Wirtschaft:Tarifvertrag mit Unbekannten

IG Metall will Kontraktlogistiker binden. Offen ist, wer genau das ist

Von Maximilian Gerl, Wallersdorf/München

An diesem Freitag verkündet die IG Metall Bayern den Abschluss eines Firmentarifvertrags. Für 400 Mitarbeiter in einem BMW-Verteilzentrum in Wallersdorf bei Dingolfing gelten dann neue Regelungen bei Vergütung, Arbeitszeit und Co. Das Verteilzentrum wird unter anderem von der Firma Imperial betrieben, ihre Staplerfahrer bekommen künftig 5500 Euro mehr im Jahr, Leiharbeiter an einen Zuschlag von 30 Prozent. Allerdings geht es dabei nicht um einen normalen Tarifvertrag. Denn es herrscht gewerkschaftlicher "Häuserkampf", wie es die IG Metall selber nennt. Allerdings ohne klar definierbaren Kontrahenten.

Auf der einen Seite steht die IG Metall Bayern. Deren Chef Jürgen Wechsler sagt: "Wir werden mit jedem einzelnen Betrieb Verhandlungen aufnehmen." Sprich, mit der anderen Seite, Arbeitgebern aus dem Bereich Kontraktlogistik. Die Frage ist nur, wer dazu eigentlich zählt. Denn die Kontraktlogistik ist jung, die Übergänge zu anderen Branchen fließend. Bayernweit sind der IG Metall bislang 8500 Werkverträge mit Bezug zur Kontraktlogistik bekannt, wahrscheinlich seien es aber mehr als 10 000, heißt es, Tendenz steigend.

Wirtschaftswissenschaftler vertreten unterschiedliche Auffassungen darüber, was Kontraktlogistik genau ist. Stark vereinfacht funktioniert das Geschäftsmodell so: Ein Logistikunternehmen übernimmt neben der Lieferung zusätzliche logistiknahe Aufgaben - bei einem Kunden aus der Metall- und Elektroindustrie etwa einen kleinen Teil der Fertigung. Statt Bauteile einfach von A nach C zu transportieren, legen die Laster einen Zwischenstopp bei B ein. Dort führen Mitarbeiter des Logistikunternehmens - die Kontraktlogistiker - Arbeiten aus, montieren zum Beispiel zwei Bauteile zusammen, bevor sie diese an den Kunden weiterschicken. Der erhält einen Mehrwert und spart sich Arbeit. Die Logistikunternehmen profitieren von der zusätzlichen Einnahmequelle. Insgesamt kann Produzieren so günstiger, schneller und effizienter werden.

Aus Gewerkschaftssicht allerdings hat das Geschäft einen Haken. Denn für Logistiker gelten die Tarifverträge von Verdi, für Metall- und Elektrobauer die der IG Metall. Kontraktlogistiker sitzen damit zwischen den Stühlen. Im schlechtesten Fall kann es deshalb passieren, dass sie die Arbeit der Metall- und Elektrobauer machen, aber nach niedrigeren Maßstäben bezahlt werden. Und das nicht einmal einheitlich. Erst mussten sich IG Metall und Verdi verständigen, wer wann für wen zuständig ist. Dann, Ende März, scheiterten die Verhandlungen über einen bundesweiten Tarifvertrag zwischen IG Metall, dem Deutschen Speditions- und Logistikverband und dem Arbeitgeberverband für die Metall- und Elektroindustrie Gesamtmetall. Über die Gründe wurde offiziell wenig verlautbart; angeblich lagen die Meinungen zu weit auseinander, was die Reichweite der Tarifverträge, ihre Verbindlichkeit und die Höhe der Löhne betraf.

Die IG Metall Bayern will nun in ihrem Häuserkampf die Belegschaften weiterer Logistikdienstleister auf ihre Seite ziehen. Theoretisch kommt in Frage, wer auf einem Werksgelände arbeitet oder fast ausschließlich für einen Kunden aus dem Bereich Autobau und -zulieferung. Auch deren Betriebsräte sind in der Regel nicht begeistert, wenn in ihren Hallen Kontraktlogistiker und Leiharbeiter die gleiche Arbeit wie die Stammbelegschaft erledigen - nur eben für ein geringeres Gehalt. "Wir wollen keine Mehr-Klassen-Gesellschaft bei den Beschäftigten", sagte etwa BMW-Betriebsrat Thomas Zitzelsberger in Dingolfing. "Auf dem BMW-Gelände sollen alle Beschäftigten möglichst gleich behandelt werden." Auch IG-Metall-Chef Wechsler sagt, es gehe darum, gleiche Arbeitsbedingungen in der Kontraktlogistik herzustellen. "So wirken wir der Tarifanarchie in der Branche entgegen." Klingt, als würde der Häuserkampf gegen Unbekannt noch eine Weile weitergehen.

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