neben einem Platz im Hörsaal brauchen sie auch eine Unterkunft - und Studentenbuden sind rar. Bundesbauminister Ramsauer allerdings hat eine Idee.

Johann Osel

Schwatzhaftigkeit und Neugier wird ihr gerne nachgesagt, Prüderie und Ordnungsliebe - der Zimmerwirtin. Generationen von Studenten haben sich einst bei ältlichen Damen einquartiert, mit allerlei Nachteilen. "Oh, Du himmlisch gemütliche Wohnstatt, für achtzig D-Mark im Monat. Alles inklusive, außer der Liebe", sang der Liedermacher Reinhard Mey vor 40 Jahren: "Denn Damenbesuch ist bei mir nicht drin, hier bestimmt eine keusche Vermieterin."

Studieren in Niedersachsen

Nicht nur die Hörsäle an den Hochschulen sind überfüllt - viele Studierende finden auch keine Bude.

(Foto: dpa)

Wohnte in den Fünfzigerjahren noch die Mehrheit der Studenten zur Untermiete, sind es heute nur noch zwei Prozent. Mancher Wohnungssuchende nähme eine bärbeißige Wirtin aber wohl gerne in Kauf: Mit 2,5 Millionen gibt es so viele Studenten wie nie. Und die brauchen neben einem Platz im Hörsaal auch ein Dach über dem Kopf. Doch nach Schätzungen des Bundesbauministeriums fehlen deutschlandweit mindestens 70.000 Studentenbuden.

Deshalb hat Bauminister Peter Ramsauer am Dienstag bei einem runden Tisch mit Behörden, Studentenwerken und Wohnungsanbietern Wege aus der Misere gesucht. Zwar sei das Problem Ländersache. "Wenn so ein Defizit aber entstanden ist, sollte man nicht nur auf formale Zuständigkeiten deuten." Es geht dabei längst nicht nur um Zentren mit ohnehin angespannten Mietmärkten wie München, auch um klassische Universitätsstädte wie Münster oder Heidelberg.

Die Studentenwerke würden gerne 25.000 Wohnheimzimmer zusätzlich anbieten und fordern ein Bund-Länder-Programm wie in den Neunzigerjahren. Darauf ging Ramsauer kaum ein. Studenten in Kasernen - das ist dafür die neueste Idee. "Das hat nichts damit zu tun, dass wir Studenten kasernieren wollen", so Ramsauer. Wenn es aber schon leere Kasernen gebe, "warum soll man das nicht nutzen?"

Jürgen Gehb, Chef der Bundesanstalt für Immobilienaufgaben und mithin Herr über 31 Kasernen, die nach der Wehrreform leer stehen, sagte: Ziel müsse sein, die Gebäude "einer zivilen Nachnutzung zuzuführen". Ein Teilnehmer soll sogar vorgeschlagen haben, über Flüsse Hotelschiffe in die Städte zu bugsieren.

Ergebnisse brachte das Treffen nicht, den Umbau von Kasernen will Ramsauer nun bis zum Frühjahr prüfen. Der studentische Dachverband fzs mahnte zur Eile: "Warme Wohnungen statt warmer Worte." Ein Viertel der Studenten lebt bei den Eltern, ebenso viele in WGs, ein Zehntel in Wohnheimen, der Rest einzeln oder mit Partner (hier hat sich offenbar das Anspruchsdenken geändert). Oder auch: nirgends. Die Matratze bei Freunden ist selbst Wochen nach Semesterbeginn teils noch willkommene Schlafstatt.

Angesichts der Not könnte gar das Modell Zimmerwirtin wieder beliebt werden. Einige Kommunen hatten zuletzt Briefe an die Bürger verfasst: Ob nicht irgendwo eine Kammer frei sei, studentische Schlafgäste könnten im Haushalt helfen. Angeblich gab es große Resonanz. Und an ein moralinsaures Haus wie im Falle Reinhard Meys muss man nicht geraten. Bereits im 19. Jahrhundert waren Studenten, ausweislich deftiger Lieder, oft hinter dem Rock der "filia hospitalis" her, der Tochter des Vermieters. In einem Werk heißt es mit Blick auf deren Reize: "Fand Sofa nicht, noch Stiefelknecht, und doch war mir die Bude recht."

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