Zukunft nach Seehofer:"Die Leute wollen etwas Frisches"

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Laut einer Umfrage halten 15 Prozent der Wähler in Bayern Horst Seehofer für den besten Kandidaten als Ministerpräsident. 37,5 Prozent bevorzugen Markus Söder. 44 Prozent wollen weder den einen noch den anderen.

(Foto: imago/Sven Simon)

Die CSU-Basis wünscht einen personellen Neuanfang an der Parteispitze. Mit Ilse Aigner, die einen "super Job" macht, oder doch mit "Sauhund" Söder? Stimmen aus dem Land.

Von Andreas Glas, Matthias Köpf, Olaf Przybilla und Christian Rost

Die CSU streitet weiter über ihre Zukunft. Unter den Kommunalpolitikern zeichnet sich eine leichte Präferenz für Parteichef Horst Seehofers ärgsten Gegner ab.

Oberpfalz

Über eine Urwahl sagt Tirschenreuths Bürgermeister Franz Stahl: "Der Vorschlag ist an sich nicht schlecht. Im Augenblick ist die CSU in einer personell schwierigen Situation. Die Mitglieder sollten eingebunden sein." Andererseits sei eine Abstimmung der Delegierten ja "auch ein Stimmungsbild der Parteibasis". Die Kritik an Aigners Urwahl-Idee hält Stahl "für nicht förderlich, weil das wieder Gräben aufreißt". Er empfiehlt der CSU, "ein bisschen entspannter zu sein" bei der Personaldebatte.

Der Schwandorfer Landrat Thomas Ebeling hält eine Basisbefragung für keine gute Idee, weil es dann noch länger dauern könnte, bis eine Entscheidung fällt, wer die CSU in die Zukunft führt. Die Basis sei wichtig, aber er traue sich beim Parteitag schon zu, "als Delegierter die Stimmung an der Basis zu vertreten". Und diese Stimmung sei "nach so einem Wahlergebnis natürlich nicht die allerbeste." Für das Scheitern der Sondierungsgespräche will er Seehofer "keinen Vorwurf machen".

Schwaben

"Eine Urwahl? Warum nicht", sagt Michaela Bahle-Schmid. Die Vorsitzende des CSU-Ortsverbandes Bad Wörishofen kann dem Vorschlag durchaus etwas abgewinnen, schließlich werde die Basis ja sonst nicht oft befragt. Wie auch immer die künftige Spitze der CSU bestimmt wird, Bahle-Schmid geht davon aus, dass Horst Seehofer nicht mehr Parteichef sein wird. "Die Leute wollen etwas Frisches", sagt sie, hat sich selbst aber noch nicht entschieden.

Doch eine Präferenz hört man heraus: "Ilse Aigner macht einen super Job. Markus Söder macht auch keinen schlechten Job." Von dem oder der nächsten Parteivorsitzenden erwartet sie sich, dass das Thema Migration und Flüchtlinge "nicht mehr so hochgespielt wird" und das "Hinterhergelaufe am rechten Rand aufhört". Es gebe viele Themen, wie den demografischen Wandel, die die Menschen mehr beschäftigten im Alltag. "Das geht vollkommen unter", so Bahle-Schmid.

Markus Waschka sagt, die Zeit sei noch nicht reif für ein Jamaika-Bündnis. Der CSU-Chef in Dasing (Kreis Aichach-Friedberg) ist sich sicher, dass eine Vierer-Koalition ohnehin nicht gehalten hätte, und hält Neuwahlen für die beste Lösung. Allerdings müsse die CSU-Spitze zunächst Seehofers Nachfolge regeln. "Ein Wechsel wird sich nicht mehr abwenden lassen. Er ist zu sehr geschwächt", sagt Waschka. Dass der Parteichef angezählt sei, sei "hausgemacht", weil er keinen Nachfolger aufgebaut habe.

Niederbayern

"Man kann doch eine Ilse Aigner nicht als politische Leichtmatrosin bezeichnen. Das finde ich unverschämt", ärgert sich Gudrun Zollner, Vize-Chefin der CSU Niederbayern über die Aussage von Kultusminister Ludwig Spaenle zu Aigners Urwahl-Idee. "Die Wortwahl, speziell wenn es eine Frau betrifft, finde ich eigenartig." Inhaltlich sagt Zollner: "Wir sagen immer, wir beziehen die Basis mit ein, dann sollte man das nicht von vornherein verdammen." Seehofers Stellung in der Partei habe sich durch das Jamaika-Aus nicht verschlechtert, sagt Zollner, "er hat sich richtig ins Zeug gelegt". Überhaupt sei die Spaltung in der CSU nicht so groß, wie manche glaubten. Dass es nach einem schlechten Wahlergebnis Personaldebatten gebe, sei "ganz normal".

Nach dem Ende der Jamaika-Sondierungen spürt Stefan Ebner, Kreisvorsitzender in Regen, "bei einigen eine Erleichterung", dass eine Koalition mit den Grünen nun doch nicht zustande kommt. Nun hofft er, dass sich die SPD doch noch für eine große Koalition öffnet. Die Verhandlungen darüber "sollte man dem Horst Seehofer überlassen", sagt Ebner - und spricht sich damit gegen eine eilige Personalentscheidung an der CSU-Spitze aus. Danach aber müsse Seehofer einen Personalvorschlag liefern und Macht abgeben.

