Oberbayern:Elftes Todesopfer nach Zugunglück in Bad Aibling

  • Nach dem schweren Zugunglück in Bayern ist die Zahl der Toten auf elf gestiegen, alle Opfer sind inzwischen identifiziert.
  • An der Unglücksstelle laufen die Bergungsarbeiten, die dritte Blackbox wurde noch nicht gefunden.
  • Der Nachrichtenagentur Reuters zufolge kann ein technischer Fehler an den beiden Zügen ausgeschlossen werden.

Von Ingrid Fuchs

Zwei Tage nach dem verheerenden Zugunglück in Bad Aibling ist die Zahl der Toten noch einmal gestiegen: Ein 47 Jahre alter Mann aus dem Landkreis München erlag am Donnerstag seinen schweren Verletzungen, teilte die Polizei mit. Erst am Nachmittag war die Identität des zehnten Opfers bekannt gegegeben worden, es handelte sich um einen 38-jähriger Mann aus dem Landkreis Spree-Neiße in Brandenburg. Die neun weiteren Toten waren Männer im Alter zwischen 24 und 59 Jahren aus den Landkreisen Rosenheim und Traunstein. Von den verletzten Passagieren gelten nach den jüngsten Angaben der Polizei 20 als schwer und 62 als leicht verletzt.

In Gedenken an die Opfer hat Bayern für Sonntag Trauerbeflaggung angeordnet. An sämtlichen staatlichen Dienstgebäuden sollen die Flaggen auf Halbmast wehen, wie die Regierung von Oberbayern mitteilte. Die Gemeinden, Landkreise und der Bezirk sowie die übrigen Körperschaften, Anstalten und Stiftungen des öffentlichen Rechts wurden gebeten, in gleicher Weise zu verfahren. In Bad Aibling findet am Sonntag ein ökumenischer Gedenkgottesdienst statt.

Wie die Bergung abläuft

An der Unfallstelle türmt sich noch immer ein Berg aus Metall, Eisen und Plastikteilen auf den Schienen. Die völlig zerstörten Meridian-Züge liegen noch immer auf dem Bahndamm bei Kilometer 30 Punkt 2. Mit dem ersten Tageslicht hatten die Einsatzkräfte die schwierige Bergung fortgesetzt, in der Nacht mussten sie wegen schlechten Wetters abbrechen, die Arbeitsbedingungen vor Ort sind schwierig.

Die beiden Züge gelten nun als Tatort, Stück für Stück müssen die Trümmer abgetragen werden, sie sollen den Ermittlern bei der Suche nach der Ursache für die Tragödie wichtige Erkenntnisse bringen. Nach dem Frontalzusammenstoß am Dienstagmorgen sind die Triebwagen total ineinander verkeilt, auch die Waggons dahinter sind teils schwer beschädigt.

Die Aufräumarbeiten werden durch die selben Umstände erschwert wie zuvor die Rettung der Opfer: Die Unglücksstelle liegt in einem Waldstück an einer Hangkante, die steil zu einem Kanal abbricht und nur schwer zu erreichen ist. Zuerst beseitigen die Mitarbeiter des Technischen Hilfswerks (THW) die Waggons an den Zugenden, das dürfte noch der einfachste Teil der Bergung sein. Einige wurden schon abgekoppelt und über die Schienen weggeschleppt. Dann müssen sich die Einsatzkräfte zu den total ineinander verkeilten Triebwagen vorarbeiten.

Dort wird parallel gearbeitet: Bergungskräfte versuchen mit schwerem Gerät die verkeilten Triebköpfe auseinanderzuschneiden, um so das zu trennen, was von den beiden Zügen übrig ist. Ein gefährlicher Job, denn Waggons könnten umkippen, denn die Feuerwehr musste tragende Teile herausschneiden, um die Opfer zu befreien. Außerdem sind Gleise und Gleisbett schwer beschädigt.

Zwei Spezialkräne aus Fulda und Leipzig sind extra nach Oberbayern gebracht worden, sie haben eine Tragkraft von 160 und 60 Tonnen. Doch die schweren Trümmer einfach anheben und abtransportieren ist nicht möglich, die verkeilten Triebwagenreste stehen unter enormer Spannung, herumfliegende Teile könnten die Einsatzkräfte verletzten. Die Polizei rechnet damit, dass die Bergung noch zwei Tage dauert. "Sollte sie in dieser Zeit nicht abgeschlossen sein, wird auch am Wochenende weitergearbeitet", sagt ein Sprecher der Deutschen Bahn. Die geborgenen Teile sollen anschließend nach Kolbermoor und Bad Aibling transportiert werden.

Zweite Blackbox wird ausgewertet, dritte wird gesucht

In den beiden verunglückten Zügen befanden sich drei Datenspeicher, so genannte Blackboxes. Zwei wurden bereits geborgen, ihre Inhalte zeigen keine technischen Auffälligkeiten an den Zügen selbst, meldet die Nachrichtenagentur Reuters unter Berufung auf Ermittlerkreise. Auch an der Signal- und Sicherungstechnik der Strecke sei kein Defekt gefunden worden. Die dritte Blackbox steckt noch in einem der Triebwagen fest, die Einsatzkräfte wissen zwar genau, wo sie sich befindet, kommen aber noch nicht ran. Die Fahrtenschreiber zeichnen ähnlich wie in Flugzeugen wichtige Informationen während der Fahrt auf.

Bis die genaue Ursache für das tragische Unglück ermittelt ist, kann es noch lange dauern. Nach SZ-Informationen verdichten sich zwar die Hinweise, dass menschliches Versagen dahinter steckt - der Fahrdienstleiter im Stellwerk soll den beiden aufeinander zufahrenden Zügen gleichzeitig die Einfahrt in den Streckenabschnitt erlaubt haben -, doch die Untersuchungen laufen noch.

Was die Ermittlungen so schwierig macht

150 oder einige Dutzend Verletzte? In den Stunden nach dem Unglück kursierten unterschiedliche Angaben zur Zahl der Opfer. Bis zum Mittwochvormittag war sogar noch von einer vermissten Person in den Trümmern der Züge die Rede - das hat die Polizei dann aber korrigiert. Warum sind die Informationen so ungenau? Ein Polizeisprecher erklärt das mit dem Durcheinander, das direkt nach dem Unglück herrschte. Da ging es vor allem darum, die Menschen schnell zu versorgen und in Krankenhäuser zu bringen. Es seien zwar Namenslisten geführt worden, weil alles sehr schnell gehen musste, konnten die Angaben aber nicht allesamt vor Ort überprüft werden. So sei es zu den Ungenauigkeiten gekommen.

Persönliche Gegenstände können abgeholt werden

Seit diesem Donnerstag können Angehörige und Passagiere persönliche Gegenstände abholen, die nach dem Unfall aus den Zügen geholt wurden. Die Fundstücke können am Nachmittag und Freitagvormittag bei der Freiwilligen Feuerwehr im oberbayerischen Kolbermoor abgeholt werden.

Mit Material aus den Agenturen

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