Neue Lehrmethoden:"Wer wird Millionär?" im Hörsaal

Vorlesung als Quizshow: Professoren der Uni Oldenburg lassen die Studenten im Hörsaal Fragen mit kleinen Fernbedienungen beantworten. Das soll die Lehre verbessern und für mehr Aufmerksamkeit sorgen. Doch dieses Konzept hat auch Nachteile.

Achim Kittel macht heute mal wieder auf Günther Jauch. Der Oldenburger Physik-Professor bombardiert seine Studenten mit Fragen. Ratlos blicken einige von ihnen zu ihren Kommilitonen. Zeit für den Publikumsjoker. Die Studenten greifen zu roten Fernbedienungen, die auf den Tischen vor ihnen liegen. Damit wählen sie die ihrer Meinung nach richtige Antwort aus. Ein Diagramm zeigt später, wofür sich die meisten entschieden haben.

Clicker im Uni-Hörsaal

An der Carl-von Ossietzky-Universität in Oldenburg beantworten die Studenten per Clicker Fragen des Dozenten.

(Foto: dpa)

Das Prinzip erinnert tatsächlich an die Saalfrage bei "Wer wird Millionär?". Clicker heißen die kleinen handyähnlichen Geräte, die die Universität seit einigen Wochen in den Hörsälen einsetzt. Sie machen die Vorlesung quasi zur Quizshow. Vorbei die Zeiten, als nur der Professor redete, und die Studenten seinen Ausführungen stumm folgten. Jetzt gilt: Der Prof stellt Fragen, die Studenten antworten - und zwar anonym dank der Clicker. Das ist ganz wichtig.

"Wenn da mehrere hundert Leute sitzen, traut keiner sich zu melden, besonders in den ersten Semestern", erläutert Axel Hahn. Der Professor für Wirtschaftsinformatik hat die Fernbedienungen an der Uni eingeführt. Sie sollen helfen, die Lehre zu verbessern, weil die Dozenten dadurch sehen können, ob die Studenten mitkommen und welcher Stoff noch mal vertieft werden muss.

Und sie haben noch einen weiteren Effekt: "Man passt besser auf - vor allem genauer", meint Wiebke Koch, die Mathe und Physik auf Lehramt studiert. Denn die Fragen haben es zum Teil in sich. Wie ist das Verhältnis der Zentripetalkräfte von zwei Satelliten, die in verschiedenen Abständen die Erde umkreisen, will Physik-Dozent Kittel wissen. Mehrere Antwortmöglichkeiten stehen zur Auswahl. Lehramtsstudent Daniel Rehkamp rechnet kurz nach und tippt dann auf B. Mit der Tastatur des Clickers bewegt er den Cursor an die richtige Stelle und drückt auf Senden. Wenig später wirft Kittel das Ergebnis mit Power-Point an die Wand: 58 Prozent der Studenten haben wie Rehkamp entschieden. Kittel erklärt, wieso die Antwort richtig ist. Danach geht es weiter zur nächsten Frage.

In Mathe, Informatik, Geschichte und den Naturwissenschaften arbeiten die Oldenburger Dozenten inzwischen mit den Clickern. Die anderen Fächer sollen nach und nach folgen. Zeitgleich führen auch die Unis in Göttingen und Clausthal-Zellerfeld, die sich mit Oldenburg über ein Netzwerk der niedersächsischen Hochschulen zum E-Learning koordinieren, die Geräte ein.

Andere Unis in Deutschland arbeiten nach Angaben des Herstellers Infowhyse ebenfalls mit den Clickern, meist aber nur in bestimmten Vorlesungen oder an einzelnen Instituten und nicht flächendeckend wie in Oldenburg. Kai-Uwe Schnapp, der in Hamburg Methoden der Politikwissenschaft lehrt, setzt die kleinen Fernbedienungen jetzt im dritten Semester ein - und ist überzeugt davon. "Bei hunderten Studenten gibt es keine andere Möglichkeit der Rückmeldung, und es lockert die Vorlesung auf." Doch nicht jeder an der Fakultät für Wirtschafts- und Sozialwissenschaften sei begeistert. "Meine Kollegen in der Politischen Theorie betrachten das eher als Teufelszeug", sagt Schnapp.

Das Allheilmittel für jede Vorlesung sind die Clicker wohl nicht. Das zeigt sich auch in Kittels Vorlesung. Immer, wenn die Studenten eine Frage mit dem Gerät beantworten sollen, entstehen minutenlange Pausen. Dann geht es zu wie in jedem anderen Hörsaal: Die Studenten schreiben SMS, spielen mit ihren Smartphones oder kritzeln auf dem Block herum. "Es dauert einfach sehr lange", findet der 20-jährige Rehkamp. Doch das ist alle mal besser als seine Mathe-Vorlesung. "Der Prof schreibt die ganze Zeit die Tafel voll, und keiner kommt mit." Ein bisschen von beidem wäre ideal.

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