Wildschweinplage im Donau-Ries:Der eiserne Vorhang des Fürsten

Erhitzte Gemüter: Ein elf Kilometer langer Zaun soll Wildschweine vom Marodieren in Feldern abhalten - die Stadt Oettingen klagt dagegen.

C. Sebald

Glaubt man Eberhard Lasson, dann geschah alles in bester Absicht. "Wir wollen, dass die Klagen der Bauern über die Schäden durch die Wildsauen aufhören", sagt der Generalverwalter des Hauses Oettingen-Oettingen und Oettingen-Spielberg mit so sanfter wie nachdrücklicher Stimme. "Deshalb haben wir den Wildschutzzaun gebaut."

Wildschweinplage im Donau-Ries: Wildschweine graben Äcker um und fressen Felder kahl. Manche Bauern sprechen längst von einer Plage.

Wildschweine graben Äcker um und fressen Felder kahl. Manche Bauern sprechen längst von einer Plage.

(Foto: Foto: dpa)

Was für Lasson eine Wohltat ist, ist für Thomas Frey ein Ärgernis ersten Ranges. Elf Kilometer führt der 1,20 Meter hohe Wildschutzzaun durch den Oettinger Forst, er riegelt den Wald gleichsam hermetisch von den angrenzenden Feldern ab. "Das ist ein Präzedenzfall für ganz Bayern", sagt Bund-Naturschutz-Mann Frey, "der Zaun steht nicht nur in krassem Widerspruch zum Artenschutz, sondern auch zum Grundrecht auf freien Zugang zur Natur."

Viele im Donau-Ries sehen das genauso. Ob in Wirtshäusern oder Ratsstuben - wenig erhitzt die Gemüter so wie Albrecht Fürst zu Oettingen-Oettingen und Oettingen-Spielberg und sein "eiserner Vorhang", wie der Zaun im Volksmund heißt.

Kahlgefressene Äcker

Nur in einem Punkt herrscht Einigkeit: Es muss was passieren gegen die Wildsauen. Wie andernorts in Bayern vermehren sich die Tiere auch im Donau-Ries so sehr, dass manche von einer Plage sprechen. Wie viele "Schwarzkittel", wie die Jäger die Sauen nennen, in Bayern leben, kann keiner schätzen.

Ein Hinweis auf ihre außerordentliche Vitalität ist jedoch, dass vergangenes Jahr fast 50.000 Frischlinge, Bachen und Keiler abgeschossen wurden - und dennoch die Schäden zunahmen, welche die Tiere in der Landwirtschaft anrichteten.

Wenn sich eine Rotte Wildschweine auch nur eine Nacht über einen Maisacker oder ein Getreidefeld hermacht, bleibt kaum etwas übrig. Tagsüber ist von den Tieren meist nicht viel zu sehen. Gut versteckt warten sie im Unterholz ab. Schon in der Nacht darauf wiederholt sich die Fressorgie - im nächsten Acker.

Der Schaden, den die Wildschweine anrichten, geht schnell in die Tausende. Bezahlen muss ihn der jeweilige Revierjäger, im Fall des 4000 Hektar großen Oettinger Forsts das fürstliche Haus.

Zwar will Generalverwalter Lasson nicht sagen, wie viel Ersatz für Wildschäden Fürst Albrecht Jahr für Jahr leisten muss. Angesichts der 100.000 Euro, die er sich den Schutzzaun kosten ließ, dürfte es aber ein respektabler Betrag sein. "Natürlich rechnen wir damit, dass sich der Zaun schnell amortisiert, wenn wir nun weniger Schadenersatz zahlen müssen", sagt denn auch Lasson.

Nicht gerechnet haben dürfte das fürstliche Haus mit dem Zorn fast der gesamten Region. Nicht nur Naturschützer sind empört. "Der Zaun blockiert ja nicht nur die Wege der Wildschweine, sondern auch die Wechsel der Rehe, aber auch von Hasen, Füchsen und anderen Kleintieren", kritisiert Umweltschützer Frey.

Viele Bauern und Forstleute glauben auch nicht, dass der Zaun Schäden auf den Äckern verhindern wird. "Denn er umschließt den Wald ja nicht, er zieht sich linienförmig durch seinen Süden", sagt ein Förster. "An seinen beiden Enden können die Sauen nach wie vor in die Felder wechseln. Die Schäden dürften sich allenfalls anderswohin verlagern."

Auf der nächsten Seite: Warum einige sehr verwundert sind, wie schnell die Baugenehmigung für den Zaun erteilt wurde.

Der eiserne Vorhang des Fürsten

Die Jäger in den angrenzenden Revieren wiederum befürchten, dass sie künftig weniger Wild vor ihre Gewehre bekommen. Zudem glauben nicht wenige, dass der Zaun nur der Anfang eines großen Wildgatters ist, in dem das fürstliche Haus künftig für eine zahlungskräftige Klientel zünftige Gesellschaftsjagden veranstalten will.

"Aber alles, was wir dazu vom Fürst gehört haben, war unbefriedigend", sagt einer, der seinen Namen nicht in der Zeitung lesen will. Wohl deshalb protestieren Jäger und BN, die sich für gewöhnlich äußerst kritisch gegenüberstehen, einmütig gegen den Zaun.

Spaziergänger und Erholungssuchende stören sich vor allem daran, dass das elf Kilometer lange Bauwerk den Wald zerschneidet. Schließlich wurde für ihn eigens eine drei Meter breite Schneise durch den Oettinger Forst geschlagen.

Zweifelhafte Genehmigung

Zwar versichert Verwalter Lasson, dass "wir ungefähr alle 200 Meter ein Tor eingebaut haben und alle Wege im Wald ohne Sperre begehbar sind". Aber bei dem Oettinger Bürgermeister Matti Müller (SPD) treffen oft Klagen ein, dass viele Wege und Pfade abgeschnitten seien.

Matti Müller und seine Stadträte, aber auch Bauexperten wundern sich überdies, wie schnell und umstandslos das Landratsamt in Donauwörth die Baugenehmigung erteilt hat. "Allein schon wegen der Länge des Zauns hätte es ein Planfeststellungsverfahren und eine Umweltverträglichkeitsprüfung gebraucht", sagt Müller. Tatsächlich dauerte es gerade mal drei Wochen, bis Landrat Stefan Rößle (CSU) die Baugenehmigung erteilt hatte. Die hat jedoch etliche Mängel.

So wurde die Staatliche Forstverwaltung erst im Nachhinein um eine schriftliche Stellungnahme gebeten. Für gewöhnlich gibt sie diese ab, bevor eine Baugenehmigung erteilt wird. "Dafür", so verteidigt sich Landrat Rößle, "haben wir wegen der besonderen Schwierigkeit des Projekts von uns aus das Umweltministerium eingeschaltet." Böse Zungen behaupten längst, dass der Zaun nur wegen der guten Verbindungen des fürstlichen Hauses in die Staatsregierung hinein so umstandslos genehmigt worden sei. Natürlich dementiert Generalverwalter Lasson den Vorwurf sehr entschieden, wie auch alle anderen. Die Stadt Oettingen und ein Privatmann klagen inzwischen gegen den Wildschutzzaun.

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