Zum Todestag von Franz Josef Strauß:"Wie eine Eiche ist er gefällt worden"

Franz Josef Strauß, 1973

Franz Josef Strauß - am 3. Oktober jährt sich sein Todestag zum 25. Mal.

(Foto: dpa)

Für manche Bayern war Franz Josef Strauß eine Art König, sein Tod ein Drama. Auch 25 Jahre später kann die CSU nicht von ihm lassen.

Von Hans Kratzer

Nach seinem jähen Hinscheiden am 3. Oktober 1988 hat es jahrelang so ausgesehen, als würde sich der Politiker Franz Josef Strauß, ähnlich wie König Ludwig II., zu einem bayerischen Mythos aufschwingen. Tatsächlich war im Freistaat in den frühen 80er Jahren eine Monarchieseligkeit aufgeflackert, etwa auf dem Münchner Nockherberg, wo dem Ministerpräsidenten damals noch stark gehuldigt wurde. Unvergessen ist jene Szene, in der Walter Fitz dem grinsenden Strauß einen Pelz auf die Schulter legte, eine Krone aufs Haupt setzte und ihn symbolisch zum König von Bayern kürte.

Der Tod ereilte den Ministerpräsidenten mitten aus einem rastlosen Leben heraus. Direkt vom Oktoberfest war Strauß per Hubschrauber zur Hirschjagd in die Nähe von Regensburg geflogen, wo er bewusstlos zusammenbrach. Zwei Tage später war er tot. "Wie eine Eiche ist er gefällt worden", sagte Kardinal Ratzinger bei der Beisetzung von Strauß in der Familiengruft in Rott am Inn.

Für eine kurze Zeit schien es, als käme Bayern ohne seinen dominanten Landesvater buchstäblich aus dem Tritt. Der Freistaat lag da wie erstarrt. Zehntausende säumten die Straßen, mehr als 100.000 Menschen wohnten dem Trauerzug in München bei, es waren mehr als bei Ludwig II. und beim Prinzregenten.

Verwandlung in einen Kult- und Wallfahrtsort

Der kleine Ort Rott am Inn verwandelte sich nach der Beisetzung von Strauß in eine Art Kult- und Wallfahrtsort. Der Trauertourismus trieb die seltsamsten Blüten. Die Gruft war bedeckt mit Blumensträußen und Kranzgebinden, auf denen zu lesen stand: "Unserm Bayern-Kini". Viele hielten den Namen Kaiser-Gruft für eine Ehrenbezeugung, dabei ging er lediglich auf die Familie Kaiser zurück, welche diese Stätte erbaut hatte. Die Medien nannten Rott das "Mekka Bayerns".

Ein Vierteljahrhundert danach ist dieser Zinnober Geschichte. Heute wirkt der mit einem Satteldach beschirmte Bau in der südöstlichen Friedhofsecke verloren und vernachlässigt. Die Gruft setzt einen kärglichen Kontrapunkt zum barocken Genussmenschen Strauß. Die Menschen in Rott aber sind froh, dass an diesem Ort die ewige Ruhe eingekehrt und das Joch der Strauß-Vergötterung für sie passé ist.

Im Kabarett lebt Strauß weiter

Dennoch ist der Politiker Strauß noch lange nicht verstummt. Zu verdanken hat er dies dem Münchner Kabarettisten Helmut Schleich, der gleichsam zu Straußens Wiedergänger mutiert ist. Das Comeback des Großen Vorsitzenden der CSU wurde vor gut fünf Jahren auf einer Bühne eingeläutet und nahm eine ähnliche Entwicklung, wie sie bei Frank-Markus Barwasser und seiner Kunstfigur Erwin Pelzig zu beobachten ist. Manchmal scheint nicht einmal Schleich selber mehr zu wissen, ob er nun Strauß heißt oder Schleich.

Erstaunlich ist, dass dieses Comeback in einer Zeit erfolgt, in der die alten Strauß-Apologeten in der CSU längst von der Last des Alters niedergedrückt werden. Die vielen jungen CSU-Abgeordneten, die demnächst in den Landtag und in den Bundestag einrücken werden, waren bei Straußens Tod noch Kinder.

CSU-Traditionskette: Strauß-Stoiber-Seehofer

Diese neue CSU-Generation ist vom Wohlstand sowie vom BWL- und Jurastudium smart geformt und Lichtjahre entfernt von den vierschrötigen Quadratschädeln und derben Volksrednern, die noch den Staub der Trümmerjahre eingeatmet hatten. Deren Demokratieverständnis wurde von einem Spezltum geformt, dessen Maxime so lautete: "Mir san die Mehrern, mir san die Schwerern - der Ober sticht den Unter."

Dem Zeitenwandel zum Trotz nährt auch Ministerpräsident Horst Seehofer nach wie vor den Mythos Strauß. Zum Beispiel übertrug er die vom Kabarett befeuerte Strauß-Euphorie ohne Schmerzen auf seine Wahlkampftaktik. Die Renaissance der Alten leitete er mit der Reaktivierung des Strauß-Intimus Wilfried Scharnagl ein, der in den TV-Talkshows die alte Wertewelt der CSU als Zukunftsoption propagieren durfte.

Freilich ist der Name Strauß nach zwielichtigen Affären der Strauß-Kinder schon lange kontaminiert. Die Phase der Distanzierung erreichte anno 2009 einen Höhepunkt, als die Ministerin Christine Haderthauer zu sagen wagte, sie empfinde Strauß nicht als Vorbild. Es gebe da viele Dinge, die nicht zur Nachahmung zu empfehlen seien, merkte sie an und meinte damit all die dubiosen Geschäfte und Eskapaden, in die Strauß verwickelt war.

Das aber war zu starker Tobak für die alte Garde der CSU, Haderthauer wurde zurückgepfiffen und Strauß erst recht nicht vom Sockel geworfen. In seinen Reden betet Seehofer seither Strauß-Zitate und Anekdoten rauf und runter, er inszeniert sich ganz bewusst als vorerst letztes Glied in der CSU-Traditionskette Strauß-Stoiber-Seehofer.

"Ich brauche keine Opposition, ich bin schon Demokrat"

Die aktuellen Inszenierungen des Mythos Strauß lenken freilich den Blick weg von der spannenden Frage, wo Strauß heute stünde. Nach seinem Tod endete immerhin der Ost-West-Dualismus, der sein ergiebigster politischer Treibstoff war. Es endete auch jenes alte agrarische Bayern, das noch nicht von Internet, Globalisierung und Wiedervereinigung durchgerüttelt war und stets nach einer starken Figur an der Spitze lechzte.

"Ich brauche keine Opposition, ich bin schon Demokrat", solche Sätze konnte Strauß noch problemlos von sich geben. Seinem Drang zur Weltpolitik folgend, betrieb er sogar eine eigene Außenpolitik mit den mächtigen Männern dieser Welt. Von seinem Credo "Es ist reizvoller, in Alaska eine Ananasfarm zu errichten, als Bundeskanzler zu werden", stimmte aber nur das Gegenteil. Bayern war für ihn viel zu klein, seine Karriere blieb unvollendet, er musste sich damit begnügen, das Amt des bayerischen Ministerpräsidenten als das schönste Amt der Welt zu preisen.

Als Trost darf er nun über das Sprachrohr Helmut Schleich über die heutige Politik herziehen. In einem Interview der Zeitschrift MUH wurde Schleich kürzlich gefragt, ob ihn die Leute überhaupt noch als Satire wahrnehmen. Nach Auftritten als Strauß, antwortete Schleich, sagten immer mehr Leute: "Sie daadn ma wählen!"

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