Winterklausur:Die CSU geht geschlossen ins Kloster

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Könnte auf den Fotos der CSU-Klausur ähnlich gut aussehen wie Wildbad Kreuth: Kloster Seeon. (Foto: Johannes Simon)

Nach 40 Jahren findet die Winterklausur der Landesgruppe erstmals nicht in Wildbad Kreuth statt. Am neuen Tagungsort Seeon wurde sogar schon das Gebüsch gelichtet - für Gegendemonstranten.

Von Matthias Köpf, Seeon

Kurz vor Weihnachten war die Kulisse schon fast perfekt. Von einem halben Meter Neuschnee, wie ihn Wildbad Kreuth öfter zu bieten hatte, konnte zwar keine Rede sein, aber ein bisschen weiß war es auf den Wiesen doch. Die Baumkronen waren vom Raureif fein konturiert, und über den See spannte sich stellenweise eine erste Eisdecke, gerade so dünn, dass sich die Sicherheitsleute keine zusätzlichen Sorgen machen mussten.

Aus Sicht von Gerald Schölzel hätte das alles ruhig so bleiben dürfen. "Das ist das einzige, das wir nicht selbst in der Hand haben", sagt er über die Wetter-Komponente. Aber vielleicht wird die Kulisse ja wieder weißer bis zum 4. Januar, wenn die CSU-Landesgruppe im Bundestag ihre Winterklausur nach 40 Jahren zum ersten Mal nicht mehr in Wildbad Kreuth abhält. Sondern hier, ein paar Kilometer nördlich des Chiemsees, im Kultur- und Bildungszentrum Kloster Seeon.

CSU-Klausur
:So sieht es im Kloster Seeon aus

Gegessen wird in der früheren Bibliothek, die Möbel sind deutlich moderner als in Kreuth: ein Rundgang durch den neuen Tagungsort der CSU-Landesgruppe.

Gerald Schölzel ist seit September 2015 Geschäftsführer im Kloster, das schon seit der Säkularisation 1803 kein richtiges Kloster mehr ist und eigentlich auch kein Kultur- und Bildungszentrum. Denn der Bezirk Oberbayern veranstaltet hier zwar zwei Ausstellungen im Jahr, dazu Lesungen und neuerdings auch Poetry-Slams, vielleicht ein Dutzend verschiedener Konzerte und eine Mozartwoche, die an die wiederholten Besuche des jungen Wolfgang Amadeus in Seeon erinnert. Außerdem gibt es Kalligrafie-Kurse, die an die Schreibschule des 994 gegründeten Klosters anknüpfen sollen. Ansonsten jedoch ist Seeon heute schlicht ein Tagungshotel, in dem die übliche Firmenkundschaft abteilungsweise am Teambuilding oder an neuen Strategien arbeitet. Gelegentlich gibt es Hochzeiten und ähnliche Events.

Dass die CSU für ihre Klausuren 2017 einen Ersatz für Kreuth brauchen wird, habe sich in der Branche schon früh herumgesprochen, sagt der Hotelmanager Schölzel, der Seeon damals gleich angeboten, in der Folge öfter Besuch aus Berlin und schließlich den Zuschlag für die Landesgruppe bekommen hat. Während Kreuth im Inneren eher den Charme einer Jugendherberge hatte, gibt es in Seeon sogar einen Fön in jedem Zimmer - zur besonderen Freude der Findungskommission, sagt Schölzel, der zudem auf die Hotelkategorie Drei Sterne Superior verweisen kann.

Die Stelle, an der die CSU ihre blauen Buchstaben aufstellen kann, ist schon festgelegt

Für die 56 CSU-Bundestagsabgeordneten und ihre Gäste gibt es 69 Einzelzimmer und 20 Doppelzimmer in den ehemaligen Klosterzellen der Benediktiner, für die Entourage sind Unterkünfte rundum reserviert. Die Stelle, an der die CSU ihre drei blauen Buchstaben und ihre Sprecher vor die Kameras stellen kann, ist längst definiert, es gibt ein eigenes Beleuchtungskonzept für möglichst telegene Bilder auch bei Dunkelheit.

Im Vergleich zur alpinen Erhabenheit um Kreuth sind die Moränenhügel um das Kloster Seeon mit seinen Zwiebeltürmen deutlich lieblicher, die Weite des Chiemsees ist nah. Aus aktuellem Anlass bietet sich sogar eine neue Perspektive aufs Idyll: Der Bezirk hat eine Wiese am Ufer gepachtet und dort das Gebüsch auslichten lassen, damit allfällige Demonstranten nicht in ihren Rechten beschnitten werden und ihren Protest in Sichtweite der Abgeordneten kundtun können. Für die Sicherheit ist die Polizeiinspektion Trostberg zuständig, Absperrungen und Einweisungen am Parkplatz übernimmt die Feuerwehr.

