Zuwanderung im Landtag:Eine Debatte ohne den Verursacher

Der Bayeriche Landtag hat über Horst Seehofers Äußerungen zur Zuwanderung gestritten - doch der Regierungschef war da bereits auf dem Weg nach Berlin.

Katja Auer

SPD und Grüne haben Ministerpräsident Horst Seehofer wegen seiner Forderung nach einem Zuwanderungsstopp für Fachkräfte aus der Türkei und den arabischen Staaten am Donnerstag im Landtag heftig attackiert. Auch vom Koalitionspartner FDP und sogar aus den eigenen Reihen kam deutliche Kritik. Mit seinen Äußerungen hatte der CSU-Chef am Wochenende eine bundesweite Debatte ausgelöst, die seitdem höchst emotional geführt wird.

Plenarsitzung im bayerischen Landtag

Die Intergrationsdebatte hat den bayerischen Landtag erreicht: Am Donnerstag wurde über Seehofers Thesen diskutiert.

(Foto: dapd)

SPD-Fraktionschef Markus Rinderspacher nannte Seehofers Einlassungen einen "stinkenden Heißluftballon aus Ingolstadt". Der Regierungschef sei eine Spielernatur, die zuerst teste, wie solche Bemerkungen ankämen und dann gegebenenfalls nachjustiere. Seehofer hatte bereits geklagt, dass er falsch verstanden worden sei und keinen Einwanderungsstopp verlangt habe. Ihm gehe es lediglich darum, die einheimischen Arbeitslosen zu qualifizieren statt Ausländer ins Land zu holen.

CSU-Fraktionschef Georg Schmid verteidigte Seehofer im Plenum. "Wer einfach nach Zuwanderung ruft, macht es sich zu leicht." Es sei doch "ein völliger Irrsinn", nicht zunächst diejenigen zu fördern, die bereits da seien. Innenminister Joachim Herrmann lobte gar die Qualitäten des türkischstämmigen Mesut Özil als Spieler in der deutschen Fußballnationalmannschaft. "Jemand, der tolle Fähigkeiten einbringt in unsere Gesellschaft, der bekommt in diesem Land alle Chancen." Es gebe aber auch Tausende, die diese Chance nicht wahrnähmen.

Seehofer selbst war bei der Debatte nicht anwesend, er war bereits auf dem Weg nach Berlin zum Vermittlungsausschuss. Sehr zum Ärger von Grünen-Fraktionschefin Margarete Bause. "Sein Platz wäre heute hier und nirgendwo anders", sagte sie und verlangte eine Entschuldigung von Seehofer. Seine Äußerungen "sind von der Sache her vollkommen falsch, sie sind von der Intention her unanständig, und sie sind, was ihre Wirkung angeht, verletzend auf der einen Seite und verhetzend auf der anderen Seite".

Debatte wie in einem Hühnerstall

Wie die SPD forderten auch die Grünen in einem Dringlichkeitsantrag, der Landtag möge sich von Seehofers Äußerungen distanzieren. "Hören Sie auf mit dieser rechtspopulistischen Stimmungsmache", sagte Bause. Die Mehrheitsfraktionen lehnten die Anträge allerdings ab - wenn auch ohne allzugroße Beteiligung der FDP. Stattdessen hatten CSU und FDP ein eigenes, höchst allgemein gehaltenes Papier formuliert, in dem gefordert wird, vorrangig das "Potential von Fachkräften innerhalb der EU" zu nutzen.

Hubert Aiwanger, der Chef der Freien Wähler, kritisierte die parteipolitische Auseinandersetzung. "Es geht zu bei dieser Debatte wie in einem Hühnerstall, wenn der Fuchs reinkommt", sagte Aiwanger. Er vermute, dass Seehofer eine unüberlegte Äußerung getan habe. Mit dieser Einschätzung stand er allerdings allein, hatte sich Seehofer doch in einem gedruckten Interview geäußert. Aiwanger empfahl, bei der Integration im frühkindlichen Bereich anzusetzen. Da, wo "das Türkenkind" im Sandkasten mit deutschen Kindern spiele, brauche es keine ideologischen Auseinandersetzungen.

Die FDP-Sozialexpertin Brigitte Meyer sprach sich dafür aus, ein "Zuwanderungsrecht zu entwickeln, das unsere nationalen Interessen berücksichtigt". Bayern sei ein Einwanderungsland, sagte sie und widersprach so der vorherrschenden CSU-Meinung. Längst nicht alle Liberalen formulierten das so diplomatisch wie die Vorsitzende des Sozialausschusses. "Dass wir keine Zuwanderung aus anderen Kulturkreisen brauchen, diese Forderung lehnen wir ab", sagte Franz-Xaver Kirschner. "Wer soll denn unser Sozialsystem aufrechterhalten?" Und FDP-Generalsekretärin Miriam Gruß warf in einer Erklärung parallel zur Landtagsdebatte der CSU "Stammtischparolen" vor.

In der bayerischen Koalition hat die Integrationsdebatte zu Spannungen geführt, viele Liberale sind höchst pikiert, aber auch in der eigenen Partei sind die Einlassungen des CSU-Chefs nicht unumstritten. So meldete sich am Donnerstag der frühere CSU-Fraktionschef Alois Glück zu Wort, der Präsident des Zentralkomitees der deutschen Katholiken ist. Er nannte die Debatte "ein Desaster", die doppelt schädlich wirke: Zuwanderer und Muslime, die sich integrieren wollen oder schon integriert sind, würden mit den anderen in einen Topf geworfen und damit brüskiert. "Kein Wort der Anerkennung ihrer Leistung", sagte Glück.

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