Wirtschaft:Spitzenstandort mit Makel

Unternehmen beurteilen ihre Situation unterschiedlich gut

Von Maximilian Gerl

Bayern, ein internationaler Spitzenstandort mit regional unterschiedlichen Profilen und Problemen: So lässt sich eine aktuelle Studie der Vereinigung derbayerischen Wirtschaft (VBW) zusammenfassen. Dafür wurden rund 1000 bayerische Firmen befragt, wie sie die Situation in ihrer Region bewerten. Das Papier ist damit eine Art Bilanz für 2016 - und gibt gleichzeitig Ausblick, vor welchen Herausforderungen die einzelnen bayerischen Regierungsbezirke für 2017 stehen. Natürlich aus Unternehmersicht, insbesondere aus Sicht der Industrie. "Sie erzielt über ein Viertel der gesamtwirtschaftlichen Wertschöpfung", so Bertram Brossardt, Geschäftsführer der VBW.

In der Oberpfalz etwa ist die Industrie besonders stark. Die Arbeitslosenquote ist relativ niedrig, vor allem Regensburg boomt. Eigentlich eine Erfolgsgeschichte. Wäre da nicht der demografische Wandel in den ländlichen Gebieten der Oberpfalz und der daraus resultierende Fachkräftemangel: Die Lage sei angespannt, schreiben die Macher der Studie.

Eine Verschärfung des Fachkräftemangels droht an vielen Orten. Bayern brauche ein "ganzheitliches Lösungskonzept", fordert Brossardt. "Potenziale bestehen vor allem noch bei Älteren, Frauen und Jugendlichen." Allerdings unterscheiden sich die Gründe für den Fachkräftemangel von Region zu Region. Beispiel Oberbayern: Dort gibt es viele Universitäten, Innovationsschmieden und Jobs, eine gute Infrastruktur. Das führt zu regem Zuzug. Bezahlbarer Wohnraum ist inzwischen knapp geworden, nicht nur in München, auch im Umland, in Rosenheim, in Ingolstadt. Wo aber Wohnungen fehlen, können keine neuen Fachkräfte siedeln. Handlungsbedarf, befindet die Studie. Heißt: Die Politik soll für mehr bezahlbaren, attraktiven Wohnraum sorgen.

Den meisten Handlungsbedarf sehen Unternehmen indes in Oberfranken. Bayernweit bewerten sie die Standortqualität dort am schlechtesten. Die Arbeitslosigkeit ist relativ hoch, die Kaufkraft niedrig, die Infrastruktur mangelhaft. In Bamberg, Coburg oder Hof gebe es zwar Jobs, aber die Wege dorthin seien zu weit, bemängelt die Studie. Abhilfe könne ein Ausbau des öffentlichen Personennahverkehrs schaffen.

Die Studie identifiziert auch Herausforderungen, bei denen dem Freistaat die Hände gebunden sind. Steuer- oder Energiereformen werden in Berlin gemacht. Beim Breitband hingegen darf sich die Staatsregierung angesprochen fühlen. "Das Thema Digitalisierung ist von großer Bedeutung", sagt Brossardt. Tatsächlich investiert Bayern seit Jahren viel Geld in seine digitale Infrastruktur. Aus Sicht der Wirtschaft offenbar nicht genug. Laut der Studie ist die Hälfte der bayerischen Unternehmen mit den heute verfügbaren Bandbreiten unzufrieden. Eine Lösung: mehr Geld, mehr Investitionen. "Eine breite Mehrheit wünscht sich über die Infrastruktur hinaus hier noch weitere staatliche Aktivitäten", so Brossardt.

In der Summe allerdings, auch das zeigt die Studie, sind die Unternehmer mit der Situation zufrieden. Gefragt, ob sie sich heute wieder für Bayern als Standort ihres Betriebs entscheiden würde, antworteten fast alle mit: ja.

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