Zisterzienserinnen:Wie das Kloster Waldsassen auferstanden ist - und die Region gleich mit

Kloster Waldsassen

Äbtissin Laetitia Fech hat die Abtei von Waldsassen total umgekrempelt. Bis auf die alte Bibliothek.

(Foto: Jana Stöhr)

Vor 21 Jahren war das Kloster dem Ende nah - doch die verbliebenen Zisterzienserinnen wählten die damals 38-jährige Laetitia Fech zu ihrer Äbtissin. Ein Glücksgriff.

Von Katja Auer, Waldsassen

Für die Finanzen ist der heilige Josef zuständig. "Wenn ich nicht mehr weiter weiß, ist er dran", sagt Äbtissin Laetitia Fech, dann schiebt sie ihm schon mal eine Rechnung unter die Füße. Sie hat den Heiligen, der aus einem alten Dachbalken geschnitzt ist, geschenkt bekommen, als es losging mit dem riesigen Bauprojekt in der Abtei Waldsassen. Generalsanierung, höchste Zeit war es damals. Seitdem ist er ihr Finanzminister. Das ist eine nette Geschichte, aber nicht nur.

Denn als Laetitia Fech 1994 noch als einfache Schwester in das Kloster kam, weil ein paar Zisterzienserinnen aushelfen sollten in der nördlichen Oberpfalz, da war die ehemals so stolze Abtei baulich, wirtschaftlich und personell am Ende. Die paar Schwestern, die noch übrig waren, hatten sich schon überlegt, wohin sie umziehen würden, wenn Waldsassen aufgegeben werden müsste. Aber dann wählten sie Schwester Laetitia zur Äbtissin, einstimmig, da war sie gerade 38 Jahre alt. Sehr jung für eine Äbtissin.

21 Jahre später ist sie es immer noch und das Kloster erlebt eine neue Blüte. Zwar wird gerade noch an der Basilika gebaut, das Innere ist bis auf den Chorraum eingerüstet, aber die Besucher kommen wieder. Ins Kloster, in das Gästehaus St. Joseph, in den Umweltgarten. Nur die wunderbare alte Bibliothek mit ihrem kunstvollen Schnitzwerk interessiert die Touristen nicht mehr so sehr.

Vielleicht, weil sie sich die drei Euro Eintrittspreis sparen wollen, vielleicht weil sie lieber in der Klosterschänke sitzen. Die Schwestern auf jeden Fall überlegen gerade, wie die Stiftsbibliothek wieder attraktiver werden könnte für die Besucher. Um Apps und multimediale Konzepte geht es da, man kann wirklich nicht behaupten, dass hinter den Klostermauern die Zeit stehen geblieben ist. Davon profitiert auch die Stadt Waldsassen, die selbst aus einem Dornröschenschlaf erwacht ist, seit im Kloster wieder was weitergeht, das 1133 als erste der fünf bayerischen Zisterzienserabteien gegründet wurde.

Niemals den Schwung verloren

Als Männerkloster zunächst, das Kriege und die Säkularisation irgendwie überstand und 1863 von Zisterzienserinnen wiederbesiedelt wurde. Und an dem seit der Barockzeit mehr rumgeflickt wurde, als dass es einmal ordentlich instand gesetzt worden wäre.

Fast 40 Millionen Euro hat die Sanierung nun gekostet, ein Kraftakt, der ohne die zierliche Äbtissin wohl nicht geglückt wäre. Die hat zwar ab und zu gehadert, aber nicht an Schwung verloren. "Ich hab's total umgekrempelt", sagt sie und lächelt als ob ihr das selbst immer noch unglaublich vorkommt. Jeden Beruf erlerne man, sagt sie, nur Äbtissin müsse man von heute auf morgen sein. Einfach so. Mit all der Verantwortung für die Schwestern, das riesige Gebäude, die Traditionen. Dass sie jemals wieder mit Geld zu tun haben würde, mit so viel noch dazu, habe sie ohnehin nicht gedacht. "Ich habe schließlich ein Armutsgelübde abgelegt", sagt sie.

Die Stadt profitiert vom Kloster

Also hat sie auf den heiligen Josef vertraut und auf Jesus Christus natürlich, den sie auch ab und zu in die Pflicht nahm, wenn sie gar nicht mehr wusste, wie es weitergehen sollte. "Ist dein Kasten", sagte sie dann himmelwärts, "kümmer dich drum." Sie tut es auch, dafür spricht sie bei Politikern und potenziellen Sponsoren vor, auch wenn sie es gar nicht so mag, das Rampenlicht. Immer wenn es geht, nimmt sie am gemeinsamen Gebet teil, das den Tag strukturiert. "Wir arbeiten nicht weniger als ihr draußen, nur anders", sagt sie.

Und mit einem bestimmten Ziel vor Augen. "Ich hab im Herzen gespürt, dass ich hierher gehöre", sagt Äbtissin Laetitia. Das muss ein tiefes Gefühl gewesen sein, ist diese Region doch kein lieblicher Landstrich, der den Besucher sofort in Leidenschaft entflammen lässt. Die Gegend ist herb und oft rau, die Menschen sind zurückhaltend und sparsam mit ihrer Zuneigung. Wer sie aber einmal errungen hat, dem bleibt sie.

Luftbild,Kloster Waldsassen

Das Kloster Waldsassen war am Ende - nun floriert es wieder.

(Foto: Michael Ascherl)

Das ist Laetitia Fech längst gelungen. "Wir sind nicht weltabgewandt", sagt sie, "die Leute kommen zu uns." Zum Seelenwellness, wie sie es beschreibt, ein paar Tage Ruhe zu finden hinter Klostermauern. Das moderne Gästehaus, auch so ein Projekt der Äbtissin, hat sich zum beliebten Urlaubsziel entwickelt und zu einem wichtigen Wirtschaftsfaktor. Die Zahlen stimmen langsam wieder, vor allem aber vergehen die Nachwuchssorgen. Neun Schwestern leben in der Abtei, die meisten sind jung, zwei Frauen treten bald ein.

Niemand kann flüchten - schon gar nicht ins Kloster

Alle haben sie einen Beruf, die meisten studiert, Laetitia ist das wichtig. Sie selbst ist Hauswirtschaftsmeisterin und lernte Paramentenstickerin, ihren Traumberuf, wie sie sagt. Auch darin machte sie die Meisterprüfung, dann studierte sie Kunst. Alles im Kloster. Sie warnt aber vor falschen Illusionen. "Wer das Leben draußen nicht schafft, der schafft es hier drinnen zweimal nicht", sagt sie. Wer meint, vor dem Leben in ein Kloster flüchten zu können, der werde erst recht Probleme bekommen. "Weil wir hier nicht flüchten können." Deswegen nimmt sie nicht jede Bewerberin.

Selbst wollte sie sieben Kinder haben und einen Mann. Als sie sich dann doch für das Kloster entschied, mit 20 Jahren, sei das wie so oft in ihrem Leben gewesen: Sie wusste es einfach. Ihr Vater glaubte zwar nicht, dass seine lebenslustige Tochter mit dem gelegentlich frechen Mundwerk durchhalten würde, aber er hat sich getäuscht. Das sei aber nicht ihr Verdienst, sagt Laetitia Fech. "Dass ich immer doch drin bin, zeigt, dass der Herrgott es will."

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: