Zugspitze:Endspurt auf Deutschlands höchster Baustelle

Baustelle neue Seilbahn Zugspitze

Das Tragseil für die neue Seilbahn wird eingezogen und gesichert.

(Foto: dpa)

In knapp zwei Monaten sollen Ehrengäste mit der neuen Seilbahn auf die Zugspitze gondeln. Danach sieht es auf 3000 Meter derzeit nicht aus.

Reportage von Matthias Köpf, Grainau

Wenn es mal regnet, dann regnet es immer noch bis ins Erdgeschoss hinunter durch. Aber besonders oft regnet es gar nicht. Meistens schneit es stattdessen, denn auch das Erdgeschoss liegt auf fast 3000 Metern Höhe. Dann tropft das Schmelzwasser durch alle drei Etagen. "Wir müssen schauen, dass wir dicht werden", sagt Martin Hurm deswegen. Die Glasplatten müssen endlich an die Stahlrahmen, damit die Gerüste wegkönnen. In zwei, spätestens drei Wochen soll zum ersten Mal eines der Laufwerke hier oben eintreffen, am besten mit einer Kabine dran. Wer in der allerersten Kabine mitfahren wird? "Mal schauen, ob ich Zeit hab'", sagt Hurm mit einem breiten Grinsen.

Die Zeit ist für ihn schon seit zwei Jahren knapp. Im Juni 2015 wurden die Segmente des gelben Krans mit der Zahnrandbahn aufs Zugspitzplatt gefahren und dann die letzten 400 Höhenmeter per Helikopter auf den Gipfel der Zugspitze auf 2962 Metern gehievt. Seither wird hier unter Hochdruck gearbeitet. In gut zwei Monaten, am 21. Dezember, soll feierlich eröffnet werden. Es geht in den Endspurt auf Deutschlands höchster Baustelle.

Bei Projektleiter Hurm kann es deshalb sein, dass er die Weihnachtsgeschenke heuer auf den allerletzten Drücker besorgt. Und selber bekommt er diesmal eines für 50 Millionen Euro, sagt er, denn Hurm ist auch Betriebsleiter bei der Bayerischen Zugspitzbahn AG, die der Gemeinde Garmisch-Partenkirchen gehört. Spätestens in 20 Jahren soll die neue "Seilbahn Zugspitze" abbezahlt sein, die Tilgung läuft schon eher als die neue Bahn. Schließlich wird hier bei vollem Betrieb gearbeitet, am Sonntag sind bei bestem Wetter wieder 2000 Menschen hier oben gewesen. An manchen Sommertagen sind es um die 5500, nur heuer hat sich die Zugspitzbahn selbst ein Limit von 3000 Gästen gesetzt. Denn die Baustelle am Gipfel ist nicht nur hoch, sondern auch eng. Auf der Besucherterrasse liegen Stahlträger, Gestänge, Seile, Werkzeug. Der Kran rotiert unablässig über den Köpfen der Reisegruppen aus Asien, der arabischen Familien, der Tagesausflügler aus München und aller anderen.

Auch diese Terrasse wird größer werden. Statt des engen, fensterlosen Treppenhauses, in dem sich derzeit Arbeiter mit Bauhelmen und Klettergurten durch die Besuchergruppen schieben, wird es verglaste Zugänge geben. Sie werden Blicke auf den Eibsee und auf Garmisch freigeben und im Süden auf das Zugspitzplatt mit den dahinschmelzenden Schneefernern. "Wir verkaufen ein Aussichts- und Panoramaerlebnis", sagt der Architekt Sebastian Kroesen. Er hat die neue, mit der alten verschachtelte und weit über die Seile der Bahn hinauskragende Bergstation entworfen - nach den Erfordernissen der Statik und der Seilbahntechnik, weshalb sie ähnlich aussieht wie das, was anderswo auch in die Alpen gewuchtet wird.

Baustelle neue Seilbahn Zugspitze

Die Baustelle auf der Zugspitze ist nicht nur die höchste Deutschlands, sie ist auch mit vielen Risiken und starken körperlichen Herausforderungen verbunden.

(Foto: Angelika Warmuth/dpa)

All das Glas muss jetzt bei dem guten Wetter dringend montiert werden. Zuletzt waren wegen der hohen Luftfeuchtigkeit die Sauger nicht einsetzbar, welche die schweren Scheiben Position bringen. Die Stahlbauer mussten Nachtschichten einlegen, um die Verzögerungen wegen der Schneefälle hereinzuholen. Der Schnee ist längst wieder weg, gerade kratzen die Pistenraupen die Reste aus den Depots, die sie im vergangenen Winter zusammengeschoben haben. In vier Wochen soll der Skibetrieb beginnen, doch sonst ist die Zugspitze ein eher unsportlicher Berg. Wer weder mit der Zahnradbahn noch mit der Tiroler Zugspitzbahn oder mit der künftigen Seilbahn Zugspitze heraufkommt, sondern sich zu Fuß heraufquält, der gehört aus der Sicht des Betriebsleiters Hurm eher zur hochalpinen Kulisse für die Tagesgäste.

Die waren schon für die 1963 in Betrieb gegangene alte Eibsee-Seilbahn schnell zuviel. Ende der Sechzigerjahre wurden erstmals Platzkarten ausgegeben, um die Schlangen nicht allzu lang werden zu lassen. Im April ist die Eibsee-Bahn zum letzten Mal gefahren. Statt 44 Fahrgäste wie bisher werden in die beiden bodentief verglasten Kabinen der neuen Seilbahn jeweils 120 Menschen passen. Die Wartezeiten sollen kürzer werden, heißt es, aber zugleich soll die Passagierzahl von der bayerischen Seite um ein Zehntel auf 600 000 pro Jahr steigen. Die Zahlen von Tirol herauf fallen im Vergleich kaum ins Gewicht.

Für das Marketing ist der Status als Deutschlands höchste Baustelle kein Schaden, und auch die anderen Superlative nicht: Die mit 127 Metern höchste Stütze, der mit 1945 Metern größte Höhenunterschied zwischen zwei Stationen und die mit 3213 Metern längste freie Seilstrecke sind jeweils Weltrekord. Was die Bahntechnik angeht, ist mit dem Spannen des vierten Tragseils vor einigen Tagen der schwierigste Teil geschafft. An der Baubesprechung im Gipfelrestaurant hat am Montag sogar schon der Küchenplaner teilgenommen. Zwar liege man zwei bis drei Wochen hinter dem Ideal-Zeitplan, sagt Projektleiter Hurm, aber Sorgen um die Eröffnungsfahrt mache er sich nicht. "Der 21. Dezember steht, davon bin ich fest überzeugt. Und dicht werden wir auch bis dahin."

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: