Wölfe:Jagd auf die Freigänger

Wölfe: Einer der ausgerissenen Wölfe überquerte eine Straße in der Nähe des Nationalparks. Von den sechs Tieren, die aus dem Gehege entkamen, wurde eines vom Zug überfahren, ein weiteres erschossen.

Einer der ausgerissenen Wölfe überquerte eine Straße in der Nähe des Nationalparks. Von den sechs Tieren, die aus dem Gehege entkamen, wurde eines vom Zug überfahren, ein weiteres erschossen.

(Foto: Privat)
  • Vier der sechs ausgebrochenen Wölfe sind immer noch im Bayerischen Wald unterwegs.
  • Der Nationalpark will scharf auf sie schießen lassen und warnt, die Tiere könnten sich mit einem Rudel im südöstlichen Teil des Nationalparks vermischen.
  • Wer das Schloss zum Wolfsgehege geöffnet und die Tiere freigelassen hat, ist weiter offen.

Von Matthias Köpf, Lindberg

Für Josef Heigl wäre ja schon der Luchs mehr als genug, aber der Wolf, der ist für ihn "noch mal in einer ganz anderen Liga". Denn der reiße nämlich nicht nur die Kitze wie der Luchs. "Der Wolf packt die alten Rehgeißen auch noch zamm."

Dass dem Nationalpark Bayerischer Wald in der Nacht auf Freitag sechs Wölfe entkommen sind, weil jemand das Tor des Freigeheges am "Haus zur Wildnis" bei Ludwigsthal geöffnet hat, bestärkt den Vorsitzenden der "Bürgerbewegung zum Schutz des Bayerischen Waldes" in seiner Haltung. Heigl wäre froh, wenn die vier noch frei herumlaufenden Wölfe möglichst bald erschossen würden, und wenigstens darüber könnte er sich mit Nationalparkleiter Franz Leibl fast einig werden.

Leibl muss seit Freitag unablässig erklären, wann wo ein Wolf gesehen wurde und warum ihn die drei Dutzend Wildhüter, Berufsjäger und Forstleute nicht erwischt haben - nicht in den inzwischen sieben Fallen, nicht mit den Pfeilen der Betäubungswaffen und nicht mit den Kugeln der Jagdgewehre. Nur einen Wolf, der sich nicht von den Siedlungen fernhalten wollte, hat ein Jäger am Sonntag nahe der Ortschaft Zwieselerwaldhaus erschossen. Ein Tier war noch in der ersten Nacht unweit des Geheges von einem Zug überfahren worden. Ein Wolf streift laut Leibl jenseits der tschechischen Grenze rund um den Spitzberg, der dort Špičàk heißt.

Zwei Tiere wurden zuletzt beim Großen Falkenstein gesehen, wo sich ihre Spur aber inzwischen verloren hat, sodass die Chancen schwinden, sie bald zu fangen. Ein Tier lasse sich aber nahe Buchenau lokalisieren. Es sei offenbar hungrig und geschwächt und lahme womöglich auch schon. Am Montag ist ein zweiter Versuch gescheitert, diesen Wolf mit dem Betäubungsgewehr zu treffen.

Wenn sich die Gelegenheit ergibt, will Leibl inzwischen auf alle vier flüchtigen Tiere scharf schießen lassen, was dem Nationalpark wutschäumende Kommentare in den sozialen Medien einbringt. Man wolle die Tiere aber unbedingt erwischen - "tot oder lebendig", wie Leibl sagt. Denn die Wölfe aus dem Gehege sind an die Menschen gewöhnt und meiden sie daher nicht so, wie es wild lebende Wölfe tun. Genau deswegen wäre es für Leibl "der Super-GAU", wenn sich diese Tiere mit dem Rudel vermischen würden, das sich mit dem ersten Nachwuchs in diesem Jahr im südöstlichen Teil des Nationalparks gebildet hat.

Ein mulmiges Gefühl, aber keine Hysterie

Dabei gehe es nicht um eine genetische Vermischung, sondern darum, dass die Gehege-Wölfe ihr erlerntes Verhalten samt mangelnder Menschenscheu nicht an die nächste Generation weitergeben sollen. Dies liege im Interesse von Wolf und Mensch, sagt Leibl, der nach wie vor nicht erklären kann, wer die Tiere freigelassen hat und warum das Gehege nur mit einem so einfachen Vorhangschloss gesichert war. Es würden inzwischen alle Gehege überprüft und neue Schlösser beschafft - diesmal "Top-Schlösser, das Sicherste vom Sicheren".

Josef Heigl mag nicht so recht an Leibls Spekulation glauben, dass das Schloss von einem Wolfsgegner geöffnet wurde, der so die landesweite Debatte über den Wolf weiter anheizen wollte. Heigls Verein wurde vor 20 Jahren gegründet, um die Erweiterung des Nationalparks auf die heutige Größe zu verhindern. Mit der hat er sich immer noch nicht abgefunden, doch inzwischen will sich der Vorstand stärker dem Thema Raubtiere zuwenden.

"Wir haben über Generationen leben können ohne den Wolf, und jetzt ginge das auf einmal nicht mehr", sagt Heigl, der als Vorsitzender 1500 Mitglieder vertritt. Die Wölfe würden erst die Wälder leerjagen, dann Damwild, Schafe und Kühe töten und sich am Ende in den Orten über die Biotonnen hermachen, sagt er voraus. Sein Verein unterstütze eine Anti-Wolfs-Petition aus Sachsen.

Inzwischen erinnert man sich in der Region wieder an einen Wolfsausbruch 1976, als ein Vierjähriger gebissen wurde und mancher sogar nach einem Einsatz der Bundeswehr rief. Davon ist die Region heute weit entfernt. Es herrsche weder Hysterie noch Panik, sagt die Lindberger Bürgermeisterin Gerti Menigat. "Da ist der Waidler einfach ein bisschen bodenständiger als der Rest der Welt." In den Dörfern im Wald gebe es vielleicht ein etwas mulmiges Gefühl und ansonsten viel Mitleid mit den unschuldigen Wölfen sowie Zorn auf denjenigen, der das Tor geöffnet hat. Über wilde Wölfe mache man sich kaum Sorgen. "Der Biber ist für uns momentan ein größeres Problem." Denn der habe mit seiner Dammbauerei neulich den Tennisplatz in Lindbergmühle unter Wasser gesetzt.

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