Würzburg:Bestattet im Baum

Eine neue Beisetzungsform wendet sich an Naturfreunde

Werner Fleckstein hatte sich nie viele Gedanken um seine Bestattung gemacht. Der 66-jährige Würzburger betrachtete den Tod eher aus praktischen Gesichtspunkten. Aber als er Anfang September eine Ausstellung von Bambus- und Weidesärgen des Würzburger Bestattungsunternehmens "Welt-Bestattung" besuchte, faszinierte ihn das Thema. Und Fleckstein traf eine Entscheidung. "Aber das ist schon was sehr Persönliches", sagt er. So persönlich, dass er seinen richtigen Namen nicht in der Zeitung lesen will.

Fleckstein entschied sich für den "Tree of Life" ("Baum des Lebens"). Dabei wird der Leichnam in Deutschland eingeäschert, die Asche im Ausland mit Blumenerde vermengt, in die ein Setzling gepflanzt wird. Nach einem halben Jahr kann der junge Baum wieder nach Deutschland eingeführt und gepflanzt werden. Die Route übers Ausland ist notwendig, um die in weiten Teilen Deutschlands geltende Friedhofspflicht zu umgehen. Ob im Sarg oder der Urne - in Bayern müssen die Überreste von Verstorbenen auf Friedhöfen beigesetzt werden.

Für Fleckstein ist diese Regelung eine Bevormundung: "Ich hab generell was gegen Pflichten." Grundsätzlich habe er kein Problem mit Friedhöfen und Friedwäldern, aber jeder müsse die Möglichkeit haben, das für sich passende Angebot zu finden. Die Idee, in einem Baum bestattet zu sein, gefällt dem Würzburger, der sein ganzes Leben lang in freier Natur unterwegs war: "Der Wald und ich sind eins."

Auf ihrer Webseite bietet Tree of Life verschiedene Baumarten an. Fleckstein hat sich für eine deutsche Eiche entschieden - und einen Platz hat er auch schon gefunden: Der Baum soll im Garten seiner jüngeren Schwester gepflanzt werden. "Ich war ja schon immer in Würzburg verwurzelt", erklärt Fleckstein. Der Rentner nähert sich dem Thema Bestattung mit Humor. Da er neben Mutter und Schwester keine weiteren Verwandten hat, wird es wohl auch nicht zum Streit über die Besuchsrechte für seinen Baum kommen.

Dass es die Möglichkeit gibt, sich in einem Baum beisetzen zu lassen, liegt in erster Linie an zwei Brüdern aus Brandenburg: der eine Bestatter, der andere Gärtner. Zusammen tüftelten sie das Tree-of-Life-Konzept aus, inzwischen arbeiten sie bundesweit mit Bestattern zusammen - mit wachsendem Erfolg. "Baumbestattungen sind sehr beliebt", bestätigt Angela Stegerwald, Geschäftsführerin von "Welt-Bestattung" in Würzburg. Inzwischen führt sie regelmäßig Baum-Beisetzungen durch. Auch die Politik gibt dem Wunsch nach individueller Bestattung nach: Bremen schaffte Anfang des Jahres als erstes Bundesland die Friedhofspflicht ab.

Doch nicht jeder ist begeistert. Der Sprecher der Evangelischen Landeskirche nennt die rechtliche Grundlage der Tree-of-Life-Bestattung "fraglich" und verweist auf Naturfriedhöfe als Alternative. Und Stephan Steger, Liturgiereferent des Bistums Würzburg, stellt klar: "Die Vorstellung vom indirekten Weiterleben des Menschen in einem Baum widerspricht dem christlichen Glauben von der Auferstehung des Menschen in Gott. Diese Form der Bestattung liegt den östlichen Wiedergeburtsvorstellungen näher als dem christlichen Glauben." Tatsächlich scheinen Angehörige auf ein Weiterleben des Verstorbenen zu hoffen. "So ist unser Liebster nicht komplett von uns gegangen und hat einen sonnigen Platz auf der Lichtung in unserem Waldgrundstück bekommen", schwärmt eine Kundin auf der Webseite.

Für Fleckstein spielen solche Überlegungen keine große Rolle. Der gelernte Chemielaborant hat einen naturwissenschaftlichen Blick aufs Sterben und spricht eher von seinen Atomen als einer Seele. Aus der katholischen Kirche ist er schon lange ausgetreten. Aber auch seine gläubigen Verwandten hätten kein Problem mit seiner Entscheidung. Wenn sich seine Schwester beim Gießen der jungen Eiche ihm verbunden fühlt, ist ihm das nur recht. "Letztlich geht es um die Hinterbliebenen."

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