Zugunglück in Oberbayern:So wird das Stellwerk in Bad Aibling bedient

  • Auf der Strecke zwischen Holzkirchen und Rosenheim sind am Dienstag zwei Regionalzüge frontal ineinander gekracht. Zehn Menschen kamen dabei ums Leben, Dutzende wurden verletzt.
  • Die Hinweise verdichten sich, dass der diensthabende Fahrdienstleiter den beiden Zügen die Einfahrt in den Streckenabschnitt erlaubt hat.
  • Eine Erklärung, wie das Sicherungssystem auf diesem Streckenabschnitt funktioniert.

Von Daniela Kuhr

Am Tag nach dem verheerenden Zugunglück bei Bad Aibling haben sich die Hinweise verdichtet, dass menschliches Versagen Ursache für den Zusammenprall der zwei Regionalzüge war. Im Fokus der Ermittlungen steht das Stellwerk in Bad Aibling - und der diensthabende Fahrdienstleiter. Wie aus einer mit den Untersuchungen vertrauten Quelle zu hören war, gebe es zunehmend Indizien dafür, dass der Mann den beiden aufeinander zufahrenden Zügen gleichzeitig die Einfahrt in den Streckenabschnitt erlaubt hat, obwohl es sich um eine eingleisige Strecke handelt. Das allerdings wirft gleich mehrere Fragen auf, vor allem die: Wie ist so etwas möglich? Schließlich gibt es doch Sicherungssysteme.

Erste vorsichtige Erklärungsversuche: Fahrdienstleiter sind je nach der Art des Stellwerks, in dem sie arbeiten, für unterschiedlich große Streckenbereiche im Gleisnetz verantwortlich. Wer beispielsweise in einem der alten, rein mechanischen Stellwerke arbeitet, wo die Signale und Weichen noch per Hand über Hebel und Drahtzüge gestellt werden, darf nur Signale bedienen, die in maximal 1800 Metern Entfernung stehen. Er muss sich per Augenschein vergewissern, dass das Gleis, in das ein Zug fahren soll, auch wirklich frei ist.

Das Stellwerk in Bad Aibling jedoch ist moderner und arbeitet elektrisch. Es handelt sich um ein sogenanntes Relaisstellwerk, bei dem der Fahrdienstleiter normalerweise vor einer Bedienoberfläche sitzt, auf der der Streckenabschnitt, für den er zuständig ist, schematisch nachgezeichnet ist. Die Schalter sind dort angebracht, wo sich im Gleisbild eine Weiche befindet oder ein Signal.

Im Fall von Bad Aibling sieht der Fahrdienstleiter auf der Bedienoberfläche also sowohl den eingleisigen Streckenabschnitt zwischen den beiden benachbarten Bahnhöfen, als auch die Signale an den Ausfahrten der beiden Bahnhöfe. Will er gleichzeitig zwei Zügen, die in den beiden Bahnhöfen stehen, grünes Licht geben, damit sie in eingleisigen Streckenabschnitt - und somit aufeinanderzufahren können, dann muss er gleichzeitig zwei Schalter betätigen, die weit auseinander liegen. Aus Versehen kann so etwas nicht geschehen. Zumal das System ihn in diesem Fall warnt und darauf hinweist, dass das nicht geht. Und zwar zweimal.

Allerdings haben Fahrdienstleiter die Möglichkeit, das System und dessen Warnungen zu übergehen, indem sie Ersatzsignale einschalten. Dahinter steckt die Vorstellung, dass im Zweifelsfall doch der Mensch immer noch eine Möglichkeit haben soll, einzugreifen. Mit anderen Worten: Der Mensch muss die Technik beherrschen und nicht andersherum - schon allein, weil es ja immer mal zu einem Softwarefehler kommen kann.

Ob man daran nach Bad Aibling festhalten wird, ist eine von vielen Fragen, die sich mit der Aufarbeitung diesen Unglücks stellen. Doch letzten Endes wird man das Ergebnis der Ermittlungen abwarten müssen, bevor man irgendwelche Schlüsse zieht.

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