Oberfranken:Wunsiedel sucht einen Käufer für die Stadthalle

Oberfranken: Wunsiedel im Fichtelgebirge stemmt sich gegen den demografischen Wandel und lässt sich das einiges kosten.

Wunsiedel im Fichtelgebirge stemmt sich gegen den demografischen Wandel und lässt sich das einiges kosten.

(Foto: imago)
  • Die Stadt Wunsiedel im Fichtelgebirge ist überschuldet und hat schon seit Jahren keinen genehmigten Haushalt mehr.
  • Nun will sie sich von der Stadthalle trennen - die Immobilie verursacht jedes Jahr ein Defizit.
  • Auch andere Häusern und Grundstücken sollen verkauft werden. Dafür veranstaltet die Gemeinde eigens eine Messe.

Von Claudia Henzler, Wunsiedel

Karl-Willi Beck ist Bürgermeister der tief verschuldeten Stadt Wunsiedel in Oberfranken und weit über das Fichtelgebirge hinaus bekannt. Der CSU-Mann hat lange und erfolgreich gegen die rechtsextremen Horden gekämpft, die Wunsiedel regelmäßig heimsuchten, und dafür international Anerkennung erhalten. Mindestens so aktiv ist Beck in seiner Rolle als Kämpfer gegen den demografischen Niedergang der kleinen Stadt - allerdings nicht ganz so gefeiert.

Kürzlich zum Beispiel ist er, um Geld zu sparen, in aller Herrgottsfrühe ins kleinste Dienstauto der Stadt gestiegen, statt in den Flieger, und nach Mailand gefahren. Dort war er am Nachmittag mit einem möglichen Investor verabredet, einem angeblichen Kaufinteressenten für die Fichtelgebirgshalle. Die Halle samt Hotel verursacht mehrere Hunderttausend Euro Defizit im Jahr und soll abgestoßen werden. Die Frankenpost berichtete, dass der potenzielle Investor aus Katar kam und das Treffen von einem Russen vermittelt wurde, "der offenbar in Mailand ein Büro unterhält, aber in Monaco wohnt".

Es stellte sich heraus: Das Angebot war nicht seriös. Statt Dank für sein Engagement erwarteten den Bürgermeister daheim Kritik und Spott. Die Sache sei von vorneherein dubios gewesen, sagen vor allem Stadträte der Aktiven Bürger und der SPD. Beck habe es an Augenmaß vermissen lassen, wieder mal. Der Bürgermeister selbst gibt sich unbeeindruckt. Das Treffen sei sinnvoll gewesen.

Schon seit 2013 hat die Stadt keinen genehmigten Haushalt. Sie steht unter Aufsicht der Regierung von Oberfranken und muss sich jeden Kredit einzeln genehmigen lassen. Dass die Kommune in finanzielle Schieflage geriet, liegt vor allem an dem Wegfall von Arbeitsplätzen in der Porzellanindustrie und der demografischen Entwicklung. Vor zehn Jahren rutschte Wunsiedel unter die 10 000-Einwohner-Marke.

Doch für das Maß der Verschuldung sind auch der Bürgermeister und der Stadtrat verantwortlich. Sie haben versucht, mit einer großzügigen Ausgabenpolitik entgegenzusteuern. Die Stadt warb etwa mit einem Baukindergeld um junge Familien, 5000 Euro pro Kind. Zu den Schulden trugen auch Dorferneuerungsprogramme in Wunsiedels vielen Ortsteilen bei, mehrere Feuerwehr- und Gemeinschaftshäuser wurden gebaut. Außerdem kaufte die Stadt etliche leer stehende Immobilien an.

Wunsiedel steht unter genauer Beobachtung

Weil der Bürgermeister und der Stadtrat jahrelang Geld ausgaben, obwohl die Stadt schon pleite war, hatte sich 2014 nicht nur die Kommunalaufsicht, sondern auch die Staatsanwaltschaft eingeschaltet und die Ausgaben überprüft. Sie stellte die Ermittlungen später aber wieder ein.

Wegen der Haushaltsaufsicht muss Wunsiedel sparsamer sein. Außerdem muss Beck seit der Kommunalwahl 2014 im Stadtrat um Mehrheiten werben. Doch noch immer leistet man sich Dinge wie eine Bücherei, ein Museum oder ein Mehrgenerationenhaus, um positive Entwicklungen - steigende Zahlen bei Geburten und Arbeitsplätzen - nicht abzuwürgen.

Der moderne Wohnraum fehlt

Um die angekauften Immobilien kümmert sich seit 2013 eine städtische Tochterfirma, mit deren Arbeit auch die SPD im Stadtrat zufrieden ist. Der Immobilienmarkt ist aus Becks Sicht das wichtigste Handlungsfeld, um den demografischen Wandel aufzuhalten. Studien hätten gezeigt, dass Wunsiedel auch deshalb Einwohner verlor, weil die keine passende Wohnung fanden. Es gibt zu viele sanierungsbedürftige Altbauten, zu wenige moderne Wohnungen. Im vergangenen Jahr hat das städtische Immobilienunternehmen ein Mehrfamilienhaus mit 13 Wohnungen fertig gestellt. Sie waren alle schnell vermietet.

Trotzdem will sich die Stadt von einem großen Teil der zusammengekauften Immobilien trennen. Das soll am kommenden Wochenende bei einer Messe geschehen, den ersten "Wunsiedler Immobilientagen". Vom Baugrundstück für 33 Euro netto pro Quadratmeter über sanierungsbedürftige Häuser bis zum Gewerbepark ist alles dabei. Und auch der Veranstaltungsort selbst, die Fichtelgebirgshalle, wäre natürlich im Angebot.

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