Wintersport:Oberstdorf geht volles Risiko für die WM 2021

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Spur ins Grüne: An Bilder wie dieses aus Oberstdorf werden sich Zuschauer und Athleten gewöhnen müssen. (Foto: Karl-Josef Hildenbrand/dpa)
  • Oberstdorf muss seine Sportstätten für die nordische Ski-WM 2021 modernisieren.
  • Die Gemeinde ist hoch verschuldet, außerdem rennt die Zeit davon.
  • Um die Aufträge nicht EU-weit ausschreiben zu müssen, sollen die einzelnen Arbeiten so klein gestückelt werden, dass das nicht mehr notwendig ist.

Von Christian Rost, Markt Oberstdorf

Keiner dürfe mehr schlafen, mahnte der Oberallgäuer Landrat Anton Klotz (CSU) kürzlich die Gemeinderäte in Oberstdorf und meinte damit die Planungen für die nordische Ski-Weltmeisterschaft im Jahr 2021. Monatelang hatte sich der Gemeinderat Zeit gelassen mit Beschlüssen, wie das Mammut-Projekt finanziert werden soll. Nun soll es plötzlich ganz schnell gehen.

An diesem Donnerstag will Bürgermeister Laurent Mies (Freie Wähler) das Gremium über die Vergabe der Planungsleistungen für die Modernisierung der Sportstätten abstimmen lassen. Dabei geht es um stattliche Summen: 38,6 Millionen Euro sollen insgesamt investiert werden, geschätzte 5,6 Millionen davon entfallen allein auf Architekten und Planer. Bei solch einem Volumen liegt es auf der Hand, dass das Bauprogramm europaweit ausgeschrieben werden sollte. Doch der Oberstdorfer Gemeinderat geht offenbar aus Zeitnot einen eigenen Weg, der zur Sackgasse für die schon hoch verschuldeten Gemeinde werden könnte.

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Dabei bekam der Ort im Oberallgäu den Zuschlag auch deswegen, weil die Sportstätten schon da sind. Doch die Modernisierung ist teurer als gedacht.

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Im Juli hatte der Gemeinderat einer europaweiten Ausschreibung der Planungsleistungen noch zugestimmt. Angesichts der hierfür anfallenden Kosten von rund zwei Millionen Euro allein für das Skisprungstadion am Schattenberg und geschätzten 3,6 Millionen Euro für das Skilanglaufstadion Ried wäre dies auch der rechtlich vorgegebene Weg für ein korrektes Vergabeverfahren gewesen. Nun aber wagt die Marktgemeinde eine Balanceakt: Die Aufträge an die Planer wurden so lange gestückelt, bis sie jeweils unter dem Schwellenwert liegen, der eine EU-weite Ausschreibung erforderlich macht. Jede einzelne Leistung wird nun gesondert vergeben: für die Tragwerksplanung, für die Objektplanung und den Ingenieurbau, für die Freianlagen, für die technischen Ausrüsten, die Vermessung, Geotechnik und den landschaftspflegerischen Begleitplan.

Nach dem in der EU geltenden "Government Agreement" müssen alle Planungs- und Bauleistungen, die über einem Nettobetrag von 209 000 Euro liegen, öffentlich ausgeschrieben werden. Alle Aufträge unterhalb dieser Grenzen kann die Gemeinde nach eigenem Ermessen freihändig vergeben, ohne die Fristen der EU beachten zu müssen. 100 Tage Vorlauf müssen für eine EU-Ausschreibung angesetzt werden, und diese Zeit spart sich die Gemeinde nun, indem sie auf eine öffentliche Ausschreibung verzichtete und bei verschiedenen Planungsbüros im Allgäu anfragte, ob sie einen der Aufträge übernehmen wollten. Der Landschaftplaner Michael Borth in Sonthofen wurde angesprochen und bewarb sich auch für einen Auftrag. Auch das Planungsbüro Sieber in Lindau stand auf der Liste und hatte grundsätzlich Interesse. Ein Angebot habe man dann aber nicht abgegeben, weil nur Teile des Projekts interessant seien. Es gibt auch eine Reihe von Planungsbüros, die nicht angefragt wurden.

Die Gemeinde riskiert mit ihrer Vergabepraxis, dass die nicht berücksichtigten Planungsbüros dagegen klagen könnten. In diesem Fall kann die für das Verfahren zuständige Vergabekammer Südbayern der Regierung von Oberbayern die Vergaben noch ein halbes Jahr rückwirkend aufheben. Das wäre sportlich und wirtschaftlich eine Katastrohe für Oberstdorf, das nicht nur finanziell klamm, sondern bei den Planungen für die norische Ski-WM auch zeitlich erheblich in Verzug ist.

Am gravierendsten sind die finanziellen Risiken

Dass der Ausbau des Skilanglaufstadions und des Skisprungstadions rechtzeitig zur sogenannten Vor-WM im Jahr 2020 abgeschlossen werden, daran glauben selbst Optimisten nicht mehr. Sogar Bürgermeister Mies bezeichnete die Maßnahmen zur WM-Ertüchtigung als "anspruchsvoll", und Landrat Klotz sprach von einer "gewaltigen Herausforderung". Gravierender für die Gemeinde sind aber die finanziellen Risiken. Bereits die WM 2005 war ein Desaster, als 24 Millionen Euro in die Sportstätten gepumpt wurden und sich der Ort über Jahre nicht von diesem Kraftakt erholte. Es musste sogar eine Haushaltssperre verhängt werden.

Vor diesem Hintergrund geht Oberstdorf ein Wagnis ein. Schon jetzt beläuft sich die Pro-Kopf-Verschuldung auf 5088 Euro, in vergleichbaren Gemeinden sind es 791 Euro. Und es ist auch völlig offen, ob die für die WM 2021 veranschlagten 38,5 Millionen Euro ausreichen werden und wie viel davon Bund und Land übernehmen.

Bei dem Betrag handle es sich nämlich nur um eine grobe Schätzung, das räumt auch der Bürgermeister ein. Wie dann noch andere dringende Projekte in Oberstdorf finanziert werden sollen - ein neues Hallenbad für 30 Millionen Euro, die Verlegung des Bauhofs für 14 Millionen und der Bau von kommunalen Wohnungen -, dahinter steht ein großes Fragezeichen. Bei einem Schuldenstand von jetzt schon 49 Millionen Euro ist daran nicht zu denken, sagt Grünen-Gemeinderat Siegmund Rohrmoser.

© SZ vom 08.11.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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