Zugspitzlauf:Bergdrama vor Gericht

Prozessauftakt zum Zugspitzlauf-Drama: Wer hat Schuld an zwei Todesfällen? Eine Frage, dessen Antwort weitreichende Folgen für die Sportszene haben könnte.

Heiner Effern

Torkelnde Athleten im Schneetreiben, Läufer in kurzer Hose und ärmellosem Shirt, die schlotternd vor Kälte von Helfern gestützt werden, durchtrainierte Sportler, die plötzlich ums Überleben kämpfen. All die schockierenden Bilder vom Zugspitzlauf 2008 werden wieder hochkommen, wenn es an diesem Montag um die Frage der Schuld geht.

Zugspitzlauf: Eisige Kälte: Beim Zugspitzlauf 2008 starben zwei Teilnehmer.

Eisige Kälte: Beim Zugspitzlauf 2008 starben zwei Teilnehmer.

(Foto: Foto: dpa)

Warum starben an jenem 13. Juli zwei Läufer im stürmischen Schneetreiben unterhalb des Zugspitzgipfels, warum mussten sechs weitere Teilnehmer im Garmischer-Krankenhaus notversorgt werden?

Für die zuständige Staatsanwaltschaft München II ist diese Frage geklärt. Sie hält Organisator Peter Krinninger, 54, für schuldig der fahrlässigen Tötung und Körperverletzung. Das Amtsgericht Garmisch-Partenkirchen hatte deshalb einen Strafbefehl über 90 Tagessätze zu 150 Euro erlassen.

Der Garmisch-Partenkirchner akzeptierte den Strafbefehl aber nicht, obwohl er damit nicht vorbestraft gewesen wäre. So kommt es nun zu einem Prozess. "Es ist schrecklich für mich, dass bei einer Veranstaltung, die ich ins Leben gerufen habe, Menschen gestorben sind. Ich trauere noch immer. Aber ich bin nicht schuld", machte Krinninger im Juli dieses Jahres in der Süddeutschen Zeitung seine Position deutlich.

Der Strafbefehl bescheinigte Krinninger dagegen mehrere Verfehlungen: Er hätte als Organisator ob des schlechten Wetterberichts kontrollieren müssen, ob die Starter passend ausgerüstet sind. Da dies nicht der Fall war, hätte er das Rennen absagen oder zumindest die leicht bekleideten Athleten am Start hindern müssen. Zudem hätte er das Ziel früher auf Höhe des Sonnalpin, einer Gaststätte auf dem Zugspitzplatt, hinunter verlegen sollen.

Mehr als 700 Athleten waren am 13. Juli 2008 um neun Uhr im österreichischen Ehrwald gestartet. Der Zugspitzlauf gilt auch unter Extrem-Sportlern als Herausforderung: Mehr als 2200 Höhemeter sind auf der etwa 18 Kilometer langen Strecke zu bezwingen.

Die Bedingungen am Morgen waren nicht ungewöhnlich: In Ehrwald regnete es bei einer Temperatur von 14 Grad. Auch am Gipfel herrschten noch knapp Plusgrade. Am späten Vormittag setzten dann allerdings Eisregen, Schneefall und böiger Wind ein. Da die meisten Läufer nur kurze Laufkleidung trugen und schon stark erschöpft waren, zehrte sie der Wintereinbruch vollends aus. Uwe M., 41, aus Witten (Nordrhein-Westfalen) und Hans P., 45, aus Ellwangen (Baden-Württemberg) brachen auf dem letzten Teilstück zusammen und konnten nicht wiederbelebt werden.

"Das grenzt an Rufmord"

Krinningers Anwalt Stefan Beulke hält die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft und den Strafbefehl für oberflächlich und fehlerhaft. "Da wurden Tatsachen so verdreht, dass es an Rufmord grenzt." Krinninger habe vor dem Start um neun Uhr mündlich und schriftlich auf die möglichen Gefahren durch das schlechte Wetter hingewiesen. Des Weiteren habe er sofort das Ziel auf das Platt hinunter verlegt, als erste Anzeichen für eine Eskalation auftraten. Doch entsprechende entlastende Aussagen habe die Staatsanwaltschaft einfach nicht zur Kenntnis genommen. "Da wurde mit großem Eifer ermittelt, leider aber nur mit einem Auge", sagte Beulke.

Der Staatsanwaltschaft München II lag schon zwei Tage nach dem Zugspitzlauf eine E-Mail vor, in der Gerhard Opperer, Geschäftsführer der Bergwacht, seine Kameraden, aber indirekt auch Organisator Krinninger entlastete. Er verweist darin auf die "anfangs guten Bedingungen für einen Berglauf" und die Eigenverantwortlichkeit der Läufer, von denen "viele die Strecke problemlos gemeistert" hätten.

Von frühzeitig absehbaren Problemen durch den Wintereinbruch ist in der Mail nicht die Rede, im Gegenteil. Der Einsatz habe sich "innerhalb weniger Minuten" dramatisiert, hieß es.

Auch dem Amtsgericht Garmisch-Partenkirchen erschien der beantragte Strafbefehl vom 7. November 2008 als nicht stichhaltig. Der damals zuständige Richter schickte das Papier zur Nachbesserung an die Staatsanwaltschaft München II zurück. Dort nahm man zwar Stellung zur Kritik, hielt aber dem ursprünglichen Antrag auf Strafbefehl fest.

Richter wurde ausgetauscht

Im März 2009 reichte es dem Richter: Er setzte selbst einen Strafbefehl auf, den die Staatsanwaltschaft übernehmen und dann bei ihm beantragen sollte. Das fanden Krinninger und sein Anwalt wiederum ein wenig zu dreist und stellten einen Befangenheitsantrag, dem das Landgericht München in zweiter Instanz stattgab.

Der Richter in Garmisch-Partenkirchen wurde ausgetauscht, aber der neue drehte offenbar die Uhr zurück. Als ob es nichts gegeben hätte, bestätigte er den Strafbefehl in der Fassung vom November 2008, den sein Kollege für unzureichend erklärt hatte.

Unabhängig von solchen Rechtsscharmützeln wird der Prozess auch in der Extremsport-Szene mit Spannung erwartet. In Oberstdorf, wo in diesem Jahr zum zehnten Mal der Nebelhorn-Berglauf stattfand, rechnen die Sportveranstalter mit weitreichenden Folgen, falls Krinninger verurteilt wird. "Das würde uns zwingen, nicht nur den Berglauf, sondern auch andere Veranstaltungen grundlegend zu überdenken", sagte Stefan Betz, der für die Gemeinde die Vereine bei der Organisation unterstützt.

Sollte die Eigenverantwortung der Athleten eine so geringe Rolle spielen, dann "steht man ja als Veranstalter schon mit einem Bein im Gefängnis".

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