Wunderheiler Bruno Gröning:Heilstrom aus Stanniolkügelchen

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Bilder von geradezu biblischer Wucht: Wie der Wunderheiler Bruno Gröning vor 60 Jahren rund um Rosenheim Zehntausende in seinen Bann zog.

Hans Kratzer

Vor 60 Jahren, im Herbst 1949, ist die Stadt Rosenheim von Menschenmassen heimgesucht worden wie noch nie zuvor und nie mehr danach. Zehntausende strömten täglich auf die weitflächigen Pferdekoppeln am Rande der Stadt, wo sich der angebliche Wunderheiler Bruno Gröning in einem Hof einquartiert hatte. Sie alle erhofften sich Hilfe von ihm. Gröning stand im Ruf, er habe "Blinde sehen und Lahme gehen" gemacht.

Zog Zehntausende in seinen Bann: Wunderheiler Bruni Gröning (Foto: Foto: Lené Lucio, München)

Ein halbes Jahr lang dauerte der Spuk an, dann verschwand Gröning wieder aus Rosenheim.

Der Journalist Werner Krämer erlebte Grönings Aufenthalt in Rosenheim als junger Pressefotograf. "Er entfachte eine unglaubliche Massenhysterie", erinnert sich Krämer.

Eines Tages hatte sich Gröning unvermittelt im Traberhof, einer mittlerweile abgerissenen Ausflugsgaststätte, einquartiert. "Er hatte ein schwarzes Hemd an und er hatte einen stechendem Blick. Auf mich machte er keinen guten Eindruck", sagt Krämer.

Die Ankunft Grönings in Rosenheim sprach sich rasch herum, Illustrierte, Funk und Wochenschau verfolgten damals jeden seiner Schritte und heizten die Stimmung weiter an. Als Gröning in Oberbayern auftauchte, stand er im Zenit seines Ruhms. Nach dem Krieg hatten mehrere Menschen berichtet, Gröning habe sie von ihrer Krankheit befreit.

Aufsehen erregte Gröning im Fall eines Buben aus Herford, der an Muskelschwund litt. Nachdem der Vater der Presse mitgeteilt hatte, sein Sohn sei geheilt worden, strömten unzählige Kranke zu Grönings Vorträgen. Bald stand er im Ruf, ein "Wunderdoktor" zu sein, dass er als gläubiger Christ auftrat, beförderte die Verehrung noch zusätzlich.

"Freie Liebestätigkeit"

Im Mai 1949 wurde ihm allerdings in Nordrhein-Westfalen die Tätigkeit als Heiler untersagt. Gröning begab sich daraufhin nach Rosenheim, wo ihm die Behörden freundlicher gesonnen waren.

Ministerpräsident Hans Ehard (CSU) erklärte, dass man das Wirken einer "außerordentlichen Erscheinung" wie Bruno Gröning nicht an Paragraphen scheitern lassen sollte. Und das Innenministerium gab bekannt, dass die Heiltätigkeit Grönings als eine freie Liebestätigkeit betrachtet werden könne und keiner Erlaubnis nach dem Heilpraktikergesetz bedürfe.

Für Rosenheim hatte dies dramatische Folgen. Am Traberhof herrschte bald der Ausnahmezustand. Vom Bahnhof aus setzten sich endlos lange Prozessionen in Bewegung, es waren Bilder von geradezu biblischer Wucht. Kranke und Sieche, Blinde, Krüppel und Kriegsversehrte in Rollstühlen und Leiterwagen harrten bei Regen wie bei Hitze stundenlang aus, um von Grönings Heilstrahlen erfasst zu werden.

Der göttliche Heilstrom war Grönings zentrale Lehre, er betrachtete sich als Transformator, der diesen weitergebe. Wer ihn nicht persönlich berühren konnte, dem ließ er Stanniolkugeln zukommen, die er mit seiner angeblichen Heilkraft aufgeladen hatte.

Die Menschen glaubten fest daran, der Krieg war erst vier Jahre her, überall herrschten noch Not und Verzweiflung, die medizinische Versorgung war dürftig. Gröning sprach vom Balkon aus zu den Massen, außerdem ließ er seine Stanniolkugeln verteilen, die man fest drücken sollte. Da machte es auch nichts, dass es keine sanitären Einrichtungen gab.

Die Wiesen und Wälder waren getränkt mit menschlichen Ausscheidungen. Grönings Ruf als Wunderheiler überdeckte alles. Mitten in der Masse stand plötzlich einer auf und rief hysterisch: "Ich bin geheilt. Ja, ich bin geheilt!"

Tat er es im Auftrag Grönings? Wer wollte das feststellen.

Gröning nahm kein Geld, aber allein die ihm zugeflossenen Spenden dürften von beträchtlichem Umfang gewesen sein. Mit der Zeit fanden sich am Traberhof immer mehr Geschäftemacher ein, die aus Grönings Anwesenheit Kapital schlagen wollten. Dies schadete seinem Ansehen, die Behörden begannen sich von ihm zu distanzieren.

Nach einem halben Jahr waren die Zustände unhaltbar geworden. Gröning musste Rosenheim verlassen, die Justiz kümmerte sich um ihn. Ihm wurde die fahrlässige Tötung eines 17-jährigen lungenkranken Mädchens zur Last gelegt. Mehrmals wurde er zu Geld- und Freiheitsstrafen auf Bewährung verurteilt. Zu einer von ihm angestrebten Revision kam es nicht mehr. Gröning, 1906 in Danzig in einfachen Verhältnissen geboren, starb am 26. Januar 1959 in Paris an Magenkrebs.

Nach seinem Tod bildete sich der Freundeskreis Bruno Gröning. Grönings Anhänger wurden über die Jahre nicht weniger. In Deutschland soll es mehr als 200 Gruppen des Freundeskreises geben, 60.000 Mitglieder seien es weltweit. Mancher Sektenexperte wirft ihnen vor, das Gesundheitswesen sektenähnlich zu unterwandern. Der Freundeskreis behauptet, ohne kommerzielles Interesse über Gesundheit zu informieren.

Nicht nachlassendes Interesse

Auch der Zeitzeuge Werner Krämer in Rosenheim wird noch heute regelmäßig von Menschen aus aller Welt aufgesucht, die sich für Gröning interessieren. Zuletzt sei ein Professor aus Australien dagewesen, erzählt Krämer.

Er habe gefragt, ob er, Krämer, Gröning damals berührt habe. "Ich glaub' schon", antwortete Krämer. Da bat der Australier ihn, ihm die Hand zu geben. "Ja ich spür schon, wie die Kraft auf mich übergeht", sagte er.

"Na ja", sagt Krämer schmunzelnd, "da soll sich jeder denken, was er will."

© SZ vom 6. Oktober 2009/odg - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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