Unternberg in Ruhpolding:Ein Berg für alle Wintersportler

Wintersport am Unternberg

Am Unternberg ist für alle Wintersportler Platz.

(Foto: Korbinian Eisenberger)

Viele Skigebiete in Oberbayern locken inzwischen Schlittenfahrer, Schneeschuhwanderer und Tourengeher gleichermaßen. So wie der Unternberg in Ruhpolding.

Von Korbinian Eisenberger

Die Schnittstelle liegt auf halber Höhe des letzten Hanges. Dort steht ein Zaun mit einem zehn Meter breiten Tor. Diese Stelle muss jeder passieren, der den Berg rauf oder runter will. Entweder mit dem Schlitten, dann fährt man den Zaun entlang am Tor vorbei. Oder mit Schneeschuhen oder Skiern - dann muss man durchs Tor durch. Und zwar möglichst so, dass einen kein Rodler über den Haufen rennt. Seit vier Jahren steht der Zaun mit den Warnschildern da, auch an diesem Samstagmittag, wo gerade ein Bub mit seinem Bob vorbeirauscht. Ein Schneeschuhwanderer bleibt kurz stehen. Dann geht es unfallfrei weiter.

Am Unternberg in Ruhpolding kommen sie alle zusammen: Bergwanderer, Schneeschuhwanderer, Splitboarder, Tourengeher, Rodler und klassische Skifahrer. Wo vor fünf Jahren nur Pistenfahrer und vereinzelte Tourengeher zu sehen waren, sind jetzt alle relevanten Geräte versammelt, die der Bergsport im Winter so kennt. Der Berg ist zwar der gleiche geblieben. Die Menschen hier haben ihn aber umfunktioniert. Seit 2014 führt eine Rodelbahn von dem 1425 Meter hohen Massiv runter bis zur Talstation der Sesselbahn. Dort steigen jetzt keine Skifahrer mehr ein, sondern Menschen mit Schlitten und Bob.

Lange war der Unternberg als reiner Skifahrerberg bekannt. Genutzt haben ihn vor allem die Einheimischen im Chiemgau und die Skivereine in Ruhpolding und Umgebung: Zwei Lifte, ein Schlepper unten, und eine Zweier-Sesselbahn oben. Ein kleines, schnuckliges Skigebiet, wo einem der Liftmann noch den Bügel reicht, und wo es auf den harten Sitzen der Sesselbahn zieht, weil es keine Haube gibt. Das Paradebeispiel für einen Hausskiberg, wie es in Bayern so viele gibt. Oder besser gesagt gab.

In den vergangen 20 Jahren ist es immer schwieriger geworden ist, solche kleinen Skiberge so zu betreiben, dass es sich noch rentiert. Die großen Gebiete mit ihren Pistenkilometern und ihren Arsenalen an Schneekanonen haben die kleinen nach und nach erdrückt. Zum Beispiel den Rauschberg, einen direkten Nachbarn des Unternbergs. "Die Steinplatte ist nur 15 Kilometer weg von uns", sagt Roland Schnaitmann, er ist der Chef der Rauschbergbahnen.

"Es war nicht mehr rentabel, die Pisten zu präparieren", sagt er. Und so stellte er den Skibetrieb am Rauschberg ein, wie viele andere bayerische Bergbahnen auch. Nahe Garmisch erwischte es fast zeitgleich die Wankbahn. Seit drei Jahren - eines der jüngeren Beispiele - stehen die Lifte am Taubenstein still: Zu unrentabel ist das Winter-Geschäft auch hier geworden.

Die warmen Winter machen es nicht einfacher

Der Unternberg hat mit diesen Entwicklungen ebenfalls zu kämpfen. Die warmen Winter machen es immer schwieriger. Das Beschneien wurde so immer teurer. Die Gemeinde Ruhpolding steckte jedes Jahr eine sechsstellige Summe in den Unternberg, damit die Leute im Ort ihren Skiberg behalten konnten. "Wirtschaftlich war das nicht mehr so zu führen", sagt der Ruhpoldinger Bürgermeister Claus Pichler.

Aber die Gemeinde Ruhpolding gab nicht auf, sondern änderte stattdessen das Konzept. "Ich wurde gefragt, ob ich es dort versuchen will", sagt Roland Schnaitmann. So übernahm er den Pachtvertrag für den oberen Lift mit den zugigen Sitzen und ließ in Absprache mit der Gemeinde und den Bayerischen Staatsforsten eine fünf Kilometer lange Rodelbahn auf der Forststraße bauen, die auf den Unternberg führt. Im Dezember kam noch eine neue Almhütte mit Panoramafenster dazu. 200 bis 400 Skitourengeher sind dort an einem Tag am Wochenende mittlerweile unterwegs. Die Leihschlitten seien an schönen Tagen "völlig überbucht", sagt Schnaitmann, die Autos parken bis auf die Straße raus. Die Gemeinde investiert jetzt noch 40 000 bis 50 000 Euro pro Jahr. "So besteht die Aussicht, dass der untere Skilift weiter betrieben werden kann", sagt Bürgermeister Pichler.

Nur ein kurzer Weg aus München

Der Unternberg zieht die Leute wieder an. Das sieht man im Gasthaus von Florian Müller. Seit ein paar Monaten ist er der Wirt der neuen Unternberg-Alm, hoch droben, wo einem an schönen Tagen die Sonne das Gesicht aufleuchtet. Der 30-Jährige klingt zufrieden. "Es sind unglaublich viele Tourengeher und Schneeschuhwanderer da", sagt er. Dazu kommen die ganzen Rodler und Skifahrer. "Samstag und Sonntag ist es hier rappelvoll." Einheimische "und echt viele Münchner", sagt er. "Weil der Berg nicht so anspruchsvoll ist." Die A 8 runter, Ausfahrt Siegsdorf, in einer guten Stunde ist man da. Knapp zwei Stunden Aufstieg für ein bildhaftes Alpenpanorama. Ein hoher Ertrag bei wenig Zeitverlust - klar, dass der Münchner da Blut leckt.

Wer sich nicht versehentlich zum deutlich bekannteren Untersberg nach Berchtesgaden navigiert, der kommt ziemlich sicher oben an. Weil der Unternberg ein Berg für alle geworden ist. Natürlich besteht die Gefahr, dass es an sonnigen Wochenenden arg eng hergeht. Doch meistens kommen alle miteinander aus. "Zehn Prozent der Tourengeher sind uneinsichtig, manche gehen trotz Verbotstafeln in der Rodelspur", sagt Schnaitmann. Bisher aber ging das gut, in vier Saisons gab es keinen Verletzten, wenn ein Bob und ein Tourengeher sich zu nahe kamen, meint der Betreiber. Auch nicht an der Kreuzung mit dem Zaun, wo so viele vorbeiwollen.

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