Oberbayern

In ihrem Stimmkreis erhält die Bezirksvorsitzende Rückendeckung. Josef Bierschneider, Bürgermeister von Kreuth und Vorsitzender der CSU-Fraktion im Kreistag von Miesbach, hält Aigners Vorschlag für "grundsätzlich sinnvoll" und hielte auch Aigner selbst für eine gute Spitzenkandidatin - "aber das ist erst der nächste Schritt." Die Parteisatzung gebe eine Mitgliederbefragung jedenfalls her. "Was soll da so schlimm sein?", fragt Bierschneider. Er selbst kann sich die Frage nur so beantworten, dass sich Söder und seine Gefolgsleute schon auf der Zielgeraden sehen und nun fürchten, doch noch von der Parteibasis aufgehalten zu werden.

Gerhard Meinl, dritter Bürgermeister von Geretsried, ist kein Freund von Basis-Entscheidungen und Mitgliederbefragungen. Auch über die Spitzenkandidatur sollten die Parteigremien und speziell der Parteivorstand entscheiden, sagt Meinl. Was die Frage des Stils betreffe, so sei man in der CSU eben "nicht im Erstkommunionsunterricht", sondern unter erwachsenen Menschen und dürfe nicht jedes Wort auf die Goldwaage legen. Denn für die CSU sei eben "die Lage gerade nicht schön genug, als dass man immer gelassen bleiben könnte". Niemand dürfe erwarten, dass in so einer Situation nur gesäuselt werde.

Die Personaldebatte ist "nicht demokratiefördernd"

Unterfranken

Aron Schuster, 32 Jahre alter CSU-Stadtrat in Würzburg, sagt: "Der Zustand der Partei ist nicht gut." Die Personaldebatte halte er für "nicht demokratiefördernd". Ihn treibe die Sorge um, dass ein falsches Bild von Politik in der Öffentlichkeit entstehe. "Als ginge es nur darum, Posten zu besetzen." Es sei "fünf vor zwölf", trotzdem habe er die Hoffnung nicht aufgegeben, dass sich das Personal in der CSU noch einige. Es gebe genug Nachwuchs in der CSU, es komme nun darauf an, diesen nicht "gegenseitig auszuspielen", sondern ein Team zu bilden, ohne weiter in Grabenkämpfe auszubrechen. Eine Mitgliederbefragung hält Schuster für ein probates Mittel, wenn es um Inhalte gehe. Für personelle Fragen aber habe sich das Delegiertensystem bewährt.

Für Stephan Noll, Kreischef der JU in Aschaffenburg-Land, ist die CSU "eine Mitmachpartei", die Basis zu befragen sei grundsätzlich gut. Aigner aber "hätte diesen Vorschlag nicht gemacht", wäre sie selbst Favoritin fürs Amt als Ministerpräsidentin, da ist er sich sicher. Das sei also "taktisch" motiviert. Die CSU werde am Streit um die Posten nicht auseinanderbrechen. "Der Beste kommt durch, das ist bei uns immer so." Dass dies Markus Söder sei, da habe er keine Zweifel.

Mittelfranken

Marcus König, CSU-Chef im Nürnberger Stadtrat, ist strikt gegen eine Basisbefragung. "Ein Parteitag ist urdemokratisch", sagt er, da brauche es kein zusätzliches Mitgliedervotum. Ein "monatelanger Tingeltangelkurs" sei schädlich für die CSU. Dass sich Aigner in Stellung bringe als mögliche Ministerpräsidentin, hält er für legitim. Als Chef der Regierung komme aber nur Markus Söder infrage. "Markus hat einzigartiges Potenzial", sagt König, "wir sollten diese Karte jetzt auch spielen."

Wenn es nach König geht: sowohl als Ministerpräsident als auch als CSU-Parteichef. Jan Helmer, CSU-Kreisvorsitzender in Ansbach-Land, wäre wenig begeistert von einer Mitgliederbefragung. In anderen Parteien sei eine solche von "überschaubarem Erfolg" gekrönt gewesen. Dass Markus Söder auch höhere Ämter zuzutrauen sind, stehe außer Frage. Helmer schränkt aber ein, dass ihm "von vielen Parteifreunden nicht die persönliche Zuneigung entgegengebracht wird".

Oberfranken

Wolfgang Kreil, CSU-Chef im Kreistag von Wunsiedel, sagt: "Ein nicht-sorgenvoller Blick auf die eigene Partei ist derzeit nicht möglich." Es werde in der CSU "momentan mehr auf die eigenen Leute losgegangen als auf den politischen Gegner". Was mit Seehofer gemacht worden sei, das sei ihm und seiner Leistung "nicht angemessen". Streitigkeiten in der Familie trage man nicht auf der Straße aus. "Ihm über die Medien in den Rücken zu fallen, war nicht richtig." Eine Mitgliederbefragung lehnt Kreil ab, Sympathien für Söder könne er nicht verhehlen. "Er ist ein Sauhund. Aber das muss man auch sein in dem Job."

Jürgen Oehm, Chef der CSU in Coburg-Nord, plädiert für eine Mitgliederbefragung, auch wenn er diese nicht für dringend notwendig erachtet. "Aber so was hätte Charme", die Basis brauche Beteiligung. "Nach dem ganzen Gezerre der vergangenen Wochen könnten wir die Mitglieder so wieder an die Partei binden", sagt Oehm. Dass die CSU sich wieder fange, da sei er zuversichtlich. Nicht aber mit Aigner an der Spitze, "da gibt es Bessere". Söder halte er für "durchsetzungsstark und rhetorisch gewandt".

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