Zwei Jahre Rauchverbot in Bayern:Spiel mir das Lied vom Tod

Der Raucher trifft seinesgleichen draußen vor der Tür und signalisiert augenzwinkernd Solidarität, weil er weiß: Wir sind die Bösen, die Outcasts, die mit der Killermaschine zwischen den Lippen, die Gewissenlosen. Dieses Privileg schweißt zusammen.

Karl Forster

Gut, Leipzig hat seine Reize. Aber hätte man je gedacht, dass einem die Stadt, deren beste Disco in einem ehemaligen Gefängnis zu Hause ist, wie ein Paradies erscheint? "Wollen Sie ein Raucherzimmer?" Wie bitte? Was ist das? Ein Hotelzimmer, in dem man rauchen darf? Bilder aus längst vergangenen Tagen tauchen auf, als man nicht, wie in den meisten bayerischen Hotels, die letzte Zigarette heimlich aus dem Fensterschlitz hinausrauchen musste, sondern sie mit einem Glas Rotwein aus der Minibar genoss. "Ja, bitte, gerne: Raucherzimmer." Leipzig ist herrlich.

Rauchverbot in Bayern

Eine eingeschworene Gemeinschaft: die Raucher vor der Tür.

(Foto: Catherina Hess)

Herrlich ist es auch im Café des Museums Ludwig in Köln, wo sie eine nur durch Pflanzen abgegrenzte Raucherecke haben, herrlich ist es in Wien und dem Rest Österreichs, wo jedes anständige Beisl einen Raucherraum anbietet. Aber schön ist es ja auch in München und seiner weiß-blauen Umgebung, wo der Raucher seinesgleichen draußen vor der Tür trifft, augenzwinkernd Solidarität signalisiert, weil er weiß: Ja, wir sind die Bösen, die Outcasts, die mit der Killermaschine zwischen den Lippen, die Gewissenlosen. Spiel mir das Lied vom Tod. Raucher sterben früher. Dieses Privileg schweißt uns zusammen, egal, ob's regnet, hagelt oder schneit.

Neulich auf dem Tollwood-Festival gab es einen Gastrostand mit einem gegrillten Spanferkel als Attraktion. Der Angriff auf die arme Sau kam plötzlich, aus dem Nichts, besser gesagt: aus der Veganer-Ecke. Schlachtfeld: Facebook, das ach so soziale Medium. Dort tobten die Feinde jeglichen Fleischlichen mit flammenden Worten gegen den, wie sie schrieben, unzumutbaren Anblick eines toten Tieres auf dem Festival. Ja, geht's noch? Dann sollen sie halt wegschauen. Muss ja keiner essen, was er nicht mag. Aber es ist auch dies Symptom einer grassierenden Seuche mit dem Namen "Totalbevormundung".

Reicht es nicht, Raucher und Nichtraucher dahin gehend ernst zu nehmen, als man ihnen zutraut, dass sie sich gegenseitig ernst nehmen wie andernorts auch? Brauchen wir kalifornische Verhältnisse, wo, je nach County, das Rauchen an der roten Ampel bei offenem Autofenster verboten ist? Längst hat doch der Raucher gelernt, dass es sich besser speist in einem rauchfreien Gastraum, vorausgesetzt, der Koch taugt was.

Stattdessen aber mussten reihenweise die kleinen Eckkneipen am Totalitarismus der bayerischen Nichtraucherfraktion verrecken. Darauf eine Zigarette. Draußen, vor der Tür.

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