Die CSU erwartet in Seeon neben Parteichef Seehofer Norwegens Ministerpräsidentin Erna Solberg, EU-Sicherheitskommissar Julian King, Frontex-Direktor Fabrice Leggeri, BND-Präsident Bruno Kahl, Bundestagspräsident Norbert Lammert, den evangelischen Landesbischof Heinrich Bedford-Strohm, den griechischen Oppositionsführer Kyriakos Mitsotakis, Siemens-Chef Joe Kaeser und die Sternsinger.

Seeon ist ohnehin schon seit der Säkularisation auf Gäste eingerichtet. Zunächst hatte ein Münchner Bäcker das Kloster samt seiner Brauerei gekauft. Sein Schwiegersohn machte es 1816 zum "Bad Seeon", die Kurgäste kamen über den neu aufgeschütteten Damm auf die ehemalige Insel, labten sich an einer schwefelhaltigen Quelle und amüsierten sich auf der Kegelbahn, die es bis heute gibt.

Mitte des 19. Jahrhunderts kaufte Amélie von Leuchtenberg den Komplex. Sie war Tochter von Napoleons Stiefsohn, Enkelin des bayerischen Königs sowie Witwe des Kaisers vorn Brasilien. Der russische Zweig der Leuchtenbergs war mit der Zarenfamilie verbandelt und machte Seeon auch namentlich zum "Schloss". Alte Innenansichten zeigen Unmengen von Jagdtrophäen, in den breiten Gängen lehnten Fahrräder. Im kleinen Friedhof der nahen Kirche St. Walburgis gibt es Grabsteine mit orthodoxen Kreuzen und auch das Urnengrab der Frau, die zu Lebzeiten die angeblich überlebende Zarentochter Anastasia hatte sein wollen.

Statt Kreuth
:CSU-Landesgruppe zieht ins Kloster Seeon

Nach dem Ende Abschied von Wildbad Kreuth hat die CSU neue Tagungsorte für die Winterklausur gefunden. Die Hoffnung: dass es weiterhin einprägsame Bilder vor winterlicher Alpenkulisse gibt.

Nach den Leuchtenbergs ging Seeon durch mehrere Hände, war in der Nazizeit SA-Schule, später Lazarett und Flüchtlingsheim, für ein paar Jahre schon einmal Hotel, dann Möbelfabrik, eine Schule des Bundesgrenzschutzes und zuletzt Kaserne der Bereitschaftspolizei. Manche dienstälteren Polizisten, die jetzt im Einsatz sein werden, kennen Seeon noch von damals. Gehört hat Seeon seit 1978 der Erzdiözese München und Freising. Die hatte sich unter einem gewissen Kaufzwang gesehen, als Gerüchte aufkamen, eine Sekte wolle Seeon übernehmen.

1986 schließlich erwarb der Bezirk Oberbayern das Kloster für eine halbe Million D-Mark, nachdem vier Jahre zuvor die Schwaben das Kloster Irsee als Tagungszentrum eröffnet hatten. Der Bezirk steckte 60 Millionen Mark in eine sehr gediegene Sanierung. 2012 arrondierte er seinen Besitz, indem er auch das letzte Gebäude aus Privateigentum hinzukaufte. Dazu gehört auch ein Stück des alten Klostergartens, der noch immer abgetrennt ist und es unmöglich macht, das Kloster auf der Insel zu Fuß zu umrunden.

Das soll sich bis in zwei Jahren ändern, vorangetrieben vom neuen Statthalter Schölzel, der auch die Zimmer auf den neuesten Stand bringen und das Kloster jenseits des Tagungsbetriebs besser vermarkten will. Denn dass hier auch Individualreisende absteigen können, wissen bisher nur Eingeweihte; die üblichen Buchungsportale haben Seeon nicht im Programm. Schölzel sieht das alles als Stärkung der ganzen Tourismus-Region, auch wenn viele Hoteliers in der Umgebung noch nie verstanden haben, warum der Bezirk ihnen mit Seeon Konkurrenz machen muss. Viele Einheimische trauern auch der Klostergaststätte nach, die schon lang geschlossen ist. Schölzel will sie im Frühjahr wieder eröffnen, um Tagesausflüglern ein schnelles Essen bieten zu können. In zwei Jahren soll dann das bisherige Café Leuchtenberg vorn am Damm diese Aufgabe übernehmen, umgebaut und um eine Seeterrasse erweitert.

Was Schölzel als "Hybridkonzept" bezeichnet, sehen viele Seeoner nur als schnöde Selbstbedienungstheke an. Gar so viele Einheimische seien aber auch nie da gewesen, entgegnet Schölzel. Das Klosterstüberl zum Beispiel, wo um 18 Uhr Happy Hour ist und Sperrstunde um Mitternacht, sei schon immer für alle offen. Aber nicht viele Seeoner wollen sich zur Vertriebsabteilung irgendeiner Versicherung gesellen, die den Tag hier schon mit Tagen verbracht hat. Die CSU wird das Stüberl ohnehin für sich haben, sagt Schölzel. "Und wenn hier das Klosterbier auf dem Tisch steht, dann ist immer alles gut."

© SZ vom 29.12.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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