Würzburg:Missbrauch in der Kirche: Ein Verdacht für immer und ewig

  • Die Würzburger Justiz ermittelt gegen einen Pfarrer, der vor Jahren eine Jugendliche missbraucht haben soll.
  • Der Beschuldigte bestreitet der Vorwürfe der inzwischen 44-Jährigen Frau.
  • Zu einem Prozess wird es aber möglicherweise nie kommen - die Verjährungsfrist ist verstrichen.

Von Katja Auer, Würzburg

Es gibt nur zwei Leute, die genau wissen, was damals im Spätsommer 1988 im Exerzitienhaus Himmelspforten wirklich passiert ist. Deren Versionen sind aber gänzlich unterschiedlich. Eine Frau, heute 44 Jahre alt, wirft einem Geistlichen vor, er habe sie damals zum Oralsex gezwungen. Der Priester bestreitet das.

Wer recht hat, wird möglicherweise nie geklärt, denn einen Prozess wird es wahrscheinlich nicht geben. Zu lange ist alles her, strafrechtlich ist womöglich alles verjährt. Das prüft die Staatsanwaltschaft Würzburg gerade, sie hat Ermittlungen eingeleitet. Ein paar Wochen werden die zunächst dauern. 1988 betrug die Verjährungsfrist für Sexualdelikte 20 Jahre vom 18. Geburtstag des Opfers an, es kann also gut sein, dass gar nichts passiert.

Die mutmaßlich missbrauchte Frau wird dann nie die Genugtuung erfahren, dass ihr Peiniger von einem Richter bestraft wird, wenn er ihr etwas angetan hat. Und der beschuldigte Mann wird sich nie offiziell entlasten können, wenn er tatsächlich nichts getan hat. Ein strafrechtliches Vakuum nennt das der Kriminologe Klaus Laubenthal und fordert, die Verjährungsfrist für Sexualdelikte abzuschaffen. Schließlich sei längst bekannt, dass Opfer oft erst Jahrzehnte später darüber sprechen könnten, was ihnen widerfahren ist.

Laubenthal ist Strafrechtsprofessor an der Uni Würzburg und Missbrauchsbeauftragter der Diözese. Ihm hat sich die Frau offenbart, er hält es für plausibel, dass sie vor 28 Jahren missbraucht wurde. "Es passt räumlich, es passt zeitlich, es besteht eine gewisse Wahrscheinlichkeit", sagt er. Genau das meldete er dem Bischof und empfahl eine kirchenrechtliche Untersuchung. Die Staatsanwaltschaft müssten der Bischof oder sein Stellvertreter einschalten, so sehen es die Leitlinien für den Umgang mit sexuellem Missbrauch Minderjähriger der Deutschen Bischofskonferenz vor. Allerdings tat das niemand, die Staatsanwaltschaft habe erst aus den Medien von den Vorwürfen erfahren, sagt ein Sprecher am Freitag.

Im Herbst 2012 soll Bischof Friedhelm Hofmann zum ersten Mal von dem Fall gehört haben, mehr als ein Jahr später wurde der Missbrauchsbeauftragte mit der Angelegenheit befasst. Eine innerkirchliche Untersuchung in München kam zu einem anderen Schluss als Laubenthal, ein beauftragter Gutachter schloss zwar nicht aus, dass es einen Missbrauch gegeben habe, beurteilte es aber als unwahrscheinlich. Mit Empfehlung der Glaubenskongregation aus Rom wurde das Verfahren daraufhin eingestellt, die Staatsanwaltschaft gar nicht erst informiert. Offenbar auch deshalb, weil der Generalvikar und der Beschuldigte selbst davon ausgingen, dass die Vorwürfe verjährt seien. Das klingt freilich zumindest kurios, dass die Meinung des Beschuldigten dabei offenbar gefragt war, am Sachverhalt ändert es nichts. Den damaligen Generalvikar kann man nicht mehr fragen, wie es war. Karl Hillenbrand starb im November 2014.

Der Bischof betont, dass er dem Priester glaube

Das Bistum Würzburg hat eine lange Stellungnahme abgegeben und darin bestritten, dass dem beschuldigten Priester Vorteile gewährt wurden, wie es in einem Medienbericht heißt. Er habe nicht in Akten zu seinem Fall stöbern dürfen, vielmehr habe er "im Übereifer bei der Aufklärung helfen zu wollen" selbst Unterlagen herausgesucht, teilte die Diözese mit.

Das kann man plausibel finden oder auch nicht, es gibt Anhaltspunkte für diese wie für jene Variante. Nur kein offizielles Verfahren, das alles aufklären könnte. Und so wirft die 44-Jährige dem Geistlichen weiterhin öffentlich Missbrauch vor, und der lässt dies bestreiten. Der Bischof betont, dass er dem Mann glaube und ihm voll vertraue. Der Missbrauchsbeauftragte Laubenthal hält die Vorwürfe weiter für plausibel. Gerade geht er Hinweisen auf ein zweites mögliches Opfer nach.

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