Unmut in der Hochschulrektorenkonferenz:Rektoren proben den Aufstand

"Ein Bachelor in Physik ist nie im Leben ein Physiker": Horst Hippler, Präsident der Hochschulchefs, hat mit forschen Aussagen zur Bologna-Studienreform und seinem ruppigen Stil Kollegen verärgert. Hippler hat "Mut zur Polarisierung", so viel ist sicher - doch nun könnte der große Knall kommen.

Johann Osel

Die Plakate liegen irgendwo im Keller, die Konzerte der Trillerpfeifen sind längst verstummt und mit dem Wort Hörsaalbesetzungen können heutige Erstsemester wohl wenig anfangen. Seit den Studentenprotesten 2009 war es ruhiger geworden um die Bologna-Reform, die Umstellung auf die Abschlüsse Bachelor und Master. Verbesserungen gab es ja in der Folge, etwa wurden die überfrachteten Stundenpläne und Prüfungsordnungen des Sechs-Semester-Studiums entschlackt.

Bildungsstreik

Protest-Camp von Münchner Studenten im Sommer 2009: Die Debatte um die Bologna-Reform hatte sich seitdem gelegt, nun ist sie wieder entbrannt.

(Foto: Lukas Barth/dpa)

Liebeserklärungen an das System finden sich vor allem bei älteren Studenten selten - aber der ganz große Frust ist verpufft, man versucht das Beste daraus zu machen. Und die Rektoren der Hochschulen? Sie sind zufrieden, stehen sie doch nicht mehr im Fokus der Kritik - und es wurde beinahe vergessen, dass auch sie die anfänglichen massiven Defizite bei der Umsetzung der Reform verschuldet hatten. Der Bologna-Trubel hatte sich gelegt. Bis zum August dieses Jahres.

Es war ein Paukenschlag, als Horst Hippler, im April zum neuen Präsidenten der Hochschulrektorenkonferenz (HRK) gewählt, wenige Monate nach Amtsantritt im Interview mit der Süddeutschen Zeitung zur Generalkritik ansetzte. Die Wirtschaft benötige Persönlichkeiten - und solche könnten die Universitäten im Bachelor kaum formen. "Ein Bachelor in Physik ist nie im Leben ein Physiker." Hipplers Äußerungen seien nicht abgestimmt, versicherten sogleich viele Rektoren.

Allerdings hatte der 66-jährige Naturwissenschaftler bereits zuvor angekündigt, er habe "den Mut zur Polarisierung" und "genug von der Konsenssoße". Das war auch ein Affront gegen seine Vorgängerin Margret Wintermantel, die stets versucht hatte, den vielstimmigen Chor der HRK mit ihren fast 300 Mitgliedshochschulen zu dirigieren. Intern ließ sie streiten, nach außen war sie auf Einigkeit bedacht. Am Dienstag treffen sich nun die Chefs der Hochschulen zum Plenum in Göttingen. Und Beobachter der Szene erwarten Gegenwind für den forschen Präsidenten, vielleicht einen großen Knall - oder gar einen Putsch?

Knapp war die Wahl des bisherigen Rektors des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT), einem milliardenschweren Forschungstanker. So hatte Hippler im April nicht die Mehrheit der Hochschulen hinter sich - aber die meisten Stimmen, da in der HRK eine Gewichtung nach der Größe der Standorte stattfindet. Mancher Rektor, der ihn wählte, hoffte, dass der Glanz von Karlsruhe auf alle abfärbt; andere wünschten sich einen starken Mann, einen, der den Mund aufmacht gegenüber der Politik, wenn es um Geld und mehr Kompetenzen für die Hochschulen geht. Schließlich definiert sich die HRK als "Stimme der Hochschulen", deren Oberhaupt die Sorgen und Nöte öffentlich vertreten soll.

Aufruhr, aber keine Revolution

Doch spätestens seit der Bachelor-Schelte brodelt es. "Hippler hat nur die Warte der forschungsstarken technischen Hochschulen im Blick - weil dort ein Bachelor für die Ingenieurskarriere nicht ausreicht, redet er die Erfolge bei Bologna für alle anderen Fächer und Hochschulen kaputt", grummelt ein Rektor aus dem Norden. "Er ist ein Solitär und nicht die Stimme der Hochschulen." Mit den zunehmend wichtiger werdenden Fachhochschulen (FH) hat es sich Hippler ohnehin verscherzt; er lässt keine Gelegenheit aus, sie als mediokre Lehranstalten für reine Berufsausbildungen zu bezeichnen, Welten entfernt von den Unis.

So stellte er auch bei der Bologna-Kritik klar, dass der kürzere Bachelor-Abschluss, dem er so wenig zutraut, allenfalls für die Fachhochschulen geeignet sei. In einem geharnischten offenen Brief rügte die Landesrektorenkonferenz der FHs in Nordrhein-Westfalen Hipplers Politik kürzlich als "nicht akzeptabel". Wörtlich heißt es: "Ihre Beurteilung verkennt die Realität, entwertet die Arbeit der deutschen Hochschulen und verunsichert in unverantwortlicher Weise Studierende wie Arbeitgeber. Damit haben Sie die Konsenslinie verlassen, die bislang innerhalb der HRK eingehalten wurde." Durch seine "inakzeptablen Pauschalisierungen" schade Hippler sogar "dem Ansehen der deutschen Hochschulen und ihrer Absolventen".

Auf der Vollversammlung der Rektoren in Göttingen wird es laut Tagesordnung auch um das Thema Bologna gehen. In Wirklichkeit geht es um das Thema Hippler. Die Deutsche Universitätszeitung zitiert den Chef einer großen ostdeutschen Universität, der die Präsidentenwahl "im Nachhinein für einen großen Fehler" hält: Käme es auf der Mitgliederversammlung zu einer Abwahlinitiative, "dann wäre ich sofort dabei". Ein ehemaliger Uni-Chef, dessen Wort bis heute überregional Gewicht hat, sagte der SZ: "Hipplers Diagnose ist legitim, sie ist ein Warnschuss, dass vieles bei der Durchführung der Bologna-Reform nicht schöngeredet werden sollte. Durch seinen Alleingang hat er sich aber ein Problem eingehandelt, er muss aufpassen, dass ihm der Laden nicht um die Ohren fliegt."

Eine Gegenmehrheit sei aber unwahrscheinlich: "Solange die größeren Schlachtrösser, die in seiner Liga spielen, zu ihm stehen, wird er kein Problem bekommen." Tatsächlich findet man bei großen Universitäten nach wie vor viele positive Stimmen zu Hippler, man hatte sich schließlich einen knalligen Chef-Lobbyisten gewünscht. Und vor allem die Technik-Hochschulen, die etwa gerne den alten Titel des Diplom-Ingenieurs als Zusatz zum neuen Masterabschluss zurück hätten, sehen den neuen Ober-Rektor als "wahren Glücksfall", wie es in Kreisen heißt.

Als Stimmungstest in Göttingen gilt die Wahl dreier neuer HRK-Vize-Präsidenten. Hippler wird ein Personaltableau vorschlagen. Darunter befinden sich ein Vertreter der Technischen Universitäten, also aus seinem Lager, sowie eine Rektorin, die sich als durchsetzungsstarke Hochschulmanagerin profiliert hat. Gut möglich, dass da letztlich über Hippler abgestimmt wird und "Rechnungen aufgemacht werden", meint ein verstimmter Rektor aus dem Süden. "Andererseits gibt es Kollegialität gegenüber den Kandidierenden, auch wenn sie vom Präsidenten vorgeschlagen sind."

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