Nachhaltigkeit:Wie ein Start-up aus Plastikmüll Waschbecken machen will

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Tonnenweise Rohstoff: Aus den Meeren gefischt soll Plastikmüll zu Granulat für den 3-D-Drucker werden, der wiederum Objekte produziert. (Foto: Sandhelden/oh)

Das Geschäftsmodell heißt: individualisierte Bad- und Interieur-Objekte aus dem 3-D-Drucker. Kunden gibt es auch schon.

Von Maximilian Gerl, Gersthofen

Wie Peter Schiffner die Sache erklärt, klingt sie recht einfach. Eine Umweltschutzorganisation liefert gesammelten Plastikmüll. Den häckselt man winzig klein. Das Pulver trägt ein 3-D-Drucker Schicht für Schicht auf, Körnchen, Klebstoff, Körnchen, bis Konturen entstehen. Aus Müll wird ein Objekt, eine Lampe zum Beispiel, eine Badewanne oder ein Waschbecken. "Recycling", sagt Schiffner.

Umweltschutz und Geld verdienen, in Gersthofen bei Augsburg versucht sich das Start-up Sandhelden an diesem Spagat. Das Geschäftsmodell: individualisierte Bad- und Interieur-Objekte aus dem 3-D-Drucker. Der Kunde entscheidet über das Design, vor allem aber über das Material. Das kann Sand sein, daher der Name der Firma - aber auch Plastikmüll aus den Weltmeeren. Dabei ist es normalerweise für die Wirtschaft uninteressant, Müll aus dem Meer zu fischen. Zu gering ist offenbar der Verdienst. Doch Schiffner, 26 Jahre alt, definiert "Mehrwert" anders: "aus Müll etwas Wertvolles machen".

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Bis dahin ist es allerdings ein weiter Weg. Schon während des Architekturstudiums interessiert sich Schiffner für 3-D-Druck. 2014 gründet er zusammen mit dem Niederländer Laurens Faure Sandhelden. Gemeinsam analysieren und probieren sie Materialien und Verfahren aus. Schließlich passt alles, der 3-D-Drucker spuckt das erste Waschbecken aus Sand aus. 2017 verlegen sie die Produktion nach Gersthofen, wo eine Partnerfirma sitzt.

Inzwischen fertigt Sandhelden 40 bis 50 Produkte im Monat. Die Bestellungen kommen über einen Online-Shop herein, bisweilen fragen Architekten gezielt für Bauprojekte nach. Wenn alles klappt, soll der Umsatz in ein paar Jahren auf rund eine Million Euro klettern. Wer mit Produzieren Gewinn machen will, muss die Stückzahl hochtreiben, der Kosten wegen.

Doch Schiffner und Faure wollen auch etwas Sinnvolles tun. So verfallen sie auf Plastikmüll. Die Meere sind voll davon. Dort zerfällt er in immer kleinere Partikel, das Mikroplastik vergiftet die Körper von Tier und Mensch. Sandhelden geht mit dem Fraunhofer Institut eine Kooperation ein, um herauszufinden, wie man Kunststoff per 3 -D-Drucker effizienter verarbeiten kann. Schiffner sagt, technologisch sei es vorher nicht möglich gewesen, Plastik zu 100 Prozent zu recyceln. "Hier wollten wir ansetzen."

Ein geschlossener, nachhaltiger Kreislauf

Tatsächlich hat die Kombination aus Kunststoff und 3-D-Druck seine Tücken. Für das Drucken wird das Ausgangsmaterial erhitzt, in Düsen gepresst und schichtweise aufgesprüht. Zuvor muss es in 60 Mikrometer große Körnchen gehäckselt werden. Kunststoff droht dabei zu schmelzen. In Gersthofen haben sie inzwischen eine Lösung dafür gefunden: Sie schockgefrieren das Plastik, bevor sie es in den Schredder und schließlich in den Drucker kippen. Sollte das fertige Produkt mal abgenutzt sein, kann der Kunde es einschicken; es wird dann erneut zerkleinert und gedruckt, ohne Verlust, ohne Gebrauch von Zusatzstoffen. "Der Kreislauf ist geschlossen", sagt Schiffner. Damit könne man als erste Firma ein "komplett nachhaltiges Konzept" anbieten.

Bevor die Plastik-Reproduktion in Serie gehen kann, wartet allerdings noch eine letzte Hürde: das Geld. Um sich zu finanzieren, versucht Peter Schiffner, 15 000 Euro über die Crowdfunding-Plattform Kickstarter zu sammeln. "Leider findet man nicht so leicht Investoren." Viele scheuten die Mühen des produzierenden Gewerbes, konzentrierten sich lieber auf Internet-Start-ups. Vielleicht ist das ja die wahre Krux am Geldverdienen mit Umweltschutz: Andere Geschäftsmodelle sind einfacher zu erklären.

© SZ vom 20.03.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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