Missstände auf dem Campus:Der Mief von Massachusetts

Hochschule Universität Massachusetts Institute of Technology Schweissgeruch

"Duschen ist überschätzt" schrieb ein Leser in einem Internetforum über die olfaktorischen Missstände am MIT.

(Foto: iStockphoto)

Schweißgestank in der Bibliothek, der Geruch "verwesender Kadaver" auf dem Uni-Gelände: Die Studenten einer renommierten US-Universität nehmen es mit der Körperhygiene scheinbar nicht so genau.

Von Johann Osel

Eigentlich war sie ja nur gut gemeint, die Sache mit den putzigen Bibern. Weil Studenten gerade in Zeiten eines Prüfungsmarathons nur noch Bücher im Kopf haben und dabei ihre persönlichen Bedürfnisse ganz vergessen könnten, sah sich das studentische Servicezentrum am Massachusetts Institute of Technology (MIT) in der Pflicht. "Wann hast du zum letzten Mal geschlafen, geduscht, Klamotten gewechselt und gegessen?" wollen Schilder auf dem Campus neuerdings von den Hochschülern wissen - illustriert mit Bildchen besagter Nagetiere, im Schlummer, bei der Körperpflege, beim Hemdenwechseln und mit einem Maiskolben zwischen den Zähnen. Und als wäre die Bildsprache nicht deutlich genug, steht unten noch der schriftliche Aufruf: "Erfrische dich selbst mit einer Dusche und sauberen Klamotten!"

Ein Foto davon kursiert nun in diversen Internet-Foren - und heizt eine Debatte unter Studenten des MIT und auch anderer US-Hochschulen an. Man fühle sich ja wie an einer Grundschule, geradezu "entmutigend" sei solche Bevormundung, heißt es auf der einen Seite. Andere dagegen witterten prompt eine Chance, die studentische Reinlichkeit endlich offen zu thematisieren, und zwar mit knalligen Kommentaren, die sich gewaschen haben - anders als offenbar ganze Heerscharen von Kommilitonen in Massachusetts.

"Nerd-Körpergeruch gerät außer Kontrolle"

Es handelt sich bei der Ursache des Waschaufrufs um den süßen (oder genauer gesagt: süßlichen) Duft des Erfolg, könnte man nun meinen. Denn das MIT vor den Toren Bostons ist nicht irgendeine beliebige Hochschule. Es gehört zu den besten Universitäten in den USA, gilt als weltweit führende Stätten der technologischen Forschung und Lehre, das Internet wurde dort (in Zusammenarbeit mit dem US-Verteidigungsministerium) erfunden. Und all die Genies, Tüftler und Computerfreaks verströmen den Kommentaren zufolge eben nicht nur ihren Ideenreichtum über den Campus, sondern auch Schweißgeruch. Ein Hygienekritiker sieht den Leseraum einer MIT-Bibliothek als den am schlimmsten stinkenden Ort der Welt, ein anderer fühlt sich gar an "verwesende Kadaver" erinnert.

Natürlich finden sich auch Verteidiger der olfaktorischen Hochschule, wobei strittig ist, inwiefern hier Scherzbolde am Werk sind. Einer kann etwa die Aufregung nicht nachvollziehen, schließlich dusche er bereits einmal pro Woche. Ein weiterer User schreibt: "Duschen ist überschätzt."

Ganz neu ist das Problem an der Hochschule freilich nicht. "Nerd-Körpergeruch gerät am MIT außer Kontrolle", titelte bereits vor zwei Jahren ein Online-Magazin. Damals hatte man mit Hilfe von Sponsoren während der Prüfungszeiten Pröbchen mit Seife, Deodorant und Mundwasser auf dem Campus verteilt. Der Sender CNN hatte die Aktion gefilmt und auf Nachfrage bei einem Studenten, wie denn künftig mit der Malaise umzugehen sei, Erstaunliches erwidert bekommen - eine hurtig angefertigte Zeichnung, wo im menschlichen Gehirn Gerüche beziehungsweise angeblicher Gestank registriert werden. Anstelle einer Reinlichkeitsoffensive wird da wohl an einer neuen Methode gebastelt, den Brodem als Wohlgeruch wahrzunehmen.

Faulende Äpfel in Schillers Schreibtisch

Vielleicht fußt das Problem aber letztlich auf einer tieferen Logik, und die Kombination Genie und Gestank ist unabdingbar für den Erfolg des Massachusetts Institute of Technology. Von Friedrich Schiller ist schließlich bekannt, dass in der Schreibtischschublade seiner Studierstube stets eine Hand voll vergammelter Äpfel lag - weil er den fauligen Geruch so liebte und zur Inspiration benötigte. Dichterfürstenkollege Goethe soll einmal bei einem Besuch, als er in dem Raum auf Schiller wartete, zwar nahezu in Ohnmacht gefallen sein; doch wären Tausende brillante Verse in reiner Luft womöglich nie dem großen Geist entsprungen.

Der Mief von Massachusetts schadet also wohl gar nicht - und immerhin finden sich Dutzende Nobelpreisträger, Erfinder und Konzernbosse in der Absolventenliste des MIT. Sie sind berühmt geworden, oft sogar reich. Um nicht zu sagen: stinkreich.

Anmerkung der Redaktion: In einer vorherigen Version dieses Artikels war die Episode zwischen Schiller und Goethe mit einer falschen Jahreszahl datiert. Wir bitten dies zu entschuldigen.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: