Wintersport:Ausbau Sudelfeld: Warum die Bergers nicht mitmachen

Wintersport: Im Winter leben sie für die Skilifte auf ihren Almwiesen: Johann, Irmi, Heidi, Christoph, Irmgard und Sophia Berger.

Im Winter leben sie für die Skilifte auf ihren Almwiesen: Johann, Irmi, Heidi, Christoph, Irmgard und Sophia Berger.

(Foto: Claus Schunk)

Die Bergbauernfamilie gehört zu den letzten unabhängigen Liftbetreibern in dem Skigebiet. Jetzt wehren sie sich gegen den nächsten Modernisierungsschritt.

Von Georg Etscheit, Seebach

Krisensitzung bei Bergers. Die Familie sitzt um einen großen Holztisch in ihrer Almhütte auf dem Sudelfeld, die im Winter von Skifahrern bevölkert wird. Auf dem Tisch ein Blech Linzer Torte, ein Teller mit Schmalzgebackenem, diverse Aktenordner, Schriftstücke. Wenn Sepp Berger, der Patriarch, spricht, schweigen die beiden Söhne Christoph und Johann und seine Frau Irmgard. "Das müssen Sie unbedingt auch noch lesen", sagt Berger. "Letztlich geht es um unsere Existenz."

Sepp Berger, ist ein knorriger Mann, Vollbart, grobe Hände, ein Bergbauer, wie er im Buche steht. Hunderte Jahre lässt sich die Familiengeschichte der Bergers und ihres Hofes, Seebach bei Oberaudorf, zurückverfolgen. Von der Milchwirtschaft allein konnte die Familie nicht mehr leben. Deshalb stiegen die Bergers 1992 ins Liftgeschäft am Sudelfeld ein. Seither gehört ihnen, auf eigenen Almwiesen, der beliebte Rankenlift. Außerdem betreiben sie auf gepachtetem Grund den direkt daneben liegenden Grafenherberglift.

Schnee aus der Kanone ist teuer

Die Bergers gehörten zu den ersten, die auf dem Sudelfeld in eine Beschneiungsanlage investierten. "Ganz ohne staatliche Zuschüsse", sagt Berger. Das ist ihm wichtig. Nicht nur, weil die Familie unabhängig bleiben möchte, koste es was es wolle. Sondern auch, um zu zeigen, dass man nicht unbedingt einen finanzkräftigen Investor braucht oder die Hilfe des Staates, um in Zeiten des Klimawandels die Lifte am Laufen zu halten. Denn Schnee aus der Kanone ist teuer. Überall im Alpenraum gibt es deshalb einen Trend hin zu großen Skigebiets-Zusammenschlüssen mit finanzkräftigen Gesellschaften im Rücken.

Der bei Umweltschützern heftig umstrittene Ausbau des Sudelfeldes läuft seit vergangenem Jahr. Bislang wurden in einen neuen Sessellift und eine großflächige Beschneiung samt Speichersee 13 Millionen Euro investiert. 3,1 Millionen davon schoss der Freistaat zu. Organisiert wird das Großprojekt von der neuen Bergbahnen Sudelfeld GmbH, in der die meisten, bislang selbständigen Liftbetreiber aufgegangen sind. Von sieben Unternehmern sind noch drei übrig geblieben: die Bergers mit ihrem Rankenlift, die Familie Waller als Betreiberin des Rosengassenliftes und die große Bergbahnen Sudelfeld GmbH, an der unter anderem die Tiroler Pletzer-Gruppe aus Hopfgarten im Brixental, beteiligt ist.

Um die Hüttengastronomie kümmern sich die Frauen

Die Bergers haben alles hier oben noch selbst gebaut, von der unterirdischen Maschinenhalle mit eigner Pumpenstation, gebraucht gekauft in Österreich, bis zu den beiden, geschickt in die Natur eingepassten Speicherseen. "Im Sommer kommen immer die Schwalben, um zu trinken und sich feuchte Erde für ihre Nester zu holen", sagt Berger. Für die Pflege der Skipisten sind die Söhne Christoph und Johann zuständig, sie schlagen sich dafür während der Skisaison die Nächte um die Ohren. Und um die Hüttengastronomie kümmern sich die Frauen. Es hat sich vieles geändert und die Bergers sind mit der Zeit gegangen. Doch sie haben auch versucht, ihrer bäuerlichen Tradition ein Stück weit treu zu bleiben.

Die Modernisierung des Sudelfeldes, könnte der kleinen Erfolgsgeschichte ein Ende bereiten. In einem zweiten Ausbauschritt sollen nun auch der Grafenherberglift und der daran anschließende Doppelschlepper zum Sudelfeldkopf durch einen modernen Achter-Sessellift ersetzt werden. Investitionssumme: acht Millionen Euro. Die neue, hochmoderne Anlage soll die Skifexe in einem Schwung bis ganz nach oben befördern.

Georg Kittelrainer, Bürgermeister von Bayrischzell, erhofft sich davon eine weitere Belebung des Geschäfts auf dem Sudelfeld. "Wenn der Drahtverhau von drei alten Schleppliften verschwindet, gewinnt auch das Landschaftsbild." Das Landratsamt Miesbach, das den Bau genehmigen muss, nennt die Modernisierung "zukunftsorientiert". Das Konzept stelle auch wirtschaftlich eine "offensichtlich tragfähige Lösung" dar.

"Massives Unverständnis" bei den Vereinen

Die Talstation der großen Anlage würde fast direkt vor der Haustür der Bergers am Rankenlift stehen. Da der neue Sessellift die vierfache Kapazität der bisherigen Lifte hätte, befürchtet Berger, mit seinem Schlepper im Abseits zu stehen. Außerdem könnten die regionalen Skischulen wegen geänderter Pistenrouten und höherer Preise das Interesse verlieren, sagt Berger. "Ein Eingriff in den Gewerbebetrieb und damit den Beruf der gesamten Familie liegt auf der Hand", heißt es in einem Schreiben, das sein Rechtsanwalt ans Landratsamt Miesbach geschickt hat.

"Massives Unverständnis" für die Ausbaupläne gaben die Vereine des Skiverband Inngau auf Facebook zu Protokoll. Sie brächten vielleicht eine Verbesserung des Tagestourismus, beeinträchtigten aber den Ausbildungs- und Trainingsbetrieb der Skivereine in der Region. Die "derzeitige Liftkonstellation" müsse erhalten bleiben.

Bloß kein Skizirkus wie in Tirol

Wintersport: Keine Kälte, bis vor wenigen Tagen kaum Schnee: In dieser Saison macht den Bergers das Wetter mehr zu schaffen als der Streit um das Skigebiet.

Keine Kälte, bis vor wenigen Tagen kaum Schnee: In dieser Saison macht den Bergers das Wetter mehr zu schaffen als der Streit um das Skigebiet.

(Foto: Claus Schunk)

Von Anfang an hatten sich die Bergers dagegen gesträubt, in der neuen Gesellschaft aufzugehen, die jetzt in dem Traditionsskigebiet das Sagen hat. "Wir wollen uns keiner Großgesellschaft unterwerfen", sagt Sepp Berger. Und er möchte, dass das Sudelfeld kein "Skizirkus wird wie in Tirol", sondern ein Stück seiner kleinteiligen, "familiären Atmosphäre" behalte.

Egid Stadler, Geschäftsführer der Bergbahnen Sudelfeld GmbH, kann, wie er sagt, den Wunsch der Bergers nach Erhalt ihrer Eigenständigkeit zwar verstehen und versichert, dass der Kartenverbund bestehen bleibe. "Die Gäste merken nichts davon, dass es auf dem Sudelfeld immer noch mehrere Liftbetreiber gibt." Am Bau des neuen Achter-Sessels werde jedoch nicht gerüttelt. Er sei Voraussetzung für die Neuordnung des Skigebietes. Nur so werde sich das Sudelfeld in der Konkurrenz mit Österreich behaupten können.

Die Bauanträge für den neuen Achter-Sessel werden gerade geprüft, im Frühjahr soll es losgehen. Bürgermeister Kittenrainer gibt Berger kaum Chancen, das Projekt noch verhindern zu können. "Durch unsere Investitionen gewinnen alle auf dem Sudelfeld", betont Kittelrainer. Die Existenz des Rankenliftes sei durch die neue Anlage nicht gefährdet, im Gegenteil: "Die Gastronomie der Bergers am Rankenlift wird durch das erhöhte Besucheraufkommen sogar profitieren."

Keine richtige Kälte, kein Schnee weit und breit

Sepp Berger sagt, er und seine Familie seien nicht prinzipiell gegen eine Modernisierung des Skigebietes. Er hat der Bergbahnen Sudelfeld GmbH einen "Kompromissvorschlag" unterbreitet: zwei kleinere statt einer großen Sesselbahn. Den einen der beiden kleineren Sessellifte würden die Bergers, nach altbewährter Manier, wieder selbst bauen und betreiben wollen. Doch derzeit sieht es nicht so aus, als könnten sie sich durchsetzen. Eher könnte sich die Familie gezwungen sehen, nach Ende der laufenden Skisaison den alten Lift abzureißen, um Platz für den von ihnen so vehement bekämpften Achter-Sessel zu schaffen. Eigenhändig.

In diesen Tagen freilich macht den Bergers das hundsmiserable Wetter zu schaffen. Keine richtige Kälte, kein Schnee weit und breit. Auf dem ganzen Sudelfeld laufen gerade mal vier Lifte. Auch der Rankenlift steht seit Tagen still, wegen eines Getriebeschadens. Dabei könnte man bei den Bergers durchaus Ski fahren in diesem bisher bacherlwarmen Ausnahmewinter. Auf Maschinenschnee, versteht sich.